Schulbesetzung in Berlin-Kreuzberg: „Die Menschen essen sehr wenig“
Die Flüchtlinge verhandeln weiter mit dem Bezirksamt. Die Ernährungslage in der Schule ist schlecht – der Bezirk lässt keine Versorgung zu.
BERLIN taz/dpa | Im Konflikt um die mindestens 40 Flüchtlinge, die gegen den Willen des Berliner Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg in der Gerhart-Hauptmann-Schule verharren, gibt Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) die Verantwortung an Innensenator Frank Henkel (CDU) weiter. In einem Radiointerview sagte Herrmann: „Der Ball liegt beim Innensenator“.
Die verbliebenen Flüchtlinge verlangten eine Änderung des Asylgesetzes. Der Bezirk könne diese Forderungen jedoch nicht erfüllen, sondern mit den Betroffenen nur über einen Weg verhandeln, auf dem die Forderungen an die Politik herangetragen würden, so Herrmann.
Am Donnerstagmorgen setzten fünf Flüchtlinge und deren UnterstützerInnen die Verhandlungen mit drei Stadträten fort. Außerdem zugegen: Ein Polizeibeamter und ein Psychologe.
Am Dienstag hatte das von Herrmann geführte Bezirksamt damit begonnen, die seit Dezember 2012 von etwa 200 Flüchtlingen besetzte Schule zu räumen. 900 Polizisten aus vier Bundesländern sowie Beamte der Bundespolizei waren im Einsatz. Einige Flüchtlinge – nach Bezirksangaben etwa 40, nach Eigenangaben rund 80 Menschen - weigerten sich, die Schule zu verlassen.
Sie fordern Bleiberecht, einen Abzug der Polizei und Rückkehrmöglichkeiten in die Schule für diejenigen, die sie bereits verlassen haben. Außerdem verlangen sie, dass 70 Menschen dort bleiben dürfen – auch während die Schule, wie vom Bezirksamt geplant, in ein internationales Flüchtlingszentrum umgebaut werde.
Eine Räumung der Schule durch die Polizei wollte Herrmann nicht ausschließen. Bezirksstadtrat Knut Mildner-Spindler (Die Linke) hatte am Mittwochnachmittag allerdings zugesichert, dass zunächst nicht geräumt werde, solange sich die Lage nicht verändere.
Offiziell darf niemand zu den Verbliebenen
Teil der derzeitigen Lage ist: Offiziell darf niemand zu den Verbliebenen in die Schule. Auch nicht um ihnen Essen bringen. Baustadtrat Hans Panhoff (Grüne) begründete dies am Mittwoch mit der nach Bezirksansicht gefährlichen Situation in der Schule: In ihr befänden sich Molotowcocktails und mit Benzin überschüttete Barrikaden.
Unter diesen Umständen sei ein vollständiger Abzug der Polizeieinheiten keine Option. Panhoff zeigte sich aber sicher, dass die BesetzerInnen trotz der Zugangssperre bereits Mittel und Wege fänden, die Versorgung mit Nahrungsmitteln aufrecht zu erhalten.
Diese Vermutung scheint jedoch zu optimistisch zu sein. Während der Bezirks Nahrungslieferungen abblockt, ist die Versorgungslage in der Schule mangelhaft. „Die Menschen essen sehr wenig“, erzählt ein Unterstützer.
Derweil gehen die Proteste für die Flüchtlinge weiter. Am Mittwochabend zogen etwa 400 DemonstrantInnen vom Oranienplatz vor die Gerhart-Hauptmann-Schule. Die Polizei meldete vier vorläufige Festnahmen. Ansonsten sei die Demonstration weitgehend friedlich verlaufen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier