piwik no script img

Schwieriger Rückrundenstart Bindungsängste in der Liga

Leere Ränge, mögliche Spielabsagen wegen Omikron: Funktionäre fürchten um den Verlust der „Emotionalität“ in den Bundesligastadien.

Gesund und einsatzbereit: Bayern-Profi Leon Goretzka läuft sich warm für den Auftakt Foto: dpa/Peter Kneffel

„Aus Liebe zum Fußball – Vorfreude auf die Rückrunde.“ So nennt sich der einminütige Trailer, der über die Bundesliga-Homepage zur Einstimmung auf die zweite Halbserie läuft. Im Video sind packende Zweikämpfe und tolle Tore zu sehen – und jubelnde Zuschauer auf den Rängen. Mit der Realität hat dieser Werbefilm wenig zu tun, wenn mit dem Klassiker Bayern München gegen Borussia Mönchengladbach (20.30 Uhr/Sat1 und DAZN) eine Rückrunde fortgesetzt wird, die auf unbestimmte Zeit wieder im Geisterspielmodus läuft.

Acht Münchner Profis sind positiv auf das Coronavirus getestet worden

Trotz dieser von der Ministerpräsidentenkonferenz kurz vorm Jahreswechsel beschlossenen Maßnahme besteht zudem die Gefahr, dass das Coronavirus nun ähnlich wie in England für Spielabsagen in Deutschlands höchster Spielklasse sorgt. Das wäre der zweite Stimmungskiller.

Omikron scheint gerade am Volkssport Nummer eins demonstrieren zu wollen, wie schnell sich diese Variante auch unter Berufssportlern verbreitet, selbst wenn diese geimpft sind. Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass der sportlich weit enteilte Rekordmeister FC Bayern München besonders betroffen ist: Bis Dienstag waren acht positive Fälle im Mannschaftskreis bekannt, darunter mit Nationaltorhüter Manuel Neuer der Kapitän von Nationalmannschaft und Verein.

Große Stolperfalle

Der Branchenprimus hatte alle Spieler, Trainer und Staff-Mitglieder entweder geimpft oder geboostert. Die Coronawelle könnte nicht nur für die Münchner die wohl größte Stolperfalle darstellen: Es droht die komplizierteste Situation seit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020, als die Bundesliga als weltweit erste Profiliga den Ball wieder ins Rollen brachte.

Doch bei der hochinfektiösen Variante helfen offenbar auch nachgeschärfte Hygienekonzepte nicht mehr viel. „Die Blase im Fußball spiegelt nur das wider, was in der Welt passiert“, sagt Gladbachs Sportdirektor Max Eberl. So lange 15 einsatzberechtigte Akteure (unter ihnen ein Torwart) zur Verfügung stehen, muss laut der Deutschen Fußball Liga gespielt werden. Kein Familienvater unter den Berufs­kickern wird sich die nächsten Wochen und Monate andauernd in der Isolation aufhalten können.

Mit dieser offenen Flanke wird der deutsche Profifußball leben müssen. Immerhin: Der Terminplan ist nicht so voll wie in England, Italien oder Spanien. Selbst der FC Bayern hätte durch sein Ausscheiden im DFB-Pokal kleine Puffer für Spielverlegungen. Ein wenig Spielraum besteht auch im wirtschaftlichen Bereich, weil die jüngste DFL-Mitgliederversammlung die Bedingungen im Lizenzierungsverfahren erneut gelockert hat. Ob einzelne Klubs wieder an die Grenzen der Zahlungsunfähigkeit geraten wie in der Vorsaison der FC Schalke 04 und Werder Bremen, ist nicht absehbar.

Finanzielle Einbußen

Die Bundesligisten nehmen im Schnitt nur jeden siebten Euro über den Kartenverkauf ein. Das müsste bei entsprechenden Sparmaßnahmen eigentlich zu verkraften sein. Doch es sind nicht nur die finanziellen Einbußen, die Sorge bereiten. „Das Wirtschaftliche werden wir irgendwie in den Griff bekommen, auch wenn es uns natürlich weh tut“, sagt Christian Heidel, Vorstand beim Mittelklasseklub FSV Mainz 05. „Viel schwieriger ist das Emotionale; und das betrifft alle Klubs, die ihre Anhänger kaum noch sehen. Man verliert irgendwann die Bindung.“

Selbst Traditionsvereine wie Eintracht Frankfurt hatten in der Hinrunde Probleme, die reduzierten Ticketkontingente an den Fan zu bringen. Vorstandssprecher Axel Hellmann: „Es wird eine Zeit brauchen, bis die breite Emotionalität wieder alle erfasst.“ Der Funktionär betrachtete die Wiedereinführung der Geisterspiele zunächst mit gemischten Gefühlen und hielt den kompletten Zuschauerausschluss für den falschen Weg, wie Hellmann vor dem Jahreswechsel bekannte: „Die Ansteckungsrisiken sind – vor allem unter freiem Himmel – erwiesenermaßen gering. Daher haben diese Maßnahmen eher symbolpolitischen Charakter.“

Inzwischen hat die Eintracht für das Topspiel gegen Borussia Dortmund (Samstag 18.30 Uhr/ Sky) selbst die Maßnahmen nachjustiert und die sogenannten Touchpoints mit Mannschaft, Trainer- und Betreuerstab auf null heruntergefahren. Kein öffentliches Training mehr, Interviews und Pressekonferenzen nur per Video. An Spieltagen wird das Untergeschoss der Frankfurter Arena hermetisch abgeriegelt, nur noch eine stark reduzierte Zahl von Journalisten und Fotografen erhalten überhaupt Zutritt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen