Schulden für Klimaschutz und Kriegsfolgen: Bremen plant Doppel-Wumms
Der Bremer Senat will die Schuldenbremse aushebeln, um Geld für Klimaschutz und Kriegsfolgen aufzunehmen. Geplant sind drei Milliarden Euro.
Doch aus dem normalen Haushalt kann das Milliarden-Paket natürlich nicht abgezwackt werden – daher soll die Bürgerschaft, so der Plan des rot-grün-roten Senats, eine außergewöhnliche Notsituation feststellen. Die Schuldenbremse greift dann nicht mehr, so steht es in der Landesverfassung.
„Die Menschen brauchen unsere Hilfe“, sagte Bovenschulte. Die aus der Ukraine Geflüchteten, aber angesichts der Inflation auch alle anderen; Bürger*innen, Vereine, soziale und Kultureinrichtungen. Dazu komme die Klimakatastrophe. Insgesamt befinde man sich in einer sozialen, ökonomischen und ökologischen „Multikrisensituation“.
Was die Wissenschaft zum Klima sage, klinge dramatisch, ergänzte Maike Schaefer (Grüne), Senatorin für Klimaschutz. „Aber so ist auch die Situation. Es geht nicht nur um ein paar Einschränkungen, es geht ums Überleben.“ Man sei damit das erste Bundesland, „das sich zum Klimaschutz bekennt und auch ernsthaft eine Finanzierung in diesem Rahmen absichert“.
Das Ziel: Klimaneutralität bis 2038
Die 2,5 Milliarden sollen für das eingesetzt werden, was die Enquetekommission Klimaschutz in ihrem Abschlussbericht empfohlen hatte: den Ausbau der Wärmeversorgung, die Sanierung öffentlicher Gebäude, die Mobilitätswende mit einem Ausbau des ÖPNV und den Umbau der Wirtschaft.
Die Kommission aus Expert*innen und Abgeordneten hatte knapp zwei Jahre lang für Bremen ein Klimaschutzziel und entsprechende Maßnahmen entwickelt. Vor allem die Dekarbonisierung des Bremer Stahlwerks vom Konzern ArcelorMittal als größter CO2-Emittent ist entscheidend – und teuer. Das Land muss dafür die Infrastruktur für Strom und klimaneutralen Wasserstoff stark ausbauen. Bis 2038 will Bremen klimaneutral sein, bekräftigten Schaefer & Co. auch am Dienstag. Laut Enquete-Bericht braucht es dafür sogar acht Milliarden Euro.
Die gesamte Situation also rechtfertige, so steht es in der Erklärung des Senats, „trotz Schuldenbremse die Bereitstellung der notwendigen Mittel der öffentlichen Hand“. Das sieht auch Finanzsenator Dietmar Strehl (Grüne) so: „Ich glaube, für Bremen ist das der richtige Weg.“ Man brauche die Garantie, die geplanten Maßnahmen auch wirklich umsetzen zu können. Daneben, erklärten die Senator*innen, werde man sich auch um Fördermittel kümmern – aber auch hierfür brauche es immer eigene Mittel als Co-Finanzierung.
Strehl war als Staatsrat unter seiner Vorgängerin Karoline Linnert, ebenfalls Grüne, mitverantwortlich für die strenge Finanzpolitik des Landes. Linnert war von 2007 bis 2019 Finanzsenatorin und hatte sich stets für eine Einhaltung der Schuldenbremse ausgesprochen. Anfang Oktober bekräftigte sie trotz der aktuellen Lage diese Haltung in einem Gastkommentar beim Weser Kurier.
Darin bezeichnete sie Sondervermögen als „große Mode“ und erinnerte: „Das Erschrecken darüber, dass die anfallenden Zinsen den Staatshaushalt auffressen und zwangsläufig die Handlungsspielräume zukünftiger Generationen einschränken, hatte ja gerade zur Schuldenbremse geführt.“
Im Saarland ist Notsituation bereits beschlossen
Jetzt geht Strehl einen anderen Weg. Auch das SPD-regierte Saarland – wie Bremen eigentlich überschuldet und auf dem Konsolidierungspfad – hatte kürzlich per Nachtragshaushalt neue Kredite beschlossen: Dort hat der Landtag dafür eine Notsituation festgestellt. „Wir sind da ganz vorne, aber alle anderen kommen hinterher“, sagte Strehl. Er setzt auf Unterstützung, auch im Stabilitätsrat, der den Bundes- und die Länderhalte überwacht.
Er besteht aus den Finanzminister*innen der Länder, dem Bundesfinanz- und dem Wirtschaftsminister. „Die wissen, was wir tun.“ Man werde ohnehin als Fast-Haushaltsnotlage-Land beobachtet, außerdem kenne man dort den Bericht der Enquete. Zudem setze Bremen die Schuldenbremse nicht aus, „sondern wir nutzen die Regeln der Schuldenbremse“.
Mehr Verschuldung kommt dadurch trotzdem. Und das findet die oppositionelle CDU-Fraktion gar nicht gut. Die Regierung mache das Land finanziell handlungsunfähig. „Wir werden den Menschen verdeutlichen, dass diese auch in sozialer Hinsicht rücksichtslose Finanzpolitik vor allem die junge Generation schwer belasten wird“, sagte Jens Eckhoff, finanzpolitischer Fraktionssprecher. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Senat keine Alternativen in Betracht ziehe – wie etwa eine Klimaanleihe. Privatleute verleihen dafür ihr Geld über eine Bank an das Land. Darüber könnten „bis zu 1,5 Milliarden Euro Privatkapital“ aufgebracht werden.
CDU bezweifelt Rechtmäßigkeit
Eckhoff wirft dem Bürgermeister vor, die Schuldenbremse auszuhebeln, „um seine rot-grün-rote Klientelpolitik trotz leerer Kassen auch in der kommenden Legislaturperiode fortsetzen zu können“. Er finde zudem nicht, dass die Landesverfassung diesen Schritt zulasse. „Rechtlich ist das problematisch. Sobald der Senat seinen Entwurf vorlegt, wird sich die CDU-Fraktion beraten und den Entwurf im Haushalts- und Finanzausschuss juristisch prüfen lassen.“
Den Kniff mit der Notlage hatte der Bremer Senat bereits vor einem Jahr angewendet, für den Doppelhaushalt 2022/23. Mit der Coronapandemie rechtfertigte man, mit mehr Ausgaben als Einnahmen zu planen. „Diese Lücken sind im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2024/2025 zu schließen“, hatte Strehl damals gesagt. Den jüngst verkündeten, recht ähnlichen Schritt, hält Strehl entgegen der Meinung der CDU für „rechtssicher“.
Der Senat will nun seine Idee in konkrete Entwürfe gießen und den Nachtragshaushalt 2023 bis Dezember der Bürgerschaft vorlegen, diese soll sich damit dann im Januar erstmals beschäftigen. Etwa im März, noch vor der Wahl, soll dann die Notlage ausgerufen und der Haushalt beschlossen werden. Die Schulden würden nicht auf einen Schlag aufgenommen, erklärte Bovenschulte. Aber es wäre ab dann eben möglich, wenn Geld gebraucht würde.
Ob der Milliarden-Plan der Regierung auch nach der Wahl noch gilt? Da sich schließlich alle Fraktionen zum Bericht der Enquete bekannt hätten, zeigt sich der Senat optimistisch. „Aber wenn es eine politische Mehrheit geben sollte, sich davon zu verabschieden“, so Bovenschulte, „gibt es jetzt keine Möglichkeit, das ein für alle Mal zu verhindern“.
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