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Schwere Vorwürfe gegen den BNDAm Gesetz vorbeigespäht

Die Geheimdienst-Affäre war schon fast vergessen. Nun kritisiert ausgerechnet die oberste Datenschützerin der Regierung den BND scharf.

Eindeutige Kritik: Andrea Voßhoff Foto: dpa

FREIBURG taz | Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff (CDU) hat die globale Überwachungspraxis des Bundesnachrichtendienstes (BND) massiv beanstandet. Dies geht aus einem bisher geheimen 60-seitigen Bericht hervor, den netzpolitik.org jetzt veröffentlichte.

Die Erstellung des Berichts wurde durch die Enthüllungen von Edward Snowden über die Zusammenarbeit des US-Geheimdienstes NSA mit dem deutschen BND angestoßen. Voßhoffs Vorgänger Peter Schaar kontrollierte damals die BND-Außenstelle Bad Aibling, die früher von der NSA geführt wurde. Er erstellte einen Sachstandsbericht, den Voßhoff nun rechtlich bewertete.

Daraus ergibt sich, dass der BND mehrmals täglich von der NSA sogenannte Selektoren bezieht, mit denen er internationale Datenströme filtert. Selektoren können Begriffe und Namen sein, überwiegend sind es aber Telefonnummern, Emailadressen und ähnliches.

Voßhoff rügt, dass der BND diese „personenbezogenen“ Daten ohne jede Erforderlichkeitsprüfung nutzt. Er könne auch gar keine Prüfung vornehmen, da er die NSA-Selektoren ohne Hintergrundinformationen erhält.

Auch die automatische Übermittlung aller Treffer an die NSA wertete Voßhoff als Datenschutz-Verstoß. Nur nach einer Einzelfallprüfung könnten sensible Daten an andere Nachrichtendienste weitergegeben werden. Zudem habe die Aussortierung von Deutschen vor der Übermittlung nicht richtig funktioniert. Das entsprechende Werkzeug DAFIS habe „systemische Defizite“.

„Mittelbar nachrichtendienstlich relevante Personen“

Die Selektoren und die daraus folgenden Treffer werden beim BND auch in Dateien gespeichert, für die jedoch keine „Dateianordnung“ bestand. Insgesamt waren sieben Dateien mit teilweise gewaltigen Datenmengen betroffen. Dadurch habe der BND das BND-Gesetz verletzt.

Konkret führte der Verzicht auf Dateinanordnungen dazu, dass weder das Kanzleramt der Einrichtung der Dateien zustimmte noch die Datenschutzbeauftragte eingebunden war. Die Daten müssten deshalb alle gelöscht werden.

Die Metadaten (insbesondere Verbindungsdaten), die der BND weltweit erfasste, wurden insgesamt neunzig Tage lang gespeichert und ausgewertet. Dabei ging es insbesondere um Datenströme, die via Satellit in Afghanistan erfasst wurden (Codename ZABBO).

Außerdem wurden in einem „außereuropäischen“ Staat mit Hilfe eines fremden Dienstes auch Kabel-Kommunikationen abgegriffen (Codename SMARAGD). Die Auswertung erfolgte in der Datei VERAS (Verkehrs-Analyse-System).

Voßhoff beanstandete, dass dabei überwiegend Daten von Unbescholtenen und Unbeteiligten gespeichert werden. Auch bei der Auswertung dieses Big-Data-Pools werde nicht nur nach Gefährdern gesucht, sondern auch nach Personen, die über beliebig viele Kontakte zu diesen in Beziehung stehen.

Die Bezeichnung solcher Personen als „mittelbar nachrichtendienstlich relevante Personen“ stelle einen weiteren „rechtswidrigen Grundrechtseingriff“ dar, so Voßhoff, zumal bloße „Sozialkontakte“ keine Speicherung erlauben.

Eine Zielpersonen, 15 weitere Personen erfasst

Das berüchtigte NSA-Programm XKeyscore nutze der BND zur Nachrichtengewinnung im globalen Internet und zur Nachrichtenverarbeitung. Auch hier würden „unbescholtene Personen“ in großem Ausmaß erfasst.

In einem konkreten Fall, den Voßhoff recherchiert hatte, waren zu einer Zielperson noch 15 sonstige Personen erfasst, deren Daten der BND „unstreitig“ nicht benötige.

Der BND hatte sich generell auf den Standpunkt gestellt, dass für die im Ausland gewonnenen Daten deutsches Recht nicht gelte und Voßhoff für die Kontrolle der Daten nicht zuständig sei.

Dem widersprach die Datenschützerin jedoch. Da die Daten in Deutschland gespeichert und bearbeitet werden, sei auch deutsches Recht anwendbar.

Große Datenmengen sollen gelöscht worden sein

An mehreren Punkten beschwerte sich Voßhoff, dass der BND ihre Kontrollen behindert habe. So habe ihr der BND eine Kontrolle der NSA-Selektoren verwehrt und damit seine „Unterstützungspflicht“ verletzt.

Außerdem wurden während ihrer Kontrolle ohne Genehmigung große Datenmengen gelöscht. Angeblich hatte der BND „Kapazitätsengpässe“ bei seinen Speichermedien. Für viele Dateien lag keine Protokollierung vor, so dass nicht nachvollzogen werden konnte, was der BND mit den Daten gemacht hat. Der BND und das Kanzleramt lehnen die vom Voßhoff geforderte Vollprotokollierung ab, da sie „unangemessenen Aufwand“ erfordere.

Oppositionspolitiker kritisierten den BND umgehend. Konstantin von Notz (Grüne) forderte, der BND müsse sich von der Massenüberwachung verabschieden und auf den Kreis der Verdächtigen konzentrieren. Auch die Linken-Geheimdienstexpertin Martina Renner sprach von „erschreckenden Befunden“. Die große Koalition hat allerdings bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die bisher rechtswidrigen BND-Praktiken legalisieren soll.

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1 Kommentar

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  • Die Datenschutzbeauftragte stellt nur fest, was seit Snowden längst bekannt ist und wovor Fachleute schon immer gewarnt haben. Rechtliche Konsequenzen hat das für den BND nicht - im Gegenteil. Will man wirksam verhindern, dass der BND Datenmissbrauch im großen Stil betreibt, muss man ihm den Strom abschalten und den Geldhahn zudrehen.