piwik no script img

Schuldenbremse bremst KlimaschutzSchulden for Future

Gastkommentar von Maurice Höfgen

taz-Autor Nick Reimer meint, die Schuldenbremse helfe dem Klimaschutz. Ökonom Maurice Höfgen widerspricht. Er warnt vor grüner Austerität.

Lasten für die Zukunft: Schlecht ausgebaute Stromnetze, veraltete Abwasserkanäle, eine marode Bahn Foto: Patrick Pleul/dpa

A usterität gibt es auch in Grün: Sparpolitik, um die Wirtschaft fürs Klima zu schrumpfen. Das forderte taz-Redakteur Nick Reimer kürzlich in einem Debattenbeitrag.

Konkret: Verzicht, Abbau klimaschädlicher Subventionen und eine noch strengere Schuldenbremse. „Wer jetzt die Schuldenbremse für den Klimaschutz aufheben will, der will keinen Klimaschutz“, so Reimer. Ich meine: Er liegt falsch und es wäre fatal, wenn Grüne seinen Forderungen folgen würden – politisch wie wirtschaftlich.

Zunächst: Alle auch nur halbwegs progressiven Ökonomen sind sich einig, dass die Schuldenbremse eine Investitionsbremse ist – und reformiert gehört. Uneinig sind sie nur darin, wie die Reform aussehen soll. Mittlerweile gibt es sogar immer mehr Konservative, die eine Lockerung der Schuldenbremse fordern. Der Internationale Währungsfonds, die Weltbank, die Bundesbank, das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft, die Wirtschaftsweisen – und selbst CDU-Landeschefs wie Kai Wegner.

Stimmen, die die Schuldenbremse gar noch verschärfen wollen, gibt es hingegen kaum. Nicht einmal Prof. Lars Feld, Chefökonom von Finanzminister Lindner, fordert das. taz-Redakteur Reimer aber schon: „Wir müssen jetzt die Schuldenbremse jedes Jahr um 1 Prozent anziehen, damit unsere Kinder und Enkel genug Finanzmittel zur Verfügung haben“, um sich an die Folgen des Klimawandels anzupassen.

Derzeit erlaubt die Schuldenbremse eine Neuverschuldung von 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung (plus in Krisen ein bisschen mehr). Was Reimer nicht verrät: Was soll ein Anziehen „um 1 Prozent“ konkret bedeuten?

Was aus seinem Beitrag auch nicht hervorgeht: Warum sollen die Enkel mehr Geld haben, wenn der Staat weniger ausgibt? Man braucht nicht einmal ökonomische Theorie, um das zu widerlegen. Einfache Buchhaltung reicht. Denn die Ausgaben des einen sind immer die Einnahmen eines anderen. Die Ausgaben des Staates sind also Einnahmen für den Privatsektor (Firmen und Haushalte). Gibt der Staat weniger aus, nimmt der Privatsektor weniger ein.

Der Staat soll also im wahrsten Sinne des Wortes sparen. Also weniger ausgeben, als er einnimmt. Die Konsequenz: Der Privatsektor würde ärmer. Weil der Staat über Steuern mehr Geld aus ihm herauszieht, als er über Ausgaben hineingibt. Dadurch würden die Bankkonten der Firmen und Haushalte schrumpfen. Nur: Wenn deren Konten leerer werden, können die sich grüne Alternativen weniger leisten – und vererben auch weniger an die Enkel!

Arbeitslosigkeit als Klimaprogramm?

Hinzu kommt: Wenn heute Investitionen für die Schuldenbremse unterlassen werden, müssen die Enkel viel mehr Geld und Ressourcen aufwenden, um die Infrastruktur zu sanieren. Schlecht ausgebaute Stromnetze, veraltete Abwasserkanäle, eine marode Bahn: All das sind Lasten für die Zukunft. Erst recht in einer alternden Gesellschaft, in der jeder Enkel künftig einen Rentner mitfinanzieren muss.

Verzicht und fossile Preisschocks? Das überfordert die Gesellschaft und freut die AfD!

Reimers Kommentar suggeriert, man müsse heute Geld in ein Sparschwein werfen, damit die Enkel das für den Klimaschutz ausgeben können. So ein Sparschwein gibt es nicht. Woher kamen etwa all die zusätzlichen Milliarden in der Pandemie? Oder für die Bundeswehr? Aus einem Sparschwein? Nein! Sie wurden neu geschöpft.

Die eigene Währung ist niemals knapp. Selbst die USA oder Griechenland, die Schuldenstände von 130 oder 180 Prozent der Wirtschaftsleistung haben, konnten den Kampf gegen die Pandemie mit höheren Ausgaben bewältigen, haben sogar viel mehr neue Schulden gemacht als Deutschland. Um Firmen zu retten, Impfstoffe zu finanzieren und die Bevölkerung zu schützen. Außerdem: Deutschlands Schuldenstand ist mit 64 Prozent im internationalen Vergleich lächerlich niedrig.

Eine Gesellschaft kann sich immer das leisten, wozu sie technisch in der Lage ist und Arbeitskräfte hat. Spart der Staat aber, schmiert die Wirtschaft ab, gibt es mehr Arbeitslose, weniger Investitionen und auch weniger Steuereinnahmen. Das macht es den Enkeln schwieriger, sich an Klimafolgen anzupassen – nicht leichter. Man täte ihnen andersherum einen Gefallen, wenn es Vollbeschäftigung, Investitionen und Innovationen gäbe. Dann erben sie volle Bankkonten und eine produktive, moderne Infrastruktur!

Konjunkturprogramm für die AfD

Wo Reimer einen Punkt hat: Die Rahmenbedingungen der Wirtschaft müssen sich noch stärker ändern. Platt gesagt: Grün und effizient muss günstiger werden, braun und ineffizient teurer, dann passen sich Konsum und Produktion nach und nach an.

Das geht aber nicht, indem man an grünen Subventionen spart, weil man Staatsschulden verteufelt – und dafür einen fossilen Preisschock erzeugt. Das wäre aber das Ergebnis, wenn man Nick Reimer folgen würde, der da schreibt: „Deutschlandticket und Tankrabatt […]: Derlei Politik bringt nichts auf dem Weg in eine klimagerechte Zukunft – außer dass wir den kommenden Generationen ihren Spielraum verkleinern, sich an die Folgen des Klimawandels anpassen zu können.“

Schlagartig steigende Preise für Flüge, Autos und Heizungen überfordern die Gesellschaft und zerstören die Akzeptanz für Klimaschutz. Erst recht, solange die Alternativen schlecht sind, sprich: solange es keine günstigen E-Autos und Ladepunkte gibt, die Bahn unzuverlässig und marode ist, Wärmepumpen teuer sind und die Förderung für Energieberater gekürzt wird. Und um Alternativen zu fördern, braucht es mehr Geld und wirtschaftliche Dynamik, also: mehr Schulden, nicht weniger. Unabhängig davon, dass auch Umverteilung – von Dienstwagenprivileg zu E-Auto-Prämie und von Reich zu Arm – wichtig ist.

Grüne Austerität aber heißt: weniger Jobs, weniger Einkommen, dafür steigende Preise und Existenzängste. Das wäre ein Konjunkturprogramm für AfD und Klimawandelleugner, aber kein Gefallen für unsere Kinder und Enkel!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Das Problem ist nicht die Schuldenbremse, sondern der Fakt, dass unsere Gesellschaft und unsere Wirtschaft nicht ohne Wachstum funktioniert. Alle Probleme werden mit höheren Ausgaben an die Bevölkerung gelöst. Sie sind det Kitt für den sozialen Frieden. Daher müsste die Schuldenbremse fallen, da die privaten Investitionen den Kitt, also höhere Steuereinnahmen, nicht bereitstellen. Denken wir nur an die Bauernproteste am Anfang des Jahres. Und bei dieser Gruppe sollten die Einnahmen nur gering gekürzt werden. Was passiert wohl, wenn andere Gruppen von diesen Kürzungen betroffen sind. Ich beobachte z.B. regelmäßig Schnappatmung bei Rentner. Ich will gar nicht wissen, wenn Beamte und Pensionäre betroffen sind. Es geht also generell um das Erkaufen von sozialem Frieden. So müsste die Diskussion verlaufen.

  • "Alle auch nur halbwegs progressiven Ökonomen sind sich einig, dass die Schuldenbremse eine Investitionsbremse ist..."



    Nein. Die Schuldenbremse bremst nicht Investitionen sondern Wahlgeschenke. Und wenn sie das nicht tut, sollte sich der Wähler überlegen, was er an der Wahlurne so tut.

    "Die eigene Währung ist niemals knapp."



    Richtig! Leider vermehrt sich das, was man davon kaufen kann überhaupt nicht, wenn man die Gelddruckmaschinen anwirft. Wenn der Staat auf Pump Geld raus gibt ist das eine gigantische Umverteilung von unten nach oben, weil die Preise steigen und für das geliehene Geld Zinsen zu zahlen sind.

  • "...dass die Schuldenbremse eine Investitionsbremse ist"



    Erstens: Warum soll sie eine Investitionsbremse sein? Bremsen tun eher konsumtive Ausgaben - die dazu führen, dass für sinnvolle (!) Investitionen kein Geld mehr da ist.



    Zweitens: Nicht alles, was "Ökolinks" als Investition bezeichnet, ist auch eine. Z.B. das 49-Euro-Ticket. Das ist eine konsumtive Ausgabe.



    Drittens: Nicht alle Investitionen, die "Ökolinks" vorschweben, sind auch technisch und ökologisch sinnvoll.



    Angesichts des undurchdachten Wunschkatalogs stehen mir die Haare zu Berge.



    Lieber die Schuldenbremse. Sie zwingt zur Priorisierung, und die ist dringend notwendig.

    • @sollndas:

      Ein Deutschlandticket einzuführen, ohne Zuglinien zu bauen macht genausowenig Sinn, wie Schulen zu sanieren, ohne Lehrer anzustellen. Die Unterscheidung, wie Sie sie machen ist nicht sinnvoll.



      Das Problem ist, dass in die Krise reingespart wird, während sich der Rest der Welt verschuldet, um Zukunftsaufgaben zu stemmen.

  • wenn wir die schuldenbremse jedes jahr um ein prozent anziehen, dann werden unsere Enkel sicher sehr klimaschonend leben, und zwar in einer von russland und den Chinesen hegemonalisierten subsistenz Agrarwirschaft.

  • "Die eigene Währung ist niemals knapp. Selbst die USA oder Griechenland, die Schuldenstände von 130 oder 180 Prozent der Wirtschaftsleistung haben, konnten den Kampf gegen die Pandemie mit höheren Ausgaben bewältigen, haben sogar viel mehr neue Schulden gemacht als Deutschland."

    Deutschland und Griechenland haben keine eigene Währung. Wir sind Fremdwährung verschuldet und wie man am Beispiel Griechenland sieht, kann die schnell knapp werden.

    • @sneaker:

      Unsinn. Der Euro ist unsere offizielle Währung, wir zahlen Steuern in Euro und die gemeinsam kontrollierte Zentralbank emittiert den Euro. Das ist keine Fremdwährung.

  • Bei einem Bundeshaushalt von ca. 480 Milliarden Euro darf man (in 2025) ca. 44 Milliarden Euro Schulden aufnehmen. Sicher ist das eine Art Bremse, aber 44 Mrd. sind kein Pappenstil, damit muss man auskommen.