Schutz bei Partnerschaftsgewalt: Fesseln sollen Frauen retten
Schleswig-Holstein beschließt die Fußfessel nach dem „spanischen Modell“. In Niedersachsen dringt die CDU auf eine mäßig erfolgreiche Variante.

Deshalb hat nun auch der Landtag von Schleswig-Holstein eine Gesetzesgrundlage geschaffen, die so etwas möglich machen soll. Am Mittwoch wurde sie mit den Stimmen von CDU, Grünen, SPD und SSW beschlossen.
In Niedersachsen debattierte der Landtag am Donnerstag etwas Ähnliches – nicht zum ersten Mal. Dieses Mal hatte die CDU eine aktuelle Stunde zum Thema anberaumt, weil sie hofft, die Landesregierung ein wenig vor sich hertreiben zu können.
Einen Entschließungsantrag von Grünen und SPD zum Thema hatte es schon im Februar gegeben – er war einstimmig beschlossen worden, sogar die AfD stimmte zu. Aber ein Entschließungsantrag ist eben noch kein Gesetzentwurf, und der lässt weiter auf sich warten. Dabei sei jeder Tag einer zu viel, mahnt die CDU-Abgeordnete Birgit Butter. Dabei habe die CDU-Opposition schon im Dezember einen Gesetzentwurf vorgelegt. „Wir wollen nicht weiter auf die große Polizeirechtsreform warten.“ Oder wolle die SPD-Innenministerin Daniela Behrens etwa die Fußfessel als Faustpfand benutzen, um den Grünen Zugeständnisse bei anderen, schwierigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen im neuen niedersächsischen Polizeigesetz abzuringen?
Tatsächlich hätten auch die Grünen, die in dieser Sache federführend sind, die Bestimmungen zur Fußfessel gern „vor die Klammer“ gezogen, wie das im Parlamentarierdeutsch heißt. Sie konnten sich damit aber nicht durchsetzen. Allerdings sei der CDU-Entwurf auch schlicht und einfach schlecht, erklärt die grüne Fachpolitikerin Evrim Camuz.
Mit dem spanischen Modell habe der nämlich rein gar nichts zu tun, sondern beschränke sich lediglich darauf, die Anwendung der jetzt schon bei terroristischen Gefährdern angewandten Fußfessel auf häusliche Gewalttäter auszudehnen. Das bedeute in der Quintessenz aber, dass die betroffenen Frauen nur in ihrer eigenen Wohnung geschützt seien – also quasi eingesperrt.
Sebastian Zinke (SPD), selbst Polizeidirektor a. D., wirft der CDU vor, hier parteipolitische Scharmützel auf dem Rücken der Opfer auszutragen. Immerhin hätte die Bundes-CDU ja auch einer Änderung des Gewaltschutzgesetzes zustimmen könnten – dann könnten die Opfer auf zivilrechtlichem Weg, vor dem Amts- oder Familiengericht, Annäherungs- und Kontaktverbote beantragen. Bisher werden Verstöße dagegen nur unzureichend oder zu spät geahndet, eine Fußfessel könnte dem mehr Nachdruck verleihen. Dem wollte die CDU im vergangenen Bundestag aber nicht mehr zustimmen, als sich das Ende der Ampel schon abzeichnete.
Die wechselseitigen Schuldzuweisungen verbergen allerdings, dass die Materie rechtlich tatsächlich nicht ganz trivial ist. Das zeigen auch die Erfahrungen aus den Ländern, die das schon versucht haben – wenn auch mit der Fußfessel alten Stils, also ohne Warnmelder für die Bedrohten.
Hamburg hat etwa schon im Dezember 2019 einen entsprechenden Passus in sein Polizeigesetz aufgenommen. Angewendet worden ist der in den vergangenen mehr als fünf Jahren genau ein einziges Mal. Und selbst in diesem Fall wurde die Anordnung letztlich vom Oberlandesgericht kassiert, obwohl der Täter einschlägig vorbestraft war und die betroffene Frau noch aus dem Knast heraus weiter terrorisierte.
Die Fußfessel ist kein Allheilmittel
In Bayern gibt es seit 2017 die Möglichkeit, auch bei häuslicher Gewalt eine Fußfessel anzuordnen. Geschehen ist dies nach Auskunft des Innenministeriums in insgesamt 18 Fällen seither, aktuell trägt kein solcher Täter eine Fußfessel. Die Anzahl der Femizide ist trotzdem gestiegen, im Jahr 2022 wurden allein in Bayern 40 Frauen getötet.
Und auch in Spanien sind zwar keine Frauen umgekommen, die sich im Schutzprogramm befanden – aber im Jahr 2024 eben immer noch 48, die es nicht dort hineingeschafft hatten, meist weil Richter zu einer anderen Risikoeinschätzung kamen.
Das bedeutet nicht, dass dieses Instrument wirkungslos ist, aber es ist eben auch kein Allheilmittel, wie Innenministerin Behrens betont. Camuz sieht trotzdem einen wesentlichen Fortschritt: „Endlich diskutieren wir dieses Problem als das, was es ist: Ein Sicherheitsproblem, mit dem sich Polizei und Justiz auseinandersetzen müssen – und nicht bloß der soziale Bereich, wo man ständig um Geld für Beratungsstellen und Frauenhäuser feilschen muss.“ Ihr ist es außerdem wichtig, weitere Maßnahmen aufzusetzen.
Dazu gehört zum Beispiel die App „Gewaltfrei in die Zukunft“, die künftig auch über die Polizei verteilt werden soll. Sie lässt sich hinter anderen Apps verbergen und bietet Betroffenen Aufklärung, Hilfsangebote und ein Gewalttagebuch – damit, so hofft Camuz, lassen sich am Ende auch Beweise sichern, die vor einem Richter bestehen können.
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