Schrott im Weltraum: Kosmischer Müllwerker am Start

Der Radar Gestra erkennt auch kleinste Partikel von Weltraumschrott – und kann Satelliten somit vor der Kollision bewahren.

Der Weltraumradar GESTRA auf einem Transportsystem

Einmalig in Europa: Der Weltraumradar Gestra wird in Koblenz aufgebaut Foto: Sascha Ditscher/imago

BERLIN taz | Es herrscht Unfallgefahr im Weltraum: Etwa 900.000 Schrottobjekte kreisen um die Erde, Tendenz steigend. Sie kreuzen die Umlaufbahnen von über 3.000 Satelliten. Dreiviertel der 8.000 Ton­nen Ma­te­ri­al be­fin­den sich im „Low Earth Or­bit“ zwi­schen 200 und 2.000 Ki­lo­me­tern Hö­he und gefährden Satelliten.

Bei Kollisionen können diese schon durch kleinste Teile beschädigt oder zerstört werden. Sie werden dann selbst zu neuem Weltraumschrott. 2009 gab es bereits eine schwere Kollision im All: Der US-Satellit Iridium-33 und der inaktive russische Cosmos-2251 stießen zusammen. Allein dieser Unfall verursachte mehr als 3.000 Schrottobjekte, die bis heute eine Gefahr für Satelliten darstellen und umflogen werden müssen.

Doch die Rettung naht: Ein neues Radarsystem namens Gestra wurde am Dienstag auf der Koblenzer Schmidtenhöhe eingeweiht und soll die Lage entschärfen. Es erkennt die Überbleibsel von Satelliten oder Raketen und sorgt somit dafür, dass steuerbare Satelliten ausweichen können.

Gestra steht für „Ger­man Ex­pe­ri­men­tal Space Sur­veil­lan­ce and Tracking Ra­dar“. Das Radarsystem setzt sich aus 256 jeweils einzeln elektronisch gesteuerten Sende- und Empfangseinheiten zusammen. Sie befinden sich in zwei getrennten Containern mit Dachkuppel. Dies, so das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), führe zu „geringerer Beeinflussung und damit zu einer höheren Empfangsleistung“. Und Gestra ist mobil: Seine kompakte Bauweise erlaubt auch den Transport des Systems.

„Weltweit einzigartiges Experimentalsystem“

Seit 2015 forschte und entwickelte das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik an dem 44,5 Millionen Euro teuren Projekt. Der neue Radar ist ein Teamplayer: Gestra kooperiert mit dem bereits in Betrieb genommenen Weltraumbeobachtungssystem Tira. Während Gestra Objekte aufspürt, um sie zu tracken, zu vermessen und zu katalogisieren, nimmt Tira sie im Anschluss genauer unter die Lupe. Auch die in etwa 400 Kilometern Höhe kreisende Internationale Raumstation ISS kann von den beiden gewarnt werden.

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, das Gestra gemeinsam mit der Deutschen Luftwaffe betreibt, spricht von einem „weltweit einzigartigen Experimentalsystem für mehr Sicherheit im Weltraum“. Damit mache sich Deutschland unabhängiger von der US-Raumfahrtbehörde Nasa. Diese erstellt einen globalen „Masterkatalog“, in dem Schrott und Satelliten verzeichnet sind. Die US-Satelliten werden dort allerdings meist nicht angezeigt – aus taktischen Gründen, wie das Fraunhofer-Institut schreibt.

Nun beginnt die Testphase für Gestra. Im ersten Quartal 2021 soll das System in den Vollbetrieb gehen. Gesteuert wird die Spitzentechnik, meist ohne Personal vor Ort, vom Weltraumlagezentrum in Uedem am Niederrhein. Von der kleinen Gemeinde aus kontrolliert die Bundeswehr den gesamten deutschen Luftraum und kann Alarmstarts von Kampfflugzeugen ­steuern.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.