Schulbücher in Südkorea: Die wahre Wahrheit
Bald soll es nur noch ein Geschichtsbuch für Südkoreas Schulen geben. Kritischer Umgang mit der eigenen Geschichte ist kaum zu erwarten.
Noch können die Schulen unter acht Lehrbüchern auswählen. Viele davon behandeln Themen, die in Südkorea lange unter den Teppich gekehrt wurden: Kollaborateure während der japanischen Besatzungszeit, Massenerschießungen an Zivilisten im Koreakrieg oder Folter unter der Militärdiktatur der Nachkriegszeit. Für viele Konservative ist dies eine „masochistische Geschichtsauffassung“.
Auch kritisieren sie, dass einigen der Bücher zu viele direkte Zitate aus Nordkorea enthalten, die den verfeindeten Bruderstaat in einem positiven Licht darstellen könnten. Penibel zählten einige Abgeordnete auf, dass in einem Lehrbuch das Kim-Reich nur zweimal als Diktatur bezeichnet wurde, aber das Wort ganze 24-mal im Zusammenhang mit dem Süden verwendet würde.
Überhaupt seien 90 Prozent aller Historiker ohnehin „Linke“, meinte Parteichef Kim Moo-sung vor Reportern. Kurz zuvor hatten einige von ihnen herausbekommen, das sein Vater ein Kollaborateur der japanischen Kolonialmacht gewesen war und Koreaner zu Spenden an das Besatzungsmilitär gedrängt hatte.
Forscher verweigern sich
Neben der japanischen Besatzungszeit ist vor allem die Militärherrschaft von Park Chung-hee, dem Vater der jetzigen Präsidentin, der umstrittenste Punkt. Kritiker fürchten, die Tochter wolle jetzt das Familienerbe reinwaschen.
Mehr als 50.000 Südkoreaner haben schon eine Petition gegen den Regierungsplan unterschrieben. Darunter sind auch Hunderte Geschichtsprofessoren. Sie haben angekündigt, nicht als Autoren für die neuen Lehrwerke zur Verfügung zu stehen. Laut Korea Times würde es für die Regierung schwer, genügend angesehene Forscher als Autoren zu gewinnen.
Der Führer der liberalen Oppositionspartei, Moon Jae-in, bat darum, den Gesetzesentwurf mit der Regierung besprechen zu dürfen, bevor er in Kraft tritt. Sein Gegenüber von der Saenuri-Partei lehnte ab. Das Thema stünde nicht zur politischen Diskussion.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch