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Serbien und KosovoAbkommen droht zu kippen

Vier serbische Gemeinden im Kosovo bitten Russland um Unterstützung ihres Boykotts der Brüsseler Übereinkunft. Und die Verhandlungen zu seiner Umsetzung liegen auf Eis.

Serbische Fahnen und orthodoxes Fingerzeichen im kosovarischen Mitrovica. Bild: ap

PRISTINA/BELGRAD dpa | Das vor drei Wochen von der EU durchgesetzte Normalisierungsabkommen zwischen Pristina und Belgrad droht zu scheitern. Die serbische Minderheit im fast nur noch von Albanern bewohnten Kosovo bekräftigte am Mittwoch ihren Boykott der Übereinkunft. Zugleich scheiterten die Verhandlungen zwischen Serbien und dem Kosovo über die Umsetzung des Abkommens in Brüssel. Das berichtete der stellvertretende albanische Regierungschef Hajredin Kuci nach zweitägigen Beratungen.

Die Ratsmitglieder der vier serbischen Gemeinden im Nordkosovo schickten einen offenen Brief an die Staats- und Regierungsspitze in Moskau, berichteten sie nach einer gemeinsamen Sitzung in Zvecan. Darin werde um Unterstützung gebeten für ihren Kampf gegen das in Brüssel erzielte Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo. Durch diese Übereinkunft soll die serbische Minderheit Autonomie erhalten, muss sich aber im Gegenzug in den Kosovo-Staat einfügen.

Das sei „unannehmbar, erzwungen und verfassungswidrig“, beschlossen die Ratsmitglieder der vier Kommunen. Sie wollten weiter im serbischen Staatsverbund bleiben.

Sie riefen ihre Landsleute zu einer Großdemonstration gegen die Regierung und gegen Brüssel am Freitag in Belgrad auf. Die serbische Regierung will das Brüsseler Abkommen ohne Wenn und Aber umsetzen. Demgegenüber beschlossen die Kosovo-Serben, die Umsetzung zu boykottieren.

Warum in Brüssel die von der EU geführten Beratungen über die Durchführung des Abkommens gescheitert sind, war zunächst unklar. Für Serbien drängt aber die Zeit, weil es für seine konstruktive Rolle im Kosovo im Juni einen Termin für EU-Beitrittsverhandlungen erhalten will.

Diesen Termin soll Belgrad nur bekommen, wenn das Brüsseler Abkommen in Ansätzen auch angewendet wird. Es sieht unter anderem den Rückzug der serbischen Behörden aus dem Norden des Kosovos vor.

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13 Kommentare

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  • M
    Michael

    Die BRD hat die geänderten Grenzen Polens nach dem letzten Krieg erst 1992 bedingungslos anerkannt. Solche Prozesse dauern länger, ohne Unterstützung noch länger.

  • L
    libertas74

    1.Ein Kosovo eine Grenze.

    2.Dann das Land und Staatsapparat aufbauen

    3.In dem neuen Kososvo soll serbische Bevölkerungsgruppe beteililgt sein und (sehr wichtig) für das Land in dem Sie leben sein!

    4. dann nach einer Weile, wenn sich feststellt, wir haben immer noch keine Rechte, können die Referendum oder sonstiges durchsetzen..in dem Fall bin ich mir sicher, dass diese bevölkerungsgruppe aber auch jede andere völlige Untersüzung Europa erwarten kann.

    --Aber meine Damen und Herren nicht so, ich bin hier d.h mein Land, mein Staat, meine Grenze alle andere sollen wegziehen!

    über Bosnien brauche ich nicht zu schreiben, wenn jemand der meinungist, dass die Serben da bedroht waren, dann sollte noch einmal gut nachdeneken, wer da wirklich für Krieg war und warum..und warum solche dummköpfe immer noch das Land und Ihre Entwicklung bremsen. Und vor allem sollte die Verfassung der Ex-Yu lesen und darin enthaltene Rechte und Pflicheten jeden Bundeslandes und Autonomie der Ex-Yu nachlesen.

    Das wir uns verstehen Meine Damen und Herren

    HAVoll

  • M
    Michael

    Wieso unterstützt die EU nicht ?

     

    Der Spiegel, Ausg. 45/2012: „keiner der Verantwortlichen der Eulex-Mission meldet die Wahrheit nach Brüssel. Sie schicken aus dem Kosovo nur geschönte Berichte, sogenannte Okay-Reportings. Vielleicht müssen sie das auch machen, um ihren Posten zu behalten“.

  • B
    Besame

    Liebe Redaktion,

    was heisst "...fast nur noch von Albanern bewohnten Kosovo?"

    Was meinen Sie damit?

  • M
    MyMi

    @ Naka

     

    ´Europa will die Kosovo-Serben nicht unterdrücken oder so einen Quatsch, sondern erzielen, dass Länder nicht nationalistisch aufgebaut sind, sondern auch ethnisch-religiöse Minderheiten dort mit Autonomie leben können.´

     

    Haben Sie sich in den letzten 20 Jahren mit dem Engagement Europas & USA auf dem Balkan beschäftigt? Wenn ja, dann lesen Sie bitte Ihren Kommentar noch einmal durch & denken darüber nach!

    In welchem Land des ehemaligen Jugoslawiens, einem muktikulturell- , -ethnisch und -religiös gemischten Staates ist es dem Einsatz bzw. der einseitigen Einmischung europäischer & amerikanischer Regierungen nach Ihrer Meinung gelungen, keine nationalistisch aufgebauten Neustaaten entstehen zu lassen? Wollten die das überhaupt wovon Sie so überzeugt schreiben? Zweifel sind angebracht angesichts der ernüchternden Bilanz der heutigen Realität: Kroatien als auch Bosnien können inzwischen eine nahezu ethnisch reine Bevölkerungsstruktur aufweisen.

     

    Warum das im Kosovo nicht fortpraktiziert wurde oder werden darf, wissen diese Herrschaften sehr genau. Wenn Sie noch etwas darüber nachdenken möchten, kommen Sie bestimmt auch hinter deren Motivation.

  • TL
    Tim Leuther

    @D.J.

    Das stimmt zwar, aber wenn man neue grenzen zieht, dann kann man Sie auch gleich so ziehen wie es den leuten passt. Und nicht so Faul sein und einen Staat ausrufen und einfach mal ein Paar Grenzlandkreise mitnehmen in die Abspaltung die sich gar nicht abspalten wollen.

  • A
    Arne

    Erstmal zur Verteidigung der taz:

    Das ist ein dpa-Artikel, keiner der taz. Die dpa bringt die Meldungen, die ihre Auftraggeber lesen wollen, wie das nunmal im Journalismus im Kapitalismus ist. Allerdings sind die meisten Kommentare von Herrn Rathfelder, der für die TAZ wohl schreibt, ähnlich gefärbt, wenn auch etwas informativer.

     

    Das Problem ist auch ein wirtschaftliches. Der Nordkosovo hat eine wesentlich größere Wirtschaftsleistung als der Rest des Landes pro Kopf. Im restlichen Kosovo ist fast ausschließlich Landwirtschaft ein wirtschaftlicher Faktor. Die EU hat schon Mrd. in das Land gesteckt, um überhaupt dieses eigentlich wirtschaftlich nicht überlebensfähige Konstrukt "Kosovo" zu subventionieren. Wenn der Nordkosovo sich abspaltet, wird die Wirtschaftsleistung dazu führen, dass noch mehr als 20% der Gesamtwirtschaftskraft sich aus Drogenhandel zusammensetzen. Durch diese kriminellen Strukturen im Restkosovo (außer dem Norden, wo es natürlich auch kein vernünftiges Staatswesen gibt, da sie sich eben nicht als Staatsteil von Serbien organisieren dürfen) haben bestimmte kriminelle Kreise im Restkosovo schon Möglichkeiten durch Korrumption u.a. Einfluß auf die EU-Bourgeoisie zu nehmen.

     

    Ich finde es interessant, wenn eine Gruppe von Bürgern eines Staates aus einem klar räumlich berenzten Raum jetzt sagt: Nein, wir wollen nicht mehr Bürger dieses Staates sein. Genau wie ein Kleinstaat wie Luxemburg. Liechtenstein oder Monaco seine eigenen Gesetze machen darf, wollen wir dieses Recht auch. Ich wünsche den Menschen im Nordkosovo viel Erfolg, diese imo legitime demokratische Forderung verwirklichen zu können.

    Eine immer strkere Zentralisierung der Macht sorgt nur für weniger Selbstbestimmung und für weniger Demokratie. Die Förderung dieser beiden wichtigen Aspekten zur mehr autonomen Selbstbestimmung ist leider nicht ein Hauptanliegen der EU.

  • D
    D.J.

    @Naka,

     

    Danke, Sie sprechen mir vollständig aus dem Herzen. Noch Anfang des 20. Jh. gab es kaum eine europäische Grenze, die deckungsgleich war mit einer Sprachgrenze (nicht einmal die franz.-italienische z.B., da Dialektkontinuum Provenzalisch-Piemontesisch). Der Wahn, dies in Deckung zu bringen hat Abermillionen Opfer gefordert. Was gefragt ist, sind Minderheitenrechte und nicht die dauernde Verschiebung von Grenzen (zumal überall Enklaven und Exklaven geschaffen werden müssten).

  • TL
    Tim Leuther

    @Naka

     

    Sie sehen aber offensichtlich "ihre" Regierung nicht als "ihre" an. Vielleicht wäre es besser gewesen wenn die grenzen des Kosovo sich danach richten würden wer zum Kosovo gehören will. Immerhin war es ja der Kosovo der sich abgespaltet hat. Einfach ein paar Landkreise, die an der Grenze liegen "mitabzuspalten" ist eine ziemlich bescheuerte Idee.

     

    Warum Tito wie die grenzen gezogen hat ist ehrlich gesagt irrelevant.

     

    Die Vermengung mit anderen Grenzen ist quatsch. Insbesondere die der EU-Staaten. Kosovo ist ein neues Land. Es wäre klug bei neuen Ländern Grenzen zu wählen die passen. Die den passen die da leben. Nicht irgendwelchen Bürokraten mit karten von als es kein Farbfernsehr gab.

  • N
    Naka

    @Tim Leuther:

     

    "Was haben diese Leute getan?"

     

    Erst einmal gar nichts. Allerdings stellen sie sich gerade gegen Übereinkünfte ihrer derzeitigen gewählten Regierung und der anderen Regierung, der sie sich ethnisch zurechnen. Tito hat Jugoslawiens Grenzen nicht ohne Grund gewählt und wollte den Nationalismus überwinden, der nach seinem Tod aber von allen Seiten wieder angestachtelt wurde.

     

    Europa will die Kosovo-Serben nicht unterdrücken oder so einen Quatsch, sondern erzielen, dass Länder nicht nationalistisch aufgebaut sind, sondern auch ethnisch-religiöse Minderheiten dort mit Autonomie leben können.

     

    Ließe man nun die Serben aus dem Kosovo, müssten auch die Albaner aus dem Preševo-Tal raus dürfen, die Serben aus Bosnien, die Minderheiten aus Ungarn, Kroatien, Rumänien etc. die Russen im Baltikum dürften zu Russland (obwohl sie gezielt angesiedelt wurden) usw. Dieses Fass will niemand aufmachen, der Höhepunkt und die Folge des Nationalismus von Staaten in Europa jährt sich nächstes Jahr zum 100. mal, keine einzige europäische Grenzziehung wäre mehr gültig und wir würden 50 Jahre zum Sortieren unserer Staatsgebilde brauchen. Diese Büchse der Pandora soll verschlossen gehalten werden.

  • W
    Wolf

    Nachtrag:

    Ich möchte den Autor dieses Artikels auf eine Kleinigkeit hinweisen. Mir ist bewusst, dass der "Journalismus" den man heutzutage antrifft parteiisch ist. Aus diesem Grund ist es gängige Praxis, Dinge auszulassen, die ein negatives Bild seines Schützlings verbreiten. Nun ist es aber Eines, Details auzulassen, das andere Tatsachen zu verdrehen. Und Sie schreiben folgendes: Das Verhandlungen wurden aus unerklärlichen Gründen abgebrochen (von wem?) + Serben im Kosovo boykotieren dieses Abkommen (wie lauten die Stellungnahmen dazu aus Belgrad?).

    Wenn Sie diese Dinge, die ich Klammern gesetzt habe auslassen, kommt der Leser zu folgendem Schluss: Das Abkommen steht auf der Kippe, weil die Serben es boykottieren.

    Wie gesagt, das kann man nicht mehr zum Auslassen von Informationen rechnen.

    Wenn Sie meinen Kommentar jetzt auch noch nicht veröffentlichen, dann gratuliere ich Ihnen zur deutschen "Pressefreiheit"!

  • TL
    Tim Leuther

    Im norden des Kosovo sind die Serben nicht in der Minderheit, sondern in der Mehrheit. Es sind die absolut willkürlichen Grenzen der ehemaligen föderalen Binnengrenzen des ehemaligen Jugoslavien die aus den absolut mehrheitlich mit Serben bewohnten Gegenden Kosovaren gemacht haben.

     

    Diese Menschen sind Opfer der Starrköpfigkeit der internationalen Bürokratie. Es wäre ein Pinselstrich die Grenze um paar Kilometer zu verschieben. Der Kosovo würde auch kein Meerzugang verlieren und von Öl etc. hab ich auch noch nichts gehört. Das Europa sich für die Unabhängigkeit des Kosovo einsetzt kann ich verstehen, aber das Europa seine Macht einsetzt das der Nordkosovo zum Kosovo gehört, kann ich nicht verstehen. Was haben diese Leute getan?

  • W
    Wolf

    Ich lese alle Artikel, die Serbien betreffen, sowowhl aus deutschen als auch aus serbischen Quellen.

    Jetzt bin ich wieder einmal verdutzt (was mir bei der TAZ des Öfteren passiert, aber nichts für ungut.

    Der Artikel beschreibt die Situation so, als ob das Abkommen auf der Kippe steht, weil die Serben im Kosovo es boykotieren. Komischer Weise wurde aber auf das angekündigte Referendum über dieses Abkommen verzichtet. Gleichzeitig wurde erklärt (Dacic und Vucic) das nichts und niemand dieses Abkommen stoppen wird (Referendum, Boykott etc.). Desweiteren zitiert die serbische Presse den Premierminister, dass derzeit an einem Plan gearbeitet wird, dass die Durchsetzung des Abkommens in den nächsten 7-10 Tagen ermöglichen soll. Weiter heißt es, dass die albanische Delegation die neuesten Gespräche in Brüssel abgebrochen hat, weil sie mit dem ursprünglichen Vertrag unzufrieden ist und das dieser ihrer Ansicht nach, den Serben zu große Rechte beispricht.

    Desweiteren wird Samuel Zbogar Zitiert, dass die Umsetzung des Abkommens nicht nur Aufgabe Belgrads sei.

    Kann ich jetzt davon ausgehen, dass die TAZ beim Verfassen dieses Artikels schludrig war (beabsichtigt oder nicht), oder ist alles auch diesmal lediglich serbische Propaganda? :)