Schwedische Fernsehsendung: „Faktencheck“ zum Holocaust
Neonazis behaupten gerne, der Holocaust sei erfunden. Ein schwedischer Sender hat einen „Faktencheck“ dazu veröffentlicht. Viele kritisieren das.
Dort tauchte jüngst ein Faktencheck zur Frage auf, ob es den Holocaust gegeben hat, sowie ein weiterer zur Frage, ob das Gift Zyklon B zum Massenmord von Menschen in den Konzentrationslagern verwendet wurde. Mit ausführlichen Belegen werden beide Fragen natürlich bejaht – dennoch war „Faktakollen“ umgehend Ziel scharfer Kritik. Dafür, dass man solche Selbstverständlichkeiten überhaupt einer Kontrolle unterzogen hatte.
„Sind wir wirklich so tief gesunken, dass wir Historiker und Naturwissenschaftler fragen müssen, ob es technische Beweise für den Holocaust gibt?“, empörte sich ein Kommentator der „Mittmedia“-Zeitungsgruppe. Faktenchecks zu Politikerbehauptungen seien wichtig. Ein Faktencheck zum Holocaust sei aber „eine publizistische Havarie ohnegleichen“.
Der öffentliche Rundfunk lasse sich von Neonazis die Tagesordnung bestimmen, kritisierte auch eine Dagens-Nyheter-Kommentatorin: Man legitimiere deren Infragestellung historischer Fakten, wenn man so tue, als ob die Verleugnung des Holocaust tatsächlich ein ernsthaftes Debattenthema sein könnte. Komme als Nächstes ein Faktencheck zur Frage, ob die Erde eine Scheibe oder Homosexualität eine Krankheit sei?
Breitem Publikum ernsthaft begegnen
Die „Faktakollen“-Redaktion von SVT wehrt sich. Zur Parlamentswahl am 9. September trete nun einmal die offen neonazistische „Nordische Widerstandsbewegung“ (NMR) an und die habe gerade mal wieder bestritten, dass der Holocaust stattgefunden hat. Die NMR behauptet, der Holocaust sei eine „Erfindung Israels“, und dass es keine Belege für die Anwendung von Zyklon B in den Konzentrationslagern gebe.
Solche Lügen seien zwar so absurd, dass man sie einfach ignorieren könne, so die „Faktakollen“-Redaktion weiter. Man habe sich aber entschlossen, sie dennoch zum Gegenstand von Faktenchecks zu machen: „Unser Publikum trifft auch auf Menschen, die unsicher geworden sind, was denn nun stimmt, oder schlimmer, solche, die anfangen an derartige Propaganda zu glauben.“
Kommentar in Dagens Nyheter
Zielgruppe der Faktenchecks seien nicht primär die Meinungs- und Kulturredaktionen, sondern ein breites Publikum. Man erreiche mit den Materialien und Belegen, die man zur Verfügung stelle, auch Menschen, „die versuchen, Jugendliche angesichts der Informationsflut seitens der rechtsextremen Szene auf der richtigen Seite dessen zu halten, was wahr und falsch ist“. Und denen wolle man mit leicht zugänglichen, verständlich formulierten und mit Fakten gespickten Texten helfen, den Verleugnern des Klimawandels ebenso ernsthaft zu begegnen wie Holocaustleugnern. „Wir müssen mit unwiderlegbaren Fakten argumentieren. Immer und immer wieder und für immer neue Generationen.“
Nicht alle überzeugt dieses Argument. Im Sydsvenska Dagbladet steht dazu: Es werde vor allem hängen bleiben, dass „die Diskussionstür zu den ideologischen Sümpfen des äußersten rechten Rands geöffnet wurde“. Dass man über die Frage, ob es den Holocaust gegeben hat, offenbar ebenso kontrovers debattieren könne wie über die Frage, ob Plastik- oder Papiertüten schädlicher für die Umwelt sind.
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