piwik no script img

Schulabschlussprüfung in Berlin abgesagtWeg mit den Daumenschrauben

In Berlin sind die schriftlichen Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss Corona-bedingt abgesagt. Ein zukunftsweisendes Modell.

Keine Klausuren in Berlin: Leeres Klassenzimmer des John-Lennon-Gymnasiums Foto: Annette Riedl/dpa

Diese Pandemie ist eine wahre Zumutung, und insofern ist es nur richtig, weitere Zumutungen, die das Leben sonst ohnehin bereit hält, zu minimieren. Prüfungen in der Schule, zum Beispiel, Abschlussprüfungen gar, sind eine solche Zumutung: Da sitzt man mit dem Stift in der Hand vor dem leeren Blatt und die eigene Contenance an dem Tag im Angesicht von Matheformeln und Textaufgaben entscheidet ganz wesentlich darüber, ob es was wird mit dem Ausbildungsplatz im Herbst oder auf dem Gymnasium.

Insofern ist es vernünftig, dass die Berliner Senatsbildungsverwaltung in diesem Jahr kein großes Federlesen mehr macht um die schriftlichen Klausuren zum Mittleren Schulabschluss – sondern sie einfach absagt. Lediglich die mündliche Präsentationsprüfung in einem Fach soll noch stattfinden. Die Abschlussklausuren in Mathe, Deutsch und einer Fremdsprache fallen ersatzlos aus. „Die Lehrkräfte können sich so besser auf die Wissensvermittlung im Unterricht konzentrieren, damit die Schüler in dieser besonderen Zeit gute Bildungsabschlüsse machen können“, hatte Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) gesagt.

Ob die Jugendlichen, beim Mittleren Schulabschluss in der 10. Klasse ist man so 15, 16 Jahre alt in Berlin, sich tatsächlich ohne Klausuren an den Schreibtisch setzen, sei mal dahingestellt. 2020, als die MSA-Klausuren auch schon coronabedingt ausfielen, waren die Abschlussnoten zwar ausnehmend gut (sie errechneten sich dann eben aus den schon erbrachten Leistungen im Schuljahr plus der mündlichen Prüfung).

Schule organisiert sich gerade neu

Aber vielleicht, so mutmaßten Kundige des Berliner Schulsystems (und Eltern von 16-Jährigen), liege das auch einfach daran, dass man hier ohnehin nichts Gescheites von den Kindern verlange. In Bayern soll so ein Berliner Schulabschluss ja quasi überhaupt rein gar nichts wert sein.

Bleibt abzuwarten, ob aus den Corona-Krisenjahren etwas Bleibendes erwächst: Warum nicht mal ernsthaft darüber nachdenken, ob man die Daumenschrauben Abschlussklausur noch braucht? Schule organisiert sich gerade, wenn auch gezwungenermaßen, an vielen Stellen neu. Lernen wir was draus. Und: Haben wir ein bisschen mehr Vertrauen in die 16-Jährigen. Meistens sind die, auch ohne dass man das nochmal prüfen müsste, ganz schön klug.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Ich möchte dem Artikel entschieden wiedersprechen. Ich habe zahlreiche Kinder durch den MSA begleitet - vorwiegend solche aus weniger mit Geld und Bildung gesegneten Familien und solche mit nicht-deutscher Muttersprache. Für die war der MSA ein Meilenstein - gerade durch das offizielle, für alle Berliner Schulen gleiche Prüfungsverfahren. Viele Jugendliche, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, empfindet es als eine Art Ritterschlag, wenn sie die gleiche Deutschprüfung bestehen wie alle anderen Berliner Zehntklässler*innen. Für meine Schüler*innen war es auch eine Möglichkeit, sich zu verbessern, denn in den MSA-Prüfungen zählt eben mal nicht das über Jahre hinweg erworbene Image des Migrantenkindes, das eh kaum über die Vier hinauskommt, ein Image, dass sich auf dem prüfungslosen Abschlusszeugnis aber sehr wohl niederschlägt. Das Abschlusszeugnis wirkt sich im übrigen mehr auf die Versetzung in eine weiterführende Schule aus als die MSA-Note.



    Darüber hinaus ist es einfacher, die MSA-Prüfung zu bestehen, als die zehnte Klasse erfolgreich abzuschließen. Es gibt daher eine Menge Schüler*innen, die, wenn es den MSA nicht gäbe, nach der zehnten Klasse ohne Abschlusszeugnis dastünden. (Das war der Fall beim Amokläufer von Erfurt, dessen Tat der Grund für die Einführung einer Abschlussprüfung unabhängig vom Jahreszeugnis war - eben des MSA). Mit einem MSA kann man sich auf einen Ausbildungsplatz bewerben, ohne ist man jemand mit abgebrochener Schullaufbahn.



    Das Meckern über den MSA kommt meistens von Eltern, deren Kinder sowieso ihren geraden Weg durchs Gymnasium zum Abitur gehen - und ja, die brauchen den MSA vermutlich nicht. Aber für die weniger privilegierten ist der MSA eine Chance.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Die Prüfungen abzusagen ist keine Lösung, weil wie Lowandorder schon richt bemerkt, eine Prüfung bildet nicht.



    Das Schuljahr muss wiederholt werden!



    Die Kinder haben fast nichts gelernt.



    Auch nicht die von Muttis mit Abitur und Hochschulabschluß zu Hause unterrichteten.

  • 1914 - Ein 34jähriger: ~ “Abitur ist so überflüssig wie ein Kropf!



    Statt in einem Alter - in dem der Mensch am lernfähigsten ist!



    Drei Jahre bereits gelerntes widerzukäuen - statt weiter Neues zu lernen!



    Nur um es in zwei Tagen besonders gut wiederzugeben!



    Ist ein großer Unsinn!“ o.s.ä.

    kurz - Albert Einstein - …anschließe mich •



    “ Einsteins Hauptwerk, die Relativitätstheorie, machte ihn weltberühmt. Im Jahr 1905 erschien seine Arbeit mit dem Titel Zur Elektrodynamik bewegter Körper, deren Inhalt heute als spezielle Relativitätstheorie bezeichnet wird. 1915 publizierte er die allgemeine Relativitätstheorie. Auch zur Quantenphysik leistete er wesentliche Beiträge. „Für seine Verdienste um die theoretische Physik, besonders für seine Entdeckung des Gesetzes des photoelektrischen Effekts“, erhielt er den Nobelpreis des Jahres 1921, der ihm 1922 überreicht wurde…“



    Er wußte wovon er sprach.



    Bei unseren unbelehrbaren Bildungsterroriste!



    Mit Verlaub - hab ich so meine Zweifel. Denn.



    “ "Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher." "Der gesunde Menschenverstand ist nur eine Anhäufung von Vorurteilen, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat."



    Danke - alte Hütte.