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Schulkinder prügeln PolizistenAktion und Reaktion

Kaija Kutter
Kommentar von Kaija Kutter

Die Tritte von Schulkindern auf einen Polizisten in Hamburg sind nicht entschuldbar, aber auch das Verhalten des Polizisten gehört hinterfragt.

„Cop4U“-Polizisten sind auf Hamburgs Schulhöfen seit Jahren ein gewohnter Anblick Foto: dpa/Maurizio Gambarini

D er Polizeibericht über den Vorfall auf der Straße vor dem Gebäude der Eimsbüttler Ida-Ehre-Schule ist erschreckend. Einen am Boden liegenden Menschen gegen den Kopf zu treten, ist unverzeihlich brutal. Noch ist es zu früh, um zu beurteilen, wie genau dieser Vorgang sich abgespielt hat.

Doch zumindest die Schilderung in den Titelzeilen ist verkürzt. Es gab keinen Angriff von „bösen Monster-Kids“ auf einen Polizisten aus dem Nichts heraus. Vielmehr war diese Aktion eine Reaktion, hat doch dieser Beamte zuvor einen 13-jährigen Jungen mit Polizeigriffen zu Boden gebracht und dort fixiert.

Es stimmt: Wenn der Polizist befürchtet, der Junge sei bewaffnet, darf er präventiv agieren, denn er vertritt das staatliche Gewaltmonopol.

Aber Kinder und Heranwachsende sind keine fertigen Staatsbürger. Für sie muss so ein Zubodenbringen nicht wie ein friedlicher Akt wirken, darauf weist auch das inzwischen aufgetauchte Video hin. Ihr Versuch, dem Jungen beizustehen, ist ein verständlicher Impuls, auch wenn, wie gesagt, Tritte absolut inakzeptabel sind.

Der Junge hatte keine Waffe in seiner Tasche und er hatte seinem Kontrahenten vor dem Schultor bis dahin körperlich nichts getan. Aber er stand dort aus subjektiver Sicht des herbeigeradelten Beamten in „bedrohlicher Haltung“. Und der „Cop4U“ hatte offenbar Vorwissen über dieses Kind. Auch die Schule schreibt von Bedrohungen durch „schulfremde Personen“, über die man zuvor den Beamten informierte. Eine Zeitung schrieb von „Intensivtäter“.

Das ist ein Wort aus der Gewaltprävention. Eine Zuschreibung, die nicht unumstritten ist. Auch das „Cop4U“-Konzept von Polizisten, die im Schulumfeld tätig sind, ist seit Jahren Teil der Gewaltprävention. Nur kann unsere Gesellschaft nicht erreichen, dass Kinder und Jugendliche auf der Straße nie wieder einen Streit austragen. Es ist jetzt falsch, nach schärferen Maßnahmen wie geschlossener Unterbringung zu rufen. Im Gegenteil, die Frage muss erlaubt sein, an welchen Stellen die Gewaltprävention ihre Ziele verfehlt.

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Kaija Kutter
Redakteurin taz-Hamburg
Jahrgang 1964, seit 1992 Redakteurin der taz am Standort Hamburg für Bildung und Soziales. Schwerpunkte Schulpolitik, Jugendhilfe, Familienpolitik und Alltagsthemen.
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4 Kommentare

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  • Mir geht dieses Thema sehr nahe. Sehr schade, dass das Video noch nicht gezeigt wird. Auch das keine Aussagen von den anderen Kindern hier gezeigt wird. Jeder Polizist kann doch behaupten, dass er dachte, dass der andere ein Messer hatte. Wie kann das sein, dass man ein Kind angreifen darf und zu Boden wirft und das Kind um Hilfe schreit und man danach einfach behauptet, dass der bestimmt ein Messer hatte. Der Junge hat sich nicht geprügelt, er hat nicht den Polizisten angegriffen und hat sich wahrscheinlich nur geweigert den Aufforderungen des Polizisten nachzugehen. Reicht dies schon, dass ein erwachsener Mann ein 13 jähriges Kind attackieren darf? Ich wünschte mir hier eine viel kritischere Berichterstattung. Zudem hat der Polizist keinen Schaden genommen. Klar hätte der Polizist nicht getreten werden sollen, aber wenn ein Freund angegriffen wird, dann will man ihn auch verteidigen. Die Polizei hat hier so viel an Vertrauen bei diesen Kindern kaputt gemacht. Das ist eigentlich eine recht gute Schule und diese Reaktion von den Schülern kann ich mir nur damit erklären, dass der Polizist sehr brutal war. Aber fast alle anderen Zeitungen haben 1:1 den Polizeibericht als die Wahrheit dargestellt. Wie Olaf Scholz sagte: "In Hamburg gibt es keine Polizeigewalt" und genau nachdem Motto wurde hier auch wieder berichtet. TAZ ist zum Glück hier nicht so schlimm, aber noch immer weiß keiner was genau passiert ist, da keine anderen Zeugen befragt wurden

  • Klar, hier hat die Gewaltprävention ihre Ziele verfehlt.

    Wie kann es sein, dass Kinder, die niemanden etwas getan haben, zum Intensivtäter abgestempelt und am besten noch weggesperrt werden sollen? Andere nennen das Täter-Opfer-Umkehr.

    Da werden Erinnerungen an die Inobhutnahme von Tobias Kucharz aus Kaiserslautern wach!

  • Ich finde es bewundernswert wie sich die Kinder und Jugendlichen hier spontan mit dem Angegriffenen solidarisiert haben und intuitiv erkannt haben wer in der Situation der wahre Aggressor war.

  • Die Autorin verbietet sich eine Beurteilung des Vorganges, will jedoch gleichzeitig die Verfehlung der Ziele der Gewaltpräventation hinterfragen. Auch dafür sollte es dann wohl etwas zu früh sein.

    Hier sollte doch eher über eine Absenkung der Strafmündigkeit diskutiert werden. Dann können solche Fälle auch ordentlich aufgeklärt und gegebenfalls abgeurteilt werden. Es ist ein Graus, dass 13 Jährige tun und lassen können was sie wollen. Dies steht einer ordentlichen Gewaltprävention in jedem Fall im Weg.