Schwarz-Rot zu Nahost: Dezente SPD-Kritik an Außenminister Wadephul
In der SPD-Fraktion rumort es wegen der deutschen Waffenlieferungen an Israel und des EU-Assoziierungsabkommens – zumindest ein bisschen.
Maßnahmen erwähnte Merz nicht. Mahnende Worte ohne Folgen – das ist der Normalzustand bundesdeutscher Nahostpolitik. Die Sicherheit Israels gilt als Staatsraison. Daran prallen regelmäßig alle konkreten Forderungen ab, Druck auf Jerusalem auszuüben.
Doch jetzt gibt es eine Debatte um zwei konkrete Ideen. In der EU forcieren 17 Staaten eine Aussetzung des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel. Ein harter Schlag – die EU ist der wichtigste Handelspartner. Außenminister Johann Wadephul (CDU) hält die Lage in Gaza zwar für „unerträglich“, will aber weiter Waffen liefern und keine Überprüfung des Assoziierungsabkommens. Das ist die übliche deutsche Rolle in der EU – alles, was nach Druck auf Israel aussieht, wird abgeblockt.
Angesichts der humanitären Krise in Gaza reicht das manchen in der SPD nicht mehr. Rolf Mützenich, Experte für Außenpolitik, wirbt in dezenter Wortwahl für eine andere deutsche Haltung. „Ich hätte es befürwortet, wenn die Bundesregierung sich hier dem Votum einer so großen Zahl von europäischen Regierungen angeschlossen hätte“, so Mützenich zu Table.Briefings.
Ralf Stegner übt Kritik
Milde Kritik an Wadephul äußert auch der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner. Er könne nachvollziehen, dass „Deutschland bei der Überprüfung des Assoziierungsabkommens nicht sofort aufspringt“. Wadephul müsse sich aber „um eine europäische Einigung bemühen“, so Stegner zur taz.
Neben Wirtschaftsbeziehungen sind Waffenlieferungen die zweite Hartwährung in der Außenpolitik. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Waffenlieferant für Israel. Stegner befürwortet Waffenlieferungen. Deutschland sei „für die Sicherheit Israels mitverantwortlich“. Aber nicht derzeit. „Man verteidigt sich nicht gegen Terror, indem man Kinder verhungern lässt, Medikamente verweigert und die Zivilbevölkerung schikaniert. Das ist keine Verteidigung, das sind Völkerrechtsverletzungen und Inhumanität, die nicht akzeptabel ist.“ Deshalb dürfen „derzeit keine deutschen Waffen an Israel geliefert werden“, so Stegner zur taz.
Der sozialdemokratische Erhard-Eppler-Kreis wird noch präziser. Berlin dürfe keine Waffen mehr liefern, „die gegen die Palästinenser in Gaza und im Westjordanland eingesetzt werden können, solange es keinen dauerhaften Waffenstillstand gibt und keine Verhandlungen stattfinden“. Die SPD-Abgeordnete Isabel Cademartori warnt zudem, dass Berlin sich mit Waffenlieferungen an Kriegsverbrechen beteiligen und von internationalen Gerichten belangt werden könnte.
Von SPD-Kanzler Olaf Scholz hörte man nach dem 7. Oktober nur sehr leise Kritik an Israel. In der schwarz-roten Regierung sind Kanzleramt und Auswärtiges Amt in Händen der Union. Das macht es manchen in der SPD-Fraktion wohl leichter, klarer zu sprechen: Man widerspricht damit weder dem eigenen Kanzler noch dem eigenen Außenminister. Eine Koalitionskrise ist wegen Israel bislang nicht in Sicht.
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