Senat will Innenminister verklagen: Berlin will grundsätzliche Klärung
Horst Seehofer verweigert dem Land Berlin seine Zustimmung zur Aufnahme von mehr Flüchtlingen. Seebrücke und Anwälte begrüßen eine Klage dagegen.
Die Vorlage zu dem Beschluss hatte Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Dienstag in den Senat eingebracht. Ein Sprecher der Innenverwaltung sagte am Mittwoch der taz: „Nachdem Andreas Geisel sich im August vergeblich an den Bundesinnenminister wandte und sich Mitte September selbst in Griechenland einen Eindruck von der Lage verschafft hat, ist nunmehr Klage geboten.“ Dabei gehe es „um die grundsätzliche Klärung, unter welchen Voraussetzungen das Bundesministerium das Einvernehmen zu Landesaufnahmeprogrammen der Länder verweigern darf.“
Die Landesvorsitzende der Linken, Katina Schubert, erklärte, es sei schon lange eine Forderung der Linken, „juristisch zu klären, wie weit Seehofer gehen darf“. Der taz sagte sie: „Die Situation auf den griechischen Inseln hat sich in keiner Weise geändert, seit die Weltöffentlichkeit weniger dorthin schaut. Wenn die EU hier nicht zusammensteht und Griechenland entlastet, dann muss zumindest für aufnahmewillige Kommunen der Weg frei gemacht werden.“
Die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch twitterte, es sei gut und richtig, dass Berlin vorangehe und Klage erhebe. „Es ist weder moralisch, politisch noch juristisch zu rechtfertigen, dass der Bund einem Bundesland die humanitäre Hilfestellung für Menschen in Not verweigert. Das Aufenthaltsgesetz lässt den Ländern sehr viel mehr Spielraum für humanitäre Landesprogramme“, als Seehofer ihnen zugestehe. Der Bundesinnenminister wolle offensichtlich den Bewegungen der Städte und Länder für die Aufnahme von Griechenland-Flüchtlingen „den Wind aus den Segeln nehmen“, so Jarasch.
Abfuhr auch für andere Bundesländer
Berlin hatte im Sommer angeboten, 300 Flüchtlinge zusätzlich zu den vom Bund vereinbarten rund 2.500 Flüchtlingen im Rahmen eines eigenen Landesprogramms herzuholen. Dazu wird derzeit das Containerdorf am Rande des Tempelhofer Felds wieder in Betrieb genommen. Das Aufenthaltsgesetz sieht dazu allerdings eine Zustimmung des Bundes vor, die Seehofer verweigerte. Auch ähnlichen Ansinnen der Bundesländer Bremen und Thüringen sowie von rund 200 Städten, darunter auch von Potsdam, erteilte der CSU-Politiker eine Abfuhr. Er setze auf ein bundeseinheitliches Vorgehen und europäische Lösungen.
Matthias Lehnert, RAV
Matthias Lehnert vom Republikanischen Anwältinnen- und Anwaltsverein begrüßte gegenüber der taz die geplante Klage. „Nach dem Aufenthaltsgesetz muss der Bund sein Einvernehmen erklären, wenn Bundesländer ein Landesaufnahmeprogramm für Geflüchtete auflegen wollen. Das Einvernehmen soll der Wahrung der Bundeseinheitlichkeit dienen.“ Allerdings begründe das Bundesinnenministerium seine Blockade vor allem mit dem Vorrang des Europarechts. „Das ist rechtlich falsch und irreführend und zielt letztlich darauf ab, dass das Ministerium jegliche Aufnahme von Geflüchteten von den europäischen Außengrenzen nach Deutschland verhindern will und dafür juristische Scheinargumente bemüht.“
Das Berliner Vorgehen sei daher richtig und juristisch konsequent. „Es ist allerdings eine Klage mit offenem Ausgang“, fügte Lehnert hinzu. Erstens dauerten Verwaltungsgerichtsprozesse Monate, zweitens sei das Bundesverwaltungsgericht nicht für eine besonders progressive Rechtsprechung bekannt. „Es ist darum wichtig, dass Berlin auch auf anderen Kanälen weiter Druck macht.“
Zustimmung findet das Klagevorhaben auch bei der Seebrücke und Sea-Watch. Die Vereine erwarten nun von Bremen und Thüringen, die sich ebenfalls zur Aufnahme von zusätzlichen Flüchtlingen bereit erklärt haben, dass sie dem Beispiel Berlins folgen und ebenfalls klagen. „Der bevorstehende Winter und die Pandemie verschlimmern die Situation für schutzsuchende Menschen enorm. Wir sehen jeden Tag, wie absolut notwendig es ist, die Lager zu evakuieren und die Menschen in Sicherheit zu bringen.“
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