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Schottland vor dem BrexitEin Referendum wird kommen

In Schottland scheint die Unabhängigkeitsbewegung neuen Auftrieb zu bekommen. Grund dafür ist die Unbeliebtheit des neuen Premier Boris Johnson.

Selfie mit Burg: Nicola Sturgeon, Erste Ministerin in Schottland, will das Referendum Foto: dpa

DUBLIN taz | Boris Johnson ist ein Glücksfall für die Scottish National Party (SNP). Seit er britischer Premierminister ist, will die Mehrheit der schottischen Bevölkerung unabhängig werden. Schottland hatte beim Brexit-Referendum 2016 mit 62 Prozent für den Verbleib in der Europäischen Union gestimmt.

Laut neuesten Umfragen von Conservative Home, dem Blog von Tory-Lord Michael Ashcroft, würden 52 Prozent in Anbetracht des drohenden harten Brexit für die Unabhängigkeit stimmen, wenn man die Unentschlossenen und die Nichtwähler herausrechnet. Eine Mehrheit ist außerdem dafür, einen solchen Volksentscheid binnen zwei Jahren abzuhalten.

Es ist das erste Mal seit dem verlorenen Referendum 2014, dass eine Mehrheit für die Unabhängigkeit ist. Wie repräsentativ diese Umfrage ist, weiß man aber nicht. Ashcroft hatte bisher keine Erhebungen zu diesem Thema gemacht, so dass Vergleichsmaterial fehlt.

Dennoch sagte die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon: „Das ist eine phänomenale Umfrage für die Unabhängigkeitsbewegung. Unabhängigkeit bedeutet, dass die Menschen in Schottland endlich die Regierung bekommen, die sie gewählt haben.“ Die Regionalregierung in Edinburgh hatte im Mai ein Referendumsgesetz ins Parlament eingebracht, bis Ende des Jahres soll es verabschiedet werden.

Offener Streit mit Johnson

Aber auch dann ist ein Unabhängigkeits-Referendum längst nicht beschlossene Sache. Laut Paragraph 30 des Schottland-Gesetzes muss die Regierung in London nämlich die Genehmigung dafür erteilen, und das lehnt Johnson ab. Die Chefin der schottischen Tories, Ruth Davidson, hat wegen Johnsons Neigung zu einem harten Brexit jedoch einen öffentlichen Streit mit ihm angezettelt. Deshalb ist ihre Beliebtheit in der Partei dramatisch gesunken.

Nach der vorgezogenen Wahl 2017, bei der sie ihre Partei vor Labour auf den zweiten Platz brachte und dadurch den Tories eine knappe Mehrheit in Westminster sicherte, fanden 84 Prozent der Tory-Mitglieder sie großartig. Seit dem Streit mit Johnson sind es nur noch 14 Prozent.

Andere Mitglieder der schottischen Tories wiederum würden sich wegen Johnsons Politik am liebsten von der Mutterpartei lösen. Das würde jedoch die Unabhängigkeitsbewegung stärken. Der Mehrheit der Tory-Wähler in England wäre das egal. 57 Prozent finden, dass der Brexit das Ende der Union mit Schottland wert sei.

Und die Labour Party? Der Finanzminister im Labour-Schattenkabinett, John McDonnell, hat erklärt, er würde den Schotten ein Referendum gewähren, falls die Regionalregierung in Edinburgh das wünsche. Labour-Chef Jeremy Corbyn sei der gleichen Meinung, fügte er zum Entsetzen der schottischen Labour Party hinzu.

„Die Unionisten zerfleischen sich“

McDonnels Kalkül ist offenbar, dass seine Partei bei den nächsten Parlamentswahlen, die schon bald stattfinden könnten, keine absolute Mehrheit erringen werde. Um als Minderheitsregierung zu funktionieren, benötigte Labour dann die SNP. Deren Mandate fielen bei einem erfolgreichen Unabhängigkeitsreferendum allerdings weg.

Sturgeons Stellvertreter Keith Brown sagte: „Das genaue Datum für ein Referendum steht noch nicht fest, aber wir wissen, dass es kommen wird. Wir haben ein Mandat, das Referendumsgesetz ist in Vorbereitung, und die unionistischen Parteien zerfleischen sich gegenseitig.“

Sollten die SNP und die Grünen, die ebenfalls für die Unabhängigkeit sind, bei den nächsten Wahlen die absolute Mehrheit der schottischen Stimmen erringen, könnte London ein Referendum nicht verweigern, glaubt Brown.

Das könnte Johnson aber doch, vor allem, wenn er die Unterhauswahlen deutlich gewinnt. Juristische Experten meinen zwar, dass die schottische Regierung dennoch das Recht hätte, ein Referendum abzuhalten. Doch sie könnte ein Ergebnis für Unabhängigkeit nicht umsetzen.

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