Serie „Pachinko“ bei AppleTV+: Ein Ringen um Heimat

Die neue Serie „Pachinko“ ist eine koreanische Familien-Serie. Die feine, kunstvolle Erzählung legt Wert auf wichtige Erinnerungen.

Zwei Frauen kümmern sich im Regen um einen knienden Mann mit geschlossenen Augen

Minha Kim, Inji Jeong und Steve Sanghyun Noh in „Pachinko“ Foto: Apple TV+

Dem Begriff Familiensaga haftet etwas Altmodisches an. Denkt man an ihn im Kontext von Fernsehserien, kommen einem „Fackeln im Sturm“ oder „Das Erbe der Guldenburgs“ in den Sinn, Achtziger Jahre-Kitsch und generationsübergreifende Gefühlsduseligkeiten. Selbst wem neuere Produktionen wie „Downton Abbey“ einfallen, outet sich nicht gerade als Hipster. Auch „Pachinko“, zu sehen ab dem 25. März bei AppleTV+, unterzieht das Genre nun keiner radikalen Neuerfindung. Aber qualitativ wird es hier auf ein ganz neues Niveau gehoben.

Erzählt wird in „Pachinko“ die Geschichte einer koreanisch-stämmigen Familie über mehrere Generationen im 20. Jahrhundert, von 1915 bis 1989. Im Zentrum steht dabei Sunya, die als Mädchen (Jeon Yu-na, eine umwerfende Kinderdarstellerin) in einem Fischerdörfchen bei Busan unter japanischer Besatzung aufwächst. Als junge Frau (Kim Min-ha) weckt der ebenso elegante wie zwielichtige Fischhändler Koh Hansu (Lee Min-ho, ein Superstar in Korea) ihr Interesse, der – wie sich herausstellen wird – mit der Yaukza verbandelt ist.

Pachinko“, ab dem 25. März bei AppleTV+ zunächst mit 3 Folgen, anschließend folgen immer freitags neue Episoden bis zum 29. April 2022.

Letztlich allerdings verlässt sie die Heimat mit dem zurückhaltenden Pfarrer Baek Isak (Steve Sanghyun Noh) und zieht nach Osaka, wo sie auch Jahrzehnte später noch lebt. Dort betreibt ihr Sohn Baek Mozasu (Soji Arai) eine gut laufende Automatenspielhalle (ihren Titel verdankt die Serie dem in Japan beliebten, Flipper-artigen Arcade-Spiel Pachinko), während ihr Enkel Solomon (Jin Ha, der sich nach Serien wie „Devs“ endgültig für Größeres empfiehlt), der eigentlich schon als Jugendlicher in die USA ausgewandert war und an der Wall Street erfolgreich ist, aus beruflichen Gründen für einige Zeit nach Japan zurückkehrt und natürlich auch Zeit mit seiner Großmutter (Oscar-Gewinnerin Youn Yuh-jung ist so etwas wie die Seele der Serie) verbringt.

Anders als der gleichnamige Roman der koreanisch-amerikanischen Schriftstellerin Min Jin Lee erzählt die Serien-Adaption von „Pachinko“ diese beinahe ein ganzes Jahrhundert abdeckende Geschichte nun nicht chronologisch, sondern schiebt die verschiedenen Zeitebenen ineinander. Rückblenden, Zeitsprünge und aufgebrochene Handlungsstränge sind dieser Tage in Serien allgegenwärtig und oft unnötig beziehungsweise bloß dazu da, von Schwächen in der Story abzulenken. Nicht so in diesem Fall: selten wurde so fein und kunstvoll ein erzählerisches Netz über verschiedene Jahrzehnte gewebt, das nicht nur tatsächlich das Gefühl einer zusammenhängenden Familienchronik entstehen lässt, sondern auch deutlich macht, wie wichtig Erinnerung und Vermächtnis in dieser Geschichte und für diese Figuren sind.

Verhältnis zwischen Korea und Japan

Im fantastischen Vorspann der Serie tanzen alle Schau­spie­le­r*in­nen in ihren jeweiligen Kostümen zusammen zu „Let’s Live For Today“ von The Grass Roots und machen so gleich zu Beginn jeder Episode klar, wie eng Vergangenheit und Gegenwart hier miteinander verknüpft sind und dass die Erfahrungen einer Figur auch Jahrzehnte später noch auf andere Generationen nachwirken.

Trotz sich stetig wandelnder politischer und gesellschaftlicher Umstände bleiben die Themen, die in „Pachinko“ auf den verschiedenen Zeitebenen verhandelt werden, immer ähnliche; es geht um Ausgrenzungserfahrungen und ein Ringen um Heimat, um Trauer und um Liebe, aber eben auch ganz konkret um historische Ereignisse (eine Folge etwa ist dem großen Kantō-Erdbeben von 1923 und dem darauf folgenden Massenmord an mehreren hundert Ko­rea­ne­r*in­nen gewidmet) und das bis heute belastete Verhältnis zwischen Korea und Japan.

Es ist bemerkenswert, wie Showrunnerin und Autorin Soo Hugh über acht Folgen stets alle Fäden mit scheinbarer Leichtigkeit beisammen hält und die Geschichte trotz ihrer epischen Weite nie ausufern lässt. Das exzellente Ensemble und die beiden Regisseure – der in Korea geborene Kogonada, dessen Film „After Yang“ gerade in den USA gefeiert wurde, und Justin Chon, dessen Melodrama „Blue Bayou“ aktuell in deutschen Kinos läuft – leisten in „Pachinko“ kaum weniger eindrucksvolle Arbeit. Gemeinsam gelingt ihnen ein emotional dichtes und bemerkenswert intimes Meisterwerk mit Bildern und Dialogen von betörender Schönheit. Eine Familiensaga, die ihresgleichen sucht.

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