„Selfie“ auf Mandelas Trauerfeier: Zu Gast bei Freunden
Für die Mächtigen der Welt wird die Trauerfeier für Nelson Mandela zum Meet-&-Greet-Event. Doch wie bei jeder Party gibt es Menschen, die außen vor bleiben.
A schöne Leich – so nennen Österreicher und Bayern eine stilvolle Bestattung mit vielen Trauergästen und anschließendem Schmaus und Umtrunk. Doch nicht nur im deutschsprachigen Süden weiß man die Trauer um den geliebten Verschiedenen und die Freude, dass endlich alle Bekannten wieder einmal beieinander sind, zusammenzubringen.
Auch die Südafrikaner und ihre ausländischen Gäste haben Nelson Mandela ein würdiges und lustiges Fest bereitet. US-Präsident Barack Obama war sogar in ausgesprochen ausgelassener Stimmung.
Mit der dänischen Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt und dem britischen Premier David Cameron posierte er für ein „Selfie“. Michelle Obama, die im Weißen Haus für die ernsten Dinge wie gesunde Ernährung und Körperdisziplin zuständig ist, fand das weniger amüsant: Kurz nach dem Selbstporträt tauschte sie mit ihrem Gatten die Plätze.
Doch Michelle wird ihrem Präsidenten seinen kleinen Flirt gewiss nicht lange nachtragen. Sie weiß: Auch eine Beerdigung ist eine Party, auf der niemand erwartet, dass sich alles nur um den Gastgeber dreht: Man grüßt und scherzt, man macht Geschäfte und Politik, man flirtet, später wird getanzt und manchmal sogar geschmust.
Heiter und oberflächlich geht es zu, und wenn man niemanden kennt oder einen keiner anspricht, so liegt es eben an einem selbst, daran, dass es einem an der angeborenen oder erlernten Geschmeidigkeit fehlt, sich auf dem gesellschaftlichen Parkett zu bewegen, neue Bekanntschaften zu machen und die ersten zarten Knoten für die eigenen globalen Netzwerke zu schlingen. Dass hier der Deutsche und wohl speziell der lutherische Nordostdeutsche so seine Probleme hat, beklagte schon Goethe.
Und so fiel uns, bei Durchsicht der internationalen Pressefotos, ein trauriges Präsidentenpärchen auf, eines, dem niemand die Hände schüttelt, das keinen umarmt. Ob die mächtigste Frau der Welt besser eingebunden worden wäre, in den Reigen der Mächtigen? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur: Sie hatte verdammt nochmal was Besseres zu tun.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Spardiktat des Berliner Senats
Wer hat uns verraten?
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Netzgebühren für Unternehmen
Habeck will Stromkosten senken