Selenskyjs Friedensplan: Gegen die Hoffnung
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat einen sogenannten Friedensplan vorgelegt. Es ist ein Plan für eine ideale Welt – und weniger für die reale.
D er ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj will, dass die Ukraine der Nato beitritt, eine überzeugende Mehrheit des ukrainischen Volks will das auch. Die Ukrainer sehen darin eine reale Chance, Putin daran zu hindern, die Ukraine zu vernichten. Der russische Autokrat hat keine Angst vor Sanktionen und ist an Diplomatie überhaupt nicht interessiert. Putin kann nicht durch die Sprache der Diplomatie gestoppt werden, sondern einzig durch die Sprache der Stärke. Die Entschlossenheit der westlichen Partner der Ukraine könnten Putin ein deutliches Signal senden, dass eine geeinte demokratische Welt stärker ist als dessen Raketen. Allerdings gibt es immer weniger Vertrauen in die westliche Welt. Deshalb wirkt Selenskyjs Plan eher wie ein Versuch, contra spem spero – ohne Hoffnung zu hoffen.
Von Politikern und Militärs bis hin zu Aktivisten, Priestern, Menschenrechtlern fordern alle in der Ukraine das Recht, militärische Einrichtungen auf russischem Territorium anzugreifen. Obwohl dies unter dem Kriegsrecht ein sehr logischer Punkt ist, der auch in Selenskyjs Plan enthalten ist, hat die Ukraine seit vielen Monaten keine Erlaubnis, dies zu tun.
In einer idealen Welt könnte der Plan des ukrainischen Präsidenten funktionieren, aber in der realen Welt ist es unwahrscheinlich. Weil der Westen noch nicht begriffen hat, welche Katastrophe der demokratischen Welt droht, wenn er Putin den Krieg gewinnen lässt. Auf der Strecke zwischen „den Aggressor beschwichtigen“ und „zum Frieden zwingen“ stehen die Ukrainer, die jeden Tag ihr Leben geben, um anderen Ländern Zeit zu geben, die Bedrohung zu erkennen.
Das Problem ist auch, dass die europäischen Staatschefs vor Jahrzehnten die Bedrohung durch Putins Regime zu naiv eingeschätzt haben. Es führt einen Erschöpfungskrieg nicht nur gegen die Ukraine, sondern auch gegen den Willen der Demokratien, ihre Werte zu verteidigen. Der Wille der Ukrainer, in diesem Krieg zu kämpfen, wird erst enden, wenn sie physisch verschwunden sind. Dann wird es auch für die Demokratien zu spät sein.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen