Schweizer Volksinitiative zu Zuwanderung: Der größte Sieg der Populisten
Die Schweizerische Volkspartei spielt den Volkstribun und unterstützt zugleich das konservative Establishment. Ihre Strategie: die Hetze gegen alles Fremde.
GENF taz | Mit dem mehrheitlichen Ja der Schweizer in der Volksinitiative „gegen Masseneinwanderung“ hat die Schweizerische Volkspartei (SVP) am Sonntag ihren bisher größten Erfolg errungen. Die SVP fordert die Wiedereinführung strenger Einwanderungsquoten und hat damit offenbar den Nerv vieler Bürger getroffen.
Die SVP war ursprünglich eine zentristische Bauernpartei. Sie entstand 1971 aus der Vereinigung zwischen der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei und der Demokratischen Partei der Kantone Graubünden und Glarus.
Ab den 1980er Jahren wandelte sich die SVP unter der inoffiziellen Führung des Zürcher Unternehmers und Milliardärs Christoph Blocher von einer rechtsbürgerlich-konservativen in eine rechtspopulistische Volkspartei mit einer kompromisslosen Rhetorik und nicht selten rassistischen Positionen.
Seit Ende des Kalten Krieges und dem Wegfall des kommunistischen Feindbilds ist zentrales Thema aller SVP-Wahlkämpfe und Abstimmungsinitiativen die Hetze gegen alles Fremde: gegen Ausländer, Flüchtlinge oder Muslime sowie gegen die UNO, EU und andere „fremde Vögte“ (Blocher), die die Freiheit und Unabhängigkeit der Alpenrepublik bedrohten. Die SVP lehnte eine Annäherung an die EU ebenso strikt ab wie die Beteiligung an internationalen Militäreinsätzen.
Dank dieser Strategie erhielt die im Jahre 1991 lediglich viertstärkste Schweizer Partei bei den Parlamentswahlen 2003 die meisten Stimmen und stellt seitdem ununterbrochen die stärkste Fraktion im Nationalrat sowie zeitweise zwei der sieben Mitglieder der Berner Bundesregierung. Blocher selber war bis zu seiner Abwahl 2007 vier Jahre Justizminister.
Einige der führenden Exponenten der SVP pflegen Beziehungen zu rechtspopulistischen und nationalistischen Parteien in den EU-Ländern. Doch noch erfolgreicher als einst Jörg Haider in Österreich, die Le Pens in Frankreich oder rechtspopulistische Führer in den Niederlanden oder in Skandinavien, spielten Blocher und die Seinen in den letzten 25 Jahren eine Doppelrolle in der Schweizer Politik: Volkstribun und Anwalt der kleinen Leute gegen „die da oben“ in der Berner Bundesregierung und zugleich bestimmender Teil des politischen und wirtschaftlichen Establishments.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren