LGBTIQA+ in der Kunst: In der lesbischen Zeitrechnung
Lesben und queere Figuren sind plötzlich überall in Serien, Filmen, Romanen. Dass manche Shows abgesetzt werden, ändert daran nichts.
L esben und queere Figuren sind plötzlich überall. Zumindest in der Popkultur – halb Witz, halb Ernst, halb Misstrauen, dies war der Gründungsimpuls für diese Kolumne. Welche Lesben und genderqueeren Präsenzen dann den Weg in Serien, Filme und Romane finden und ob sie zu Protagonist_innen oder bloß Vorzeigenebenfiguren gereichen, ist noch mal eine andere Frage. Zumal die Serien, die sich heute jenseits der Gender- und Körperkonformität bewegen, mit der „The L-Word“ einst unrühmlich begann, jetzt schon wieder viel zu schnell abgesetzt wurden.
In „Gentleman Jack“, der Verfilmung der Lebensgeschichte der englischen Landadeligen und Industriellen Anne Lister (1791–1840) von HBO und BBC, stellte Suranne Jones die Anne Lister mit einer solchen Lust am Butchtum dar, es war einfach göttlich. Nicht zuletzt, weil Jones ein Zwinkern in die Kamera perfektionierte, bei dem das Publikum gar nicht anders kann, als sich zu ihrem Komplizen zu machen. Nach zwei Staffeln blieb die Serie nun in der Luft hängen.
Trost spendet hier Angela Steideles großartiges Buch „Anne Lister. Eine erotische Biographie“ von 2017. Es erzählt Listers Leben bis zu seinem Ende und basiert auf den über 7.000 Seiten umfassenden Tagebüchern, die Lister in ihrem Landgut Shibden Hall vollschrieb. Und in denen sie zwischen ihren Kalkulationen, was nun der beste Weg zu wirtschaftlichen Gewinnen und welcher der beste ins Herz und vor allem ins Testament der geeignetsten, will sagen wohlhabendsten Partie sei, kaum unterschied.
Die Liebschaften, wohlgemerkt, hat sie in eine eigene Geheimschrift übertragen, die erst entziffert wurde, nachdem ein Verwandter die losen Blätter und Bände, in denen Lister ihren Alltag minutiös protokollierte, hinter einer Wandtafel in Shibden Hall entdeckt und vor jener Zerstörung bewahrt hatte, zu der ihm geraten wurde.
Wir leben in The Age of Pleasure
Auch auf der Liste der abgewickelten Shows ist die Baseball-Serie „A League of their Own“. Auf eine Figur wie Bert Hart, den trans* Onkel einer der Hauptfiguren, dem eine unfassbar feinfühlige queere Sensibilität eingeschrieben ist, habe ich gewartet, seit ich zum ersten Mal Leslie Feinbergs „Stone Butch Blues“ gelesen habe. In Janelle Monáes neuem Musikvideo, „Lipstick Lover“, findet sich zwischen den sexy Pizzastücken und High-Heel-Licks auch ein wunderbarer Stud mit Weisheitsvibes. Das sind die Persönlichkeiten, die mich, auch wenn sie nur kurz aufblitzen, unfassbar berühren.
„The Age of Pleasure“ heißt Monáes neues Album, ein Zeitalter, das mindestens zurück zu Anne Lister reicht, was nur noch mehr dafür spricht, es immer wieder auszurufen. Oder anders gesagt, wir leben schon immer und immer noch und immer wieder in the Age of Pleasure. Es können noch so viele Serien einfach wieder verschwinden, in der lesbischen Zeitrechnung lautet die Formel, ganz ohne einen Code knacken zu müssen: Lesbische Zeit = The Time of Pleasure.
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