Serie „Somebody Somewhere“: Erzählung aus dem Kaff
Es wird zu selten erzählt: Nicht in die Großstadt auszuwandern, sondern darauf zu bestehen, in einer US-Kleinstadt zu bleiben – das ist eine Leistung der queeren Bewegung.
M ir geht gerade der Ausdruck „Gesellschaft leisten“ nicht aus dem Kopf. Vielleicht weil ich gerade die Serie „Somebody Somewhere“ (Sky) eingeatmet habe und immer noch gerührt darüber bin, wie hier queere Freundschaft erzählt wird. In der Serie sehen wir Sam, die ihre Schwester verloren hat, und Joel, der in der lokalen Kirche eine Art Undercover-Varieté-Abend für die LGBTQI+ Community organisiert, dabei zu, wie sie sich gegenseitig mit kleinen Gesten der Anerkennung retten.
In den zwanzigminütigen Folgen, die mehr erzählen als jeder zweistündige Film, wird Sam dank Joel wieder singen, obwohl sie das jedes Mal zu Tränen rührt. Und Joel, der seine Weiblichkeit ganz selbstverständlich und zärtlich umarmt, wird dank Sam zu seinen Wünschen stehen, die er auf einem Dream Board festhält – und sei es nur ein Vitamix, mit dem man auch Suppe kochen kann.
Allein das Sujet Manhattan, Kansas, ist genial. Denn es steht mal nicht der Glitzer wohlhabender Großstädter mit 10-Dollar-Kaffee in der Hand im Zentrum, sondern das Leben in einer Kleinstadt, in der die große Freude darin besteht, noch mal eben beim Drive-in, wo man den Mensch am Fenster mit Namen kennt, zu halten.
Tore zur Fernsehindustrie blieben geschlossen
Genial ist auch die Figur des MC und Bodenwissenschaftlers „Professor Dr. Fred Rococo“, die die Showrunner extra für den Comedian Murray Hill geschrieben haben. Fred nennt seine Freund:innen liebevoll „Kids“ und schickt seine Studis los, um Sams Vater, dessen Frau in eine Rehab-Klinik muss, bei der Ernte zu helfen.
„Mr. Show Biz“ Murray Hill wurde im New Yorker Nachtleben der 90er mit seinen legendären Auftritten als Drag King bekannt. Er habe immer wieder vergeblich an den Toren der Fernsehindustrie geklopft, um ein größeres Publikum zu erreichen, sagte er in einem Interview. Wenn Hill darüber spricht, dass er stets versucht, seine Wut über den transfeindlichen Rollback, der gerade die Politik in unzähligen Staaten der USA antreibt, in ein Händeschütteln zu transformieren, zeugt das von einer unfassbar großzügigen Haltung gegenüber einer Gesellschaft, die mit allen Mitteln versucht, uns das Existenzrecht abzusprechen.
In einer US-amerikanischen Kleinstadt darauf zu bestehen, zu bleiben und eben nicht in die Großstädte auszuwandern, sei es im Süden oder im mittleren Westen, ist eine Leistung der queeren Bewegung, die selten in den großen Erzählungen unserer Geschichte vorkommt und die noch seltener in Serien abgebildet wird. Die emotionale Arbeit, die im Alltag geleistet wird und die damit verbunden ist, sich in der heterosexuellen Matrix trotz allem mit Verständnis auf andere zuzubewegen, lässt sich nicht mit dem individualistischen Narrativ des „besten Selbst“ abbilden.
Sich immer wieder in Beziehung zu setzten, das ist die queere Leistung an der Gesellschaft, die diese kleine Serie würdigt.
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