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Schweizer GrundeinkommensentscheidWer hat's erfunden?

Die Schweiz könnte als erstes Land ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen. Gegner halten das Vorhaben jedoch für „nicht bezahlbar“.

Fast jeder dritte Schweizer dürfte für das Grundeinkommen stimmen Foto: imago/Ralph Peters

Genf taz | Als erstes Land der Welt entscheidet die Schweiz am kommenden Sonntag über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Nicht per Parlamentsentscheid, sondern per Volksabstimmung. Durchgesetzt wurde die Abstimmung in der Alpenrepublik von einer im Jahr 2011 lancierten Volksinitiative, die seitdem zu einer international beispiellos breiten und intensiven gesellschaftlichen Debatte über das Anliegen eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle Bürger geführt hat.

Trotz massiver Gegenkampagnen der Wirtschaftsverbände, der Berner Regierung (Bundesrat) sowie der Mehrheit der in den beiden Parlamentskammern (Nationalrat und Ständerat) vertretenen Parteien prognostizierten letzte Umfragen einen Achtungserfolg von wenigstens 30 Prozent Zustimmung zu der Initiative.

Die rund 5 Millionen, mindestens 18-jährigen BesitzerInnen eines Schweizer Passes unter den insgesamt 8,3 Millionen EinwohnerInnen der Alpenrepublik sind dazu aufgerufen, über die Einfügung folgender Bestimmungen in die eidgenössische Bundesverfassung zu entscheiden: „1. Der Bund sorgt für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. 2. Das Grundeinkommen soll der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen. 3. Das Gesetz regelt insbesondere die Finanzierung und die Höhe des Grundeinkommens.“

Die InitiantInnen haben zu diesen beiden Punkten bewusst keine konkreten Vorschläge und Zahlen in den Abstimmungstext geschrieben, weil sie „die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens zunächst einmal grundsätzlich verankern wollen“, wie der Sprecher und Mitbegründer der Initiative, Daniel Häni, Anfang der Woche in einem Interview erklärte. Dennoch haben sie konkrete Vorstellungen über die angesichts der heutigen Lebenshaltungskosten in der Schweiz erforderliche Mindesthöhe eines bedingungslosen Grundeinkommens.

50-prozentige Anhebung der Mehrwertsteuer

„Mindestens 2.500 Franken pro Erwachsenem und 625 Franken für jedes Kind“ (derzeit umgerechnet etwa rund 2.260 und 570 Euro) müssten es laut Häni schon sein. Im Gegenzug sollen andere Sozialleistungen wegfallen, also die Renten-, Sozialhilfe- und Arbeitslosenzahlungen. Vorstellbar ist auch eine gesetzliche Regelung, die die Höhe des Grundeinkommens nicht auf Dauer festlegt, sondern an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten sowie des Lohn-und Einkommensniveaus in der Schweiz anpasst.

Die Gegner der Initiative behaupten, selbst bei Wegfall aller bisherigen Sozialleistungen würde die Finanzierung des Grundeinkommens jährlich 150 Milliarden Franken aus der Bundeskasse kosten, ohne Wegfall dieser Leistungen sogar 208 Milliarden Franken.

Daher sei das Vorhaben „nicht bezahlbar“, oder aber die Finanzierung käme nur über eine 50-prozentige Anhebung der Mehrwertsteuer zustande. Diese Steuererhöhung aber würde vor allem die unteren und mittleren Einkommensschichten treffen und sei daher sozial ungerecht. Auch der Schweizerische Gewerkschaftsbund lehnt die Idee des Grundeinkommens ab, verzichtete aber auf eine Gegenkampagne.

Werden jetzt alle faul?

Initiativensprecher Häni kritisiert die Rechnung seiner Gegner als „großen Fehler“ und präsentiert eine Gegenrechnung. „208 Milliarden Franken, das sind alle Grundeinkommen in der Schweiz pro Jahr. Aber davon werden durch staatliche Transfereinkommen schon jetzt 55 Milliarden ausbezahlt, die muss man abziehen, weil sie ersetzt werden.

Weitere 128 Milliarden werden bereits heute in der Privatwirtschaft ausbezahlt durch Erwerbseinkommen, das ist die Zahl der Erwerbstätigen mal 2.500 Franken. Dieses Geld ist auch schon da und würde künftig über die Grundeinkommenskasse ausbezahlt. Es bleiben also nur 25 Milliarden, die kann man finanzieren. Und bei genauerem Hinsehen ist auch dieses Geld schon da, nämlich als private Transfereinkommen, etwa an Kinder und Angehörige.“

Auf die weitverbreitete Annahme, ein bedingungsloses Grundeinkommen würde zu erheblicher Faulheit und Arbeitsunlust der Menschen führen, präsentierte die Initiative Umfragen, die beweisen, dass über 90 Prozent aller SchweizerInnen auch dann weiterarbeiten und Berufsbildungsabschlüsse anstreben würden, wenn die Finanzierung ihre existenziellen Bedürfnisse wie Nahrung, Wohnung und Kleidung durch ein Grundeinkommen abgesichert wäre.

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7 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Wer hat's erfunden, diese über hundertjährige Idee? Un die noch ältere Vision? Und wer hat's nun, konsequent, verhunzt? Mit einem bloss "esoterisch-künstlerisch-philosophischer" Ansatz?







    Kein Wunder, das diese Volksinitiative scheitert/e – denn ein bloss "esoterisch-künstlerisch-philosophischer" Ansatz genügt bei weitem nicht. Konsequent haben sich Initianten/toren (CH/D) an ihm festgehalten, durch alle die Jahre. Und so haben sie, konsequent, sein Scheiten in der Volksabstimmung vorprogrammiert.







    Volksinititiativen sollen / müssen kompetent sein – ist ja klar, sonnenklar. Was nun? Wie weiter? Einfach dran bleiben – aber kompetent...



     

    [...] Link entfernt. Bitte keine ständigen Verlinkungen auf eigene Blogs.

  • Die FDP hat es erfunden. Stimmt.

     

    Du gibst den Leuten Geld und dann geht sofort die Krötenwanderung los in die Hände der besitzenden Klasse, die z.B. Wohnraum hält.

  • Die Statements der Initianten zur Finanzierung sind konsequent hanebüchen, ich verstehe nicht, warum das so sein muss, siehe http://www.grundeinkommen.ch/bundesrat-gibt-zu-das-bedingungslose-grundeinkommen-kostet-25-nicht-153-milliarden-franken/#comment-11096

    und http://www.grundeinkommen.ch/ist-ein-grundeinkommen-finanzierbar/#comment-11175

    Private Transfereinkommen lassen sich gar nicht abschöpfen, die sind zum großen Teil noch nicht einmal monetär.

     

    Dabei ist offensichtlich, dass das BGE finanzierbar ist (das ist nur eine Frage der ausreichenden Produktivität und bereits vorhandener Werte). Außerdem gibt es viele intelligente Ideen für konkrete Steuer- und Sozialreformen, die zusammen das nötige Volumen ergeben würden.

    Die Initianten sind in der Frage merkwürdiger Weise zu faul, um einigermaßen sinnvolle Konzepte zu entwerfen - und zu eitel, um dazu einfach zu schweigen.

     

    Genauso rätselhaft und dämlich ist die Idee, dass Kinder wenig Geld bekommen sollen, obwohl deren Grundbedarf wachstumsbedingt eher höher ist als der von Erwachsenen.

     

    Da dies alles nicht Teil des Abstimmungstextes ist, werden die Schweizer sich hoffentlich dadurch nicht von einer Zustimmung abhalten lassen.

    • @Eric Manneschmidt:

      Unabhängig von den mittelfristigen Erfolgsaussichten eines BGE. Falls es die Schweiz einführt, dann wäre das ein Experiment in einem Land mit relevanter Größe. Anschließend wüsste man um die Praxisfähigkeit eines BGEs.

      Ein Treppenwitz wäre allerdings, dass ein BGE im neo-liberalsten Land Europas eingeführt würde. Ich bin schon gespannt ob sie ihren Wohlstand anschließend halten können bzw. wie schnell sie in (absolute) Armut abgleiten. Bisher sind sozialistische Umverteilungsexperimente (zu denen m.E. das BGE gehört) ja mittelfristig noch jedes Mal gescheitert. Der Ostblock incl. DDR sind vergangene Beispiele dafür. Argentinien, Brasilien und vor allem Venezuela sind die aktuellen Beispiele. Vielleicht gehört die Schweiz in 10-15 Jahren zu dieser Liste dazu. Mir tut es nur Leid für die betroffenen Menschen.

      • @Surucucu:

        Immer wieder lustig, dass manche Menschen nur dann "Umverteilungsexperimente" kritisieren oder überhaupt als solche wahrnehmen, wenn sie von oben nach unten verteilen... aber mit der großen Umverteilung von unten nach oben der letzten Jahre anscheinend überhaupt kein Problem haben.

         

        Ganz so "neoliberal" ist die Schweiz ürigens nicht, siehe Rentensystem.

        • @kami:

          Allerdings.

          Und nicht nur die Umverteilung der letzten Jahre. Weil oben Brasilien, Argentinien und Venezuela erwähnt wurden: Die Umverteilung des Landes an die Vorfahren der heutigen Großgrundbesitzer in Lateinamerika, die ja eine der Hauptursachen für die dortige Misere ist, hat seinerzeit auch hervorragend geklappt.