Serie „Smillas Gespür für Schnee“: Immer noch dem Schnee auf der Spur
Die Serie ist ein Remake des Klassikers und spielt im Jahr 2040. Science-Fiction aus dem verschneiten Kopenhagen und dem ewigen Eis Grönlands.
Etwas stimmt nicht, das verraten die Schneespuren: Auf dem Dach ihres Kopenhagener Wohnhauses erkennt Smilla Jaspersen (Filippa Coster-Waldau), dass das Nachbarkind Isaiah (Silver Wolfe) nicht bei einem Unfall ums Leben gekommen ist, sondern auf der Flucht vor jemandem in die Tiefe gestürzt ist. Aber plötzlich sind um sie herum überall Drohnen in der Luft.
Die neue Serienadaption von Peter Hoegs Kultroman „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, 1997 schon fürs Kino verfilmt, ist im Jahr 2040 angesiedelt. Dänemark ist inmitten der voranschreitenden Klimakrise ein spätkapitalistischer Überwachungsstaat. Der Kampf um Energieressourcen bestimmt politische Debatten, während demonstrierende Neofaschisten regelmäßig das Straßenbild prägen.
Smilla ist eine arbeitslose Mathematikerin, die sich mit dem Inuit-Nachbarjungen Isaiah angefreundet hatte – bis der durch einen Sturz vom Dach ums Leben kommt. Die Behörden wollen der Sache nicht nachgehen, aber Smilla ermittelt auf eigene Faust, mit der Hilfe von Hausmeister Rahid (Elyas M’Barek). Und sie kommt einer unglaublichen Geschichte auf die Spur. Es geht um den Medienmogul Tork (Henry Lloyd-Hughes), vertuschte Todesfälle und die Jagd nach Energieressourcen in Grönland, von wo auch Smilla stammt. Dänemarks Verhältnis zur ehemaligen Kolonie ist gerade äußerst angespannt.
Der Sechsteiler adaptiert die literarische Vorlage gekonnt als Science-Fiction-Erzählung. In dieser noch weiter digitalisierten Welt gehen Heizung und Licht in der eigenen Wohnung erst an, wenn das Handy an ein Abrechnungsterminal gehalten wird. Wenn Smilla durchs verschneite Kopenhagen läuft, surren um sie herum Drohnen, Nazis verteilen Flugblätter und alle Menschen tragen Bodycams als Sicherheitsmaßnahme.
Sechs Folgen ab 1.12. auf Magenta TV
Kampf um Energieressourcen
Die zentrale Geschichte um ein Geheimnis im grönländischen Eis fügt sich nahtlos in die Science-Fiction-Welt im Kampf um Energieressourcen im drohenden Klimakollaps. Und auch um Rassismus und Flucht geht es in dieser Zukunft. Smillas Gefährte Rahid, von dem nicht ganz klar ist, ob er nicht auch für den staatseigenen Energie-Konzern spitzelt, wird wegen seines Aufenthaltsstatus unter Druck gesetzt. Die Abschiebung nach Tunesien, wo ein Aufstand wütet, dessen Bilder über die Fernsehschirme laufen, würde für ihn Gefängnis oder gar Tod bedeuten. Auch die Repression gegenüber grönländischen Dänen wie Smilla, deren Sprache verboten ist, spielt eine Rolle.
Die grönländisch-dänische Schauspielerin Filippa Coster-Waldau ist großartig als ruhige, in sich gekehrte Smilla, die nicht lockerlässt. Dabei ist die Inszenierung langsam, verzichtet auf Action und kommt manchmal fast blutarm daher. Die Reise nach Grönland, bei der sich Smilla an Bord eines Forschungsschiffes versteckt und die Suche nach dem Rätsel im ewigen Eis, weichen deutlich von der literarischen Vorlage ab und werden zur Fantasy-Geschichte.
Für Puristen, die Hoegs Kult-Roman lieben und sich schon über die Verfilmung 1997 ärgerten, dürfte das grenzwertig sein. Aber die schwedisch-deutsche Koproduktion, in der neben dem Streamingdienst Viaplay und der Münchner Constantin-Film auch die ARD involviert ist (sie wird die Serie später im Free-TV zeigen), geht mit der Vorlage kreativ um und holt aus dem Stoff einiges raus. Das überzeugt nicht an jeder Stelle, in der esoterisch anmutenden Auflösung etwa wirkt es aufgesetzt. Aber der Sechsteiler zeigt, dass das Format der Mini-Serie für literarische Stoffe, egal ob werkgetreu oder frei interpretiert, viele erzählerische Optionen bietet.
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