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Schwaches EU-RenaturierungsgesetzZu wenig, zu spät

Heike Holdinghausen
Kommentar von Heike Holdinghausen

„Hauptsache, es gibt eine Einigung“ reicht nicht. Europas Gesetz zur Wiederherstellung der Natur wird die ökologische Krise kaum beenden können.

Auf die Moore und die Wiedervernässung kommt es an Foto: Countrypixel/imago

E s lässt tief blicken, dass schon die bloße Einigung der Europäischen Union für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur als Erfolg gilt. Hauptsache, Kommission, Rat und Parlament konnten sich überhaupt auf einen Text einigen, egal, wie schwach er ist, möchte man angesichts der Versuche der Konservativen seufzen, das Gesetz ganz zu schleifen.

Das offenbart den Zustand der Institutionen und vor allem den des Parlaments. Der Green Deal für Klimaschutz, für Biodiversität und für Gesundheit, mit dem die EU die Lebensgrundlagen des Kontinents schützen wollte, erscheint mehr und mehr als Echo einer Zeit, in der einmal viel möglich schien. In der Gedanke aufkeimte, dass die ökologische Krise unserer Zeit kein Nischenthema für Grüne ist, sondern eine Bedrohung für alle.

Dieser Gedanke ist zwar in der Welt – durchsetzen und wirksam werden konnte er beim Renaturierungsgesetz offensichtlich nicht. Die wesentlichen Maßnahmen, um die Natur wirklich wieder herzustellen sind hier so schwammig formuliert und mit Ausnahmen versehen, dass die Mitgliedsstaaten sie leicht umgehen können.

Außerdem sind umkämpfte Vorgaben – etwa die Wiedervernässung von Mooren – in die weite Ferne verschoben. Sich irgendetwas vorzunehmen, das die Nachfolger der Nachfolgerinnen der Verantwortlichen irgendwann einmal umsetzen müssen, ist immer einfach. Doch Konflikte und Interessengegensätze verschwinden nicht, nur weil ihre Lösung in die Zukunft verschoben wird.

Die Treibhausgase zählen, nicht die guten Absichten

Und auch die ökologischen Krisen warten nicht, im Gegenteil. Das Klima wird nicht durch Absichtserklärungen oder die Aussicht auf Innovationen beeinflusst. Sondern einzig dadurch, welche Mengen von Treibhausgasen wir in die Atmosphäre entlassen. Und mit Torfmoosen, Insekten und Krill lässt sich nicht diskutieren: „Haltet durch, begnügt euch mal ein paar Jahrzehnte mit ungeeigneten Lebensräumen, wir kriegen unsere Agrar- und Fischereipolitik gerade nicht anders geregelt.“

Bleibt die Erkenntnis: Die EU fällt anscheinend als bisher eher verlässlicher politischer Verbündeter für eine sozial-ökologische Transformation aus. Schon jetzt können sich vernünftige, progressive Kräfte gegen Rechtsextreme und Konservative, die mit ihnen gemeinsame Sache machen, nur noch mit Mühe durchsetzen. Sollten sich die Kräfteverhältnisse im nächsten Jahr weiter verschieben, wird vom Green Deal nicht mehr viel übrig bleiben.

Dann bleibt die Konzentration aufs Kommunale. Vor Ort wird Verkehrspolitik gemacht, werden Bebauungspläne aufgestellt, fragen Schulen oder Ämter mit ihren Kantinen als Großverbraucher Lebensmittel nach. Dort lässt sich konkret Natur schützen und Landnutzung verändern. Das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur hatte das nur zum Ziel. Was es dazu anbietet, ist zu wenig und es kommt zu spät.

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Heike Holdinghausen
Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
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3 Kommentare

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  • Heißt dies nun, dass Waldeigentümer, egal wie sie mit ihrem Wald umgehen bzw. diesen bewirtschaften (Monokulturen und Plantagen mit breitengraduntypischen Bäumen wie Fichten und Kiefern, Kahlschlägen und übermäßigen Fällungen, die das Waldinnenklima zerstören und zu weiteren Waldschäden führen, wie Sonnenbrand, Windanfälligkeit, Austrocknung und Erosion von Böden) nun genau dafür im Zuge von Wiederaufforstung EU- Steuergelder erhalten?



    Gelder, die v.a. der kleine Angestellte, Familien und Alleinerziehende mühsam erarbeiten müssen?

    Wird darin denn Unterschieden, welche Ursache die Waldzerstörung hat, ob mutwillig aus monetarischen Gründen selber verursacht, oder durch externe Umstände?



    Nach umfassenden Waldstudien, wird nach vorliegenden Waldinventuren, Meldungen und Datenlage die Ursache von Waldschäden gar nicht eruiert, eine belastbare Datenlage gibt es dazu sogar EU-weit nicht!

    Wie können denn EU-Gelder ausgeschüttet werden, wenn die Problemursache nicht erforscht ist?

    Herzlichen Glückwunsch an die Forstlobby, für diese ungerechtfertigten Subventionen, die v.a. Anreize für eine unfachgerechte zerstörerische Wald und Naturausbeutung gibt, und Anreize schafft schnell noch mehr abzuholzen.

    Leider gibt der Artikel darüber keine Informationen.

  • " Doch Konflikte und Interessengegensätze verschwinden nicht, nur weil ihre Lösung in die Zukunft verschoben wird."



    Das ist richtig aber es reiht sich ein in die Absichtserklärungen vieler Länder so "um 2060" klimaneutral zu werden. Die jetzige Generation an politisch Verantwortlichen hat damit dann nix mehr zu tun.



    Wir können jammern, auf den Boden stampfen oder uns festkleben, dies ist die Richtung der internationalen Politik. Gespeist aus Verunsicherung, fehlenden alternativen (Volks)Wirtschaftstheorien zu ewigem Wachstum und Kriegen, die auch ohne Zusammenhang mit Klimawandel und ökologischen Krisen begonnen werden.

    Die Anpassung an den durch uns verursachten Klimawandel ist doch der einzige Hebel zur Reduzierung des Leids in den betroffenen Ländern. Die Züchtung von salzresistenten Reisssorten, das Bewusstsein über den Wert und die Neuanpflanzung von Mangrovenwäldern, die Zunahme der regenerativen Primärenergie (immer mehr auch international gedacht), das Verständnis über die Bedeutung von Kreisläufen aller Art als Basis jede zukünftige Produktion usw.. Da sehe ich Anzeichen für Fortschritt auf vielen Ebenen.

    Ja, wir sind viel zu spät und es wird Schlimmes auf uns zukommen. Nur für einen radikaleren Wandel sehe ich keinen Konsens im Zeitalter eines neuen Ost-West Kräftemessens, wer den Längeren hat. Ich denke auch in einer weiteren absurden Epoche dürfen wir nicht aufhören an Verbesserungen zu arbeiten, die Schäden begrenzen können. Unsere Enkel werden kein Paradies erben aber sich vielleicht über die eine oder andere Vorarbeit freuen.

    • @Heiner Petersen:

      Das würde voraussetzen, dass nicht alles komplett gegen die Wand gefahren wird, wofür aber der von Ihnen erwähnte "radikale Wandel" nötig wäre. Übrigens geht es da lange nicht alleine um den Klimawandel - auch der Biodiversitätsverlust, für dessen Bekämpfung das Renaturierungsgesetz in ursprünglicher Form geeignet gewesen wäre, ist in der Lage unser zivilisiertes Leben extrem zu erschweren.