Seenotrettungsschiff „Open Arms“: Malta öffnet seine Arme nur ein wenig
Seit Tagen harrt die „Open Arms“ mit 121 Geflüchteten auf dem Mittelmeer aus. Freitagnacht rettete sie weitere 39 Menschen. Diese will Malta aufnehmen.
Kurz nach der Rettung erklärte Camps, Malta wolle die 39 Geretteten an Land bringen – die übrigen aber nicht. „Das hat zu einem ernsthaften Sicherheitsproblem an Bord geführt. Das Ausmaß der Beklemmung dieser Menschen ist unhaltbar“, twitterte er. Die maltesische Regierung teilte mit, Proactiva Open Arms weigere sich, diese Lösung anzunehmen, und bestehe darauf, dass Malta auch die 121 zuvor Geretteten übernehme. Für diese fühlt sich Malta aber nicht zuständig.
Zuletzt kreuzte die „Open Arms“ unweit der italienischen Insel Lampedusa – nach Angaben von Amnesty International mit mehr als 30 Kindern und Babys an Bord. Am Freitag hatte Hollywoodstar Richard Gere dem Schiff einen Besuch abgestattet. „Bitte unterstützt uns hier bei Open Arms und helft diesen Menschen“, sagte der 69-jährige in einem kurzen Video, das Proactiva Open Arms am Freitag bei Twitter veröffentlichte.
Auf Fotos war Gere dabei zu sehen, wie er Lebensmittel an Bord des Rettungsschiffs trug. Die Hilfsorganisation schrieb dazu: „Endlich ein paar gute Nachrichten. Lebensmittel kommen bei der „Open Arms“ an und wir haben einen außergewöhnlichen Crewkollegen.“
Italien und Malta verweigern Rettungsschiffen immer wieder die Einfahrt in ihre Häfen und dringen darauf, dass andere EU-Staaten vorab zusichern, alle Passagiere zu übernehmen – so auch im Fall der „Open Arms“. Auf einen festen Mechanismus zur Verteilung von aus Seenot geretteten Menschen konnte sich die Staatengemeinschaft bislang nicht einigen.
Noch kein Hilfsappell an EU-Kommission
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte auf Anfrage, die Bundesregierung habe sich unter Federführung des Innenministeriums bislang zur Übernahme von mehr als 300 Geretteten bereit erklärt. „Auch im Fall der Migranten auf der „Open Arms“ gilt: Die Bundesregierung wird sich, sollte sie um Unterstützung gebeten werden, einer Lösung nicht verschließen.“ Voraussetzung seien jedoch eine „möglichst breite Beteiligung der EU-Mitgliedstaaten und die Übernahme der Koordinierung durch die Europäische Kommission“.
In jüngster Zeit musste immer wieder die EU-Kommission vermitteln, um aufnahmebereite Länder zu finden. Das tut sie aber erst, wenn ein EU-Staat die Kommission darum bittet, denn zu ihren Aufgaben gehört dies eigentlich nicht. Bislang habe kein Land die Brüsseler Behörde dazu aufgerufen, sagte eine Sprecherin am Freitag. Auch nicht Deutschland.
Der Präsident des Europaparlaments, David Maria Sassoli, hatte zuvor in einem Brief an Kommissionschef Jean-Claude Juncker auf die Solidarität der EU-Staaten gedrungen. Die Lage erfordere unverzügliches Handeln, schrieb Sassoli. Die Kommission kündigte eine Antwort innerhalb der kommenden Tage an. Italiens Innenminister Matteo Salvini teilte mit, sein Ministerium habe der spanischen Regierung geschrieben, sie solle die Migranten von der „Open Arms“ aufnehmen.
Weitere Rettungsaktionen
Unterdessen wurden am Freitag weitere Flüchtlinge vor und an den EU-Außengrenzen aus Seenot gerettet. Ein spanisches Rettungsschiff barg vor der Küste der Kanaren-Insel Gran Canaria 30 afrikanische Bootsmigranten, wie die Nachrichtenagentur Europa Press unter Berufung auf die Polizei berichtete. Darunter seien 14 Frauen, zehn Männer und sechs Minderjährige inklusive Babys. Sie seien zum Hafen von Arguineguín im Südwesten der Insel gebracht worden. Dort sollten sie nach einer ersten medizinischen Betreuung registriert werden.
Auch aus dem Ärmelkanal wurden 30 Migranten aus vier kleinen Booten gerettet, wie das britische Innenministerium in London mitteilte. Darunter war ein Kajak. Die aus Frankreich kommenden Migranten gaben an, aus dem Iran und Afghanistan zu stammen. Sie wurden in die südenglische Hafenstadt Dover gebracht.
Vor der libyschen Küste nahm die unter norwegischer Flagge fahrende „Ocean Viking“ – das neue Rettungsschiff der Hilfsorganisationen SOS Méditerranée und Ärzte ohne Grenzen – erstmals Bootsflüchtlinge im Mittelmeer auf. Sie war am Sonntagabend von Marseille aus in See gestochen. Zwischenzeitlich hatte Malta der „Ocean Viking“ eine Betankung in den eigenen Hoheitsgewässern untersagt. Unklar war, wohin die Geretteten gebracht werden sollten.
Salvini erklärte, die „Ocean Viking“ dürfe keine italienischen Häfen anlaufen. Er sprach von 80 Migranten an Bord. Ärzte ohne Grenzen teilte mit, es handele sich um 85 Menschen, darunter vier Kinder, die aus einem Schlauchboot gerettet worden seien.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten