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Sean Spicers EntgleisungWer ist hier der Hitler?

Ambros Waibel
Kommentar von Ambros Waibel

Soll der Gegner dämonisiert werden, muss ein Hitler-Vergleich her. Doch meist entspringt die Haltung dahinter der weiß-männlichen Filterblase.

Geht eigentlich nie: der Hitler-Vergleich Foto: ap

W enn gar nichts mehr geht, geht immer noch Hitler: Das ist eine der ersten Lektionen, die angehenden Kolleginnen und Kollegen an den diversen Rudolf-Augstein-Gedächtnis-Journalistenschulen dieses Landes auf ihren unsicheren Berufsweg mitgegeben wird. So tot konnte der Massenmörder gar nicht sein, dass der Spiegel-Übervater nicht doch noch regelmäßig die Nation mit neuen, sensationellen Enthüllungen rund um den – selbstverständlich schröcklichen, aber vor allem: geheimnisvollen – Führer versorgte.

Apropos Enthüllungen: Der Stern und alle die von ihm gelernt haben, schaffen es noch heute, jedes beliebige Thema mit einem vollkommen nichts zur Sache beitragenden weiblichen Nacktfoto zu bebildern. Und „Hitler,“ „nackt“, „Penis“, „Gas“ sind schließlich zu beliebig kombinierbaren Reizworten des kommerziellen online-Journalismus geworden, auf die der gemeine User praktisch automatisch abklickt.

Zu folgern ist aus dieser lockeren Aufzählung jedenfalls dies: Wer einen Hitler-Vergleich ablässt, will damit Teile des menschlichen Apparates ansprechen, die jenseits des wachen Verstandes und der guten Sitten liegen. Und dazu passt wohl, dass der Pressesprecher des Weißen Hauses, Sean Spicer, in seiner Jugend als Sean Sphincter (Schließmuskel) verspottet, sein ganzes Berufsleben lang nichts anderes getan hat, als Politik zu verkaufen.

Unter einem Präsidenten Trump ist das gewiss besonders herausfordernd, und so verstieg sich Spicer am vergangenen Dienstag bei einer Presse-Konferenz zu der Aussage, sogar jemand, der so „verabscheuungswürdig“ gewesen sei wie Hitler, sei „nicht so tief gesunken, chemische Waffen zu verwenden“.

Für Spicer und Co gehören Juden und Mexikaner nicht dazu

Noch während des Presse-Briefings geriet Spicer in die Defensive und sagte, dass Hitler seine Opfer in „Holocaust Center“ geschickt und dort ermordet habe. Die Los Angeles Times schrieb dazu, „Holocaust centers“ sei kein Code-Wort für Neonazis – also keine versteckte Anspielung auf die Leugnung des Holocaust: „Es ist einfach ein Satz, der dir aus dem Mund kommt, wenn du keine Ahnung von dem hast, worüber du redest.“

Und doch dürfe man den Pressesprecher nicht einfach so davonkommen lassen, heißt es in der LA Times weiter. Der Kernpunkt von Spicers nachgebesserter Aussage sei nämlich: „Assad gassed his own people, Hitler gassed the Jews.“ Und das passe genau in die weiße, männliche Filterblase, in der die ganze Trump-Truppe stecke: Dass nämlich Juden, aber auch Muslime, Mexikaner, Migranten, überhaupt alle Nichtweißen und letztlich auch alle Frauen eben nicht „own people“ seien.

Der deutsche Kontext ist nicht sympathischer: Hier dienen Hitlervergleich und Hitlerbeschwörung wahlweise der absoluten Verbösung des politischen Gegners, worauf dann die rituelle Entschuldigung folgt; oder der verständnisheischenden Exkulpation des verführten kleinen Volksgenossen bzw des SS-Monsters: Hitler sei ja so wahnsinnig magisch, charismatisch, drogenabhängig etc. gewesen, wie eben nun neueste Fakten belegten: Da konnte man ja gar nicht anders als mittun.

Wem all das Vergleichen mal wieder nicht guttut, sind die Syrer. Sie stecken weiter in einem Gemetzel fest, das noch Jahrzehnte so weitergehen kann, mit Massakern Assads hier, russischen Krankenhausbombardierungen dort und zwischendurch ein paar von US-Zerstörern abgefeuerten Tomahawks. Um Hitler und seine Verbrecherbande zu besiegen, musste sich die ganze Welt vereinen, bei Syrien scheint die Weltgemeinschaft fest vereint nur im Willen, das Land weiter ausbluten zu lassen: Man könnte es den Syrern schwerlich verübeln, wenn sie dafür einen Nazivergleich heranziehen würden.

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Ambros Waibel
taz2-Redakteur
Geboren 1968 in München, seit 2008 Redakteur der taz. Er arbeitet im Ressort taz2: Gesellschaft&Medien und schreibt insbesondere über Italien, Bayern, Antike, Organisierte Kriminalität und Schöne Literatur.
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5 Kommentare

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  • Churchill, der groesste brite aller zeiten, hat ganz gewiss Kurden vergasst.

    ich glaube nicht das Spicer weiss um wen es sich da handelt.

  • [...] Beitrag entfernt. Bitte beachten Sie die Netiquette. Vielen Dank, die Moderation

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "Um Hitler und seine Verbrecherbande zu besiegen, musste sich die ganze Welt vereinen, bei Syrien scheint die Weltgemeinschaft fest vereint nur im Willen, das Land weiter ausbluten zu lassen: Man könnte es den Syrern schwerlich verübeln, wenn sie dafür einen Nazivergleich heranziehen würden."

     

    Diesen Nazivergleich hat der Autor selber gezogen.

    Um ihn fortzuführen: Diesmal konnten die Siegermächte das Gebiet nicht einfach unter sich aufteilen, da fiel eine Einigung von vorn herein schwer.

     

    Wenn "Auschwitz nicht wieder passieren darf", wird uns das Nazi-Vergleichen auch geradezu aufgegeben. Vielleicht könnte eine weniger "deutsche" ethische Vorgabe wie die internationale Strafnorm über Völkermord bessere Dienste leisten.

  • "Und das passe genau in die weiße, männliche Filterblase, in der die ganze Trump-Truppe stecke: Dass nämlich Juden, aber auch Muslime, Mexikaner, Migranten, überhaupt alle Nichtweißen und letztlich auch alle Frauen eben nicht „own people“ seien."

    Wieso ist das eine männlich-weiße Filterblase? Für die meisten Muslime dürften Juden oder Mexikaner ebenfalls nicht "own People" sein. Umgekehrt scheint mir bei Juden die Sicht, dass Muslime, Migranten oder Mexikaner "own People" sind, nicht sehr verbreitet. Ich tippe drauf, dass Mexikaner in einer ähnlichen Blase sitzen. Die Blase scheint also nicht besonders weiß-männlich zu sein.

     

    Schade, dass Herr Waibel sich einer Erklärung enthält, ,warum die Filterblase nun männlich sein soll. Die hätte ich spannend gefunden.

     

    Wollte Herr Waibel mit dem Artikel nur seinen persönlichen Vorurteilen - hier die bösen weißen Männer, dort die brüder- und schwesterlich vereinten Nichtweißen - Ausdruck verleihen?

     

    Und das bedeutet nicht, dass ich deshalb Sean Spicer oder seine Parteigenossen in irgendeiner Form sympathisch finde oder seine Aussagen in irgendeiner Form rechtfertigen will.

    • 6G
      6028 (Profil gelöscht)
      @rero:

      Guter Kommentar.

      Offenbar sitzt Herr Waibel selbst in einer nicht-weissen nicht-Männer-Blase und betrachtet von dort die Welt.

      Einfach nur Unfug.