„Schwarze Liste“ in Russland: Nicht nur Harms hat Einreiseverbot
Es ist nicht bekannt, wer draufsteht, aber sie existiert: Eine Liste mit „unerwünschten Personen“, denen die Einreise nach Russland verweigert wird.
BRÜSSEL afp | Im Konflikt zwischen der EU und Russland hat die Regierung in Moskau offenbar eine Liste mit EU-Politikern erstellt, denen die Einreise verboten ist. „Diese Stopp-Liste umfasst mehr europäische Politiker als nur mich“, sagte die Grünen-Europaabgeordnete Rebecca Harms, der am Donnerstag von den russischen Behörden am Flughafen Moskau die Einreise verweigert wurde, am Freitag in Brüssel. „Aber wir wissen bislang nicht, wer außer mir auf dieser Liste steht.“ Das russische Außenministerium weigere sich, Angaben zu den Namen auf einer solchen Schwarzen Liste zu machen.
Harms wollte in Russland einen Prozess gegen eine ukrainische Hubschrauberpilotin beobachten und sich mit Vertretern der russischen Zivilgesellschaft treffen. Bei der Ankunft in Moskau wurde der Fraktionschefin der Grünen im EU-Parlament aber trotz eines Diplomatenpasses die Einreise verweigert. Als Grund sei ihr von russischen Beamten unter anderem genannt worden, dass sie für Sanktionen der EU gegen Russland gestimmt habe, die als Reaktion auf den Konflikt in der Ukraine verhängt wurden, sagte Harms.
In der EU rief das Vorgehen der russischen Behörden Empörung hervor. „Wir verurteilen die Weigerung, die Europaabgeordnete Rebecca Harms am Flughafen Moskau auf das Gebiet der Russischen Föderation einreisen zu lassen, obwohl sie die russischen Behörden vor ihrer Abreise informiert hat“, sagte die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton.
„Ich verurteilte diesen schweren diplomatischen Vorfall scharf“, sagte EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD). Dies sei ein „besorgniserregenden Rückschlag“ für die Beziehungen zwischen Russland und dem Europaparlament. Schulz kündigte an, in einem Protestschreiben an die russische Botschaft in Brüssel eine Aufhebung der Entscheidung zu fordern. Die EU-Vertretung in Russland und die deutsche Botschaft protestierten Harms zufolge bereits am Donnerstag gegen das Einreiseverbot für die Grünen-Politikerin.
Fehlende Transparenz
Demnach bestätigte die russische Regierung gegenüber der deutschen Botschaft das Bestehen der Schwarzen Liste. Die Liste könne offenbar als Gegensanktion Russlands gegen europäische Politiker gesehen werden, sagte Harms, die in den vergangenen Monaten mehrfach in die Ukraine gereist war. Die Sprecherin Ashtons kritisierte, die fehlende Transparenz der russischen Regierung über die auf die Schwarze Liste gesetzten Namen. Das verstoße gegen das geltende Visaabkommen zwischen der EU und Russland.
Harms zufolge wurde ihr am Moskauer Flughafen erklärt, sie sei eine „unerwünschte“ Person. Demnach musste sie sich schriftlich verpflichten, nicht nach Russland einzureisen, anderenfalls werde dies als „krimineller Akt“ gewertet. Nachdem sie vier Stunden am Flughafen festgehalten worden sei, habe sie am Donnerstag den letzten Flug aus Moskau zurück nach Brüssel nehmen können. Harms warf den russischen Beamten vor, „mit mir gespielt“ und eine „Scharade“ aufgeführt zu haben. „Es war bekannt, dass ich nach Russland reisen wollte“, sagte die Grünen-Politikerin. „Das war keine Undercover-Aktion.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja