Schutz von Prostituierten: Jenseits nackter Vorurteile
Das Prostituiertenschutzgesetz wirkt, stellt eine Studie fest. Doch sinnvolle Verbesserungen werden wohl an der Union scheitern – aus purer Ideologie.

E s bringt nichts, Urteile aufgrund von Ideologie zu fällen. Was banal klingt, braucht manchmal praktische Unterfütterung. Die wurde gerade geliefert: im Fall der Evaluation, also der fachlichen Bewertung des sogenannten Prostituiertenschutzgesetzes. Das Gesetz von 2017 aus der Zeit der damaligen Großen Koalition soll Prostituierte vor Zwang und Kriminalität schützen, wurde aber von Beginn an von allen Seiten attackiert. Wo die einen Kontrollwahn und Stigma fürchteten, sahen die anderen den Sündenfall, der sich weiter in die deutsche Rechtslage schreibt. Zufrieden war mit dem Gesetz von 2017 kaum jemand.
Nun kommt das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen zu folgendem Schluss: Das Gesetz wirkt. Zwar gebe es deutlichen Nachbesserungsbedarf, schreiben die Forschenden. So müsse die Akzeptanz des Anmeldeverfahrens unter Prostituierten erhöht werden; auch am Abbau von Stigmata müsse weiter gearbeitet werden. Generell aber könne das Gesetz „beachtliche Erfolge“ vorweisen. Geradezu beispielhaft wird hier deutlich, was Wissenschaft kann und wozu sie gebraucht wird: dafür, jenseits von Vorurteilen einen Blick auf die Realität zu ermöglichen.
Leider ist unklar, wie mit den konkreten und sinnvollen Vorschlägen zur Verbesserung des Gesetzes umgegangen wird. Zwar soll eine Kommission zum Thema eingesetzt werden. Was aber wiederum mit den Ergebnissen einer Kommission passiert, an denen sich die Geister scheiden, ist aus der vergangenen Legislaturperiode und von der Kommission zum Schwangerschaftsabbruch bekannt: wohl nichts.

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Leider ist es auch diesmal so: Die Überzeugungen und Vorurteile in puncto Prostitution sind geradezu massiv. Die Unionsfraktion will Sexkauf laut Fraktionsbeschluss verbieten, der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen das Prostituiertenschutzgesetz abschaffen. Die Forschenden hingegen sprechen sich für eine Reform des Gesetzes aus.
Wenn sich die Union nicht vorwerfen lassen will, Ideologie über Wissenschaft zu stellen, muss sie sich darauf einlassen, das Gesetz nachzubessern.
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