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Serie „DEUTSCHER“ bei ZDFneoDie Rechten von nebenan

Die Miniserie erzählt von der rechtspopulistischen Bedrohung der Demokratie. Leider kommt die Geschichte nicht über Klischees hinaus.

Die Familien Schneider und Pielcke: Szenenbild aus „DEUTSCHER“ Foto: Martin Rottenkolber

Der Außenanstrich: karminrot und himmelblau. Diese erste Kameraeinstellung, die beide Vorstadthäuser, die immerhin keine Doppelhaushälften sind, in einem Bild zeigt, soll gleich klarstellen, dass das nicht ernst gemeint ist. Obwohl, wenn sich die beiden Garagen in der Mitte eine Wand teilen, macht das die Häuser vielleicht etwa doch zu Doppelhäusern?

„Hier also kommt die erste Hochrechnung: Alle früheren Volksparteien – und da setzt sich der Trend der letzten Jahre fort – verlieren drastisch. Eine Fortsetzung der bisherigen Koalition wird damit unmöglich. Stattdessen wird, zum ersten Mal seit Gründung der Bundesrepublik, eine Partei, die deutlich rechts von der Mitte steht, die Regierung stellen“, tönt der Radiosprecher aus dem Off.

In der Schule wird die Direktorin die Lehrerkonferenz, nach erhitzter Diskussion, so beschließen: „Ja. Also da wir ja nun offensichtlich keinen anderen Lösungsansatz haben, schlage ich vor, dass wir im Interesse unserer immer noch demokratischen Haltung über die Idee des Schülersprechers abstimmen: für oder gegen die Trennung der muslimischen Schülerinnen und Schüler.“ Noch ein bisschen später wird sich eine Kollegin, die zuvor noch erbittert gegen diese Idee argumentiert hat, dafür starkmachen – sie hat die richtige Formel für sich gefunden: „Getrennter Unterricht für ein achtsameres Miteinander.“

Überzeichnung ist nicht gleich Überzeichnung. Sie kann auf Verdeutlichung abzielen oder auf eine komische Wirkung. Sich den Sport- und Geschichtslehrer Björn Höcke – sein Wiedergänger wird hier gegeben von Christian Hockenbrink – in einer Lehrerkonferenz auszumalen, ist überhaupt nicht komisch. Die beiden exemplarischen Vater-Mutter-Kind-Kleinfamilien im roten und im blauen Haus müssen aber – wie die bunten Anstriche – unbedingt komisch gemeint sein, denn sonst wären die Klischees, die hier bedient werden, nicht besser als die Ressentiments der Rechten, gegen die sich die neue ZDFneo-Miniserie „DEUTSCHER“ offensichtlich positionieren will.

„Knallköppe aus der Pampa“

Die Serie

„DEUTSCHER“, vier Folgen, 28. und 29. April, 20.15 Uhr, ZDFneo

Die Schneiders – im linken, roten Haus – sind Akademiker, er (Felix Knopp) Lehrer, sie (Meike Droste) Apothekerin. Vor dem Einschlafen schmökern beide noch in ihren Edition-Suhrkamp-Bändchen, darunter François Julliens: „Es gibt keine kulturelle Identität“. Sie essen bio und echauffieren sich über „dieses fettige Zeug von denen“ im – rechten, blauen – Nachbarhaus. „Vielleicht werden jetzt endlich mal die ganzen Probleme angepackt“, freut sich da nebenan der selbständige Installateur mit dem proletarischen Namen Pielcke (Thorsten Merten, an seiner Seite: Milena Dreißig) über den Wahlsieg der Rechten.

Menschen mit Migrationshintergrund sind für ihn schlicht „Knallköppe aus der Pampa“ – etwa der Arbeitskollege der Nachbarin in der Apotheke, der für ihn nur „der Türke“ ist, den er, abhängig von seiner Laune, auch schon mal „ihren Lieblingstürken“ nennt oder einfach „dieser Kanake“. Das „Gutmenschengelaber“ der Schneiders ist seine Sache nicht – aber das hält ihn nicht davon ab, dort jederzeit gutnachbarschaftlich nach dem Wasserdruck zu sehen. Denn, und das ist der entscheidende Punkt: er meint das alles – seinen Alltagsrassismus – gar nicht so. Er weiß es in seiner schlichten Arglosigkeit nur einfach nicht besser.

Drehbuchautor Stefan Rogall ist als Verfasser zahlreicher „Tatorte“ und „Polizeirufe“ lange genug im Geschäft und hätte es besser wissen müssen. Den Versuch, ein virulentes gesellschaftliches Problem eben nicht auf die satirisch-komische, sondern auf die ganz ernst gemeinte, realistische Art anzugehen, kann man natürlich aller Ehren wert finden. Und gewiss, neben dem Alltagsrassismus der Pielckes gibt es bei Rogall auch den Rassismus der Akademiker – siehe Lehrerkonferenz. Nur dass Rogall seinen eigenen Blick auf die Pielckes gerade damit als ebenso von-oben-herab-dünkelhaft entlarvt wie den der von ihm erdachten Schneiders. Karminrot und Himmelblau erweisen sich am Ende auch nur als Varianten von Schwarz und Weiß.

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