Schottische Küche mit Schokoriegeln: Fritte Schnitte
In schottischen Pommesbuden werden nicht nur Fish 'n' Chips frittiert, sondern auch Schokoriegel. „Nach Hausfrauenart“, heißt das in Berlin.
Die Schotten sind das seltsamste Völkchen Europas. Sie tragen Karo-Röcke, tanzen im Kreis und blasen dazu auf Dudelsäcken. Mehrmals im Jahr richten sie im schottischen Hochland Spiele aus, bei denen sie mal mit Hämmern, mal mit Baumstämmen werfen.
Erklären lässt sich das nur mit den widrigen Lebensbedingungen: In der kargen Ödnis düsterer Moorlandschaften lebten die Schotten über Jahrhunderte abgeschieden von der Welt, mit ihren einzigen Nachbarn, den noch sonderbareren Engländern, seit je verfeindet. Und wie sonst sollte sich dieser seltsame Volksstamm die lange Winterweile vertreiben, als dadurch, immer ausgefallenere kulinarische Kuriositäten zu ersinnen – etwa gebratene Moorhühner und Schafsmagen?
So muss auch die seltsamste aller schottischen Seltsamkeiten entstanden sein: der deep-fried Mars bar – ein frittierter Marsriegel. Es ist nicht überliefert, warum der Besitzer der Carron Fish Bar im schottischen Aberdeenshire 1995 erstmals einen Schokoriegel in Bierteig wälzte und in die Fritteuse warf, in der er sonst Fish ’n’ Chips briet. Die schottischen Kinder jedenfalls liebten den Mars bar, und die Zeitungen auch. Für die Gesundheitswächter war der Bratriegel ein – Ernährungsmetapher! – gefundenes Fressen: zu fett, zu zuckrig, zu kohlenhydrathaltig.
Die Zutaten: 150 Gramm Mehl, 1/2 Teelöffel Backpulver, 160 Milliliter Weißbier, 1,5 Liter Öl, 10 Schokoriegel.
Die Zubereitung: Mehl, Backpulver und Bier zu einem Teig verrühren und eine Viertelstunde kühl stellen. Das Öl in einem großen, tiefen Topf erhitzen oder die Fritteuse vorheizen. Die gekühlten Schokoriegel in den Teig tauchen und zwei bis drei Minuten frittieren. Anschließend auf Küchenkrepp abtropfen lassen.
Dabei boten laut einer Studie aus dem Jahr 2004 gerade mal 66 von 627 schottischen Pommesbuden den Frittenriegel an. Doch auch wenn ihn nicht jeder mochte – der Mars bar machte Karriere: Die Kunden verlangten plötzlich frittierte Cremeeier, Tiefkühlpizzas und Snickers. Das führte dazu, dass sich vor zwei Jahren der Erfinder des Marsriegels öffentlich von der frittierten Version distanzierte: Seine Firma setze sich für einen „gesunden, aktiven Lebensstil“ ein.
Trotz der Vorbehalte hat es der frittierte Marsriegel mittlerweile auch nach Deutschland geschafft, genauer gesagt ins Room 77 in Berlin-Kreuzberg, ein „Restaurant am Ende des Kapitalismus“ heißt es auf der Internetseite. Und: Hier gibt es „warmes Bier, kalte Frauen und Fast-food, das langsam gekocht wird“. Zu Letzterem gehört auch der einzige Nachtisch auf der Karte: Der deep fried Mars bar „nach Hausfrauenart“, serviert mit Roter Grütze, Schlagsahne und frischer Minze. Sophisticated!
Wie getrocknete Schweineschwarte
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Das Ergebnis ist eine überraschend attraktive Mischung, die allerdings vor allem von den geschmackvollen Beilagen profitiert. Denn der eigentliche Protagonist, der Schokoriegel in Fettkruste, ist so unappetitlich, wie man ihn sich vorstellt. Äußerlich erinnert er an getrocknete Schweineschwarten, wie man sie in England im Supermarkt als Snack kaufen kann.
Aber: Wer sich einmal überwunden hat, wird überrascht sein, wie leicht die Gabel im luftig-weichen Teigmantel des Mars bar versinkt. Nicht hart wie beim Trockenfleisch ist die Kruste, sondern knusprig-weich, eher wie bei frittierten Teigtaschen. Dort, wo die Gabel bereits die goldbraune Hülle durchstoßen hat, ergießt sich ein Schwall warmer Schokolade und flüssigen Karamells über den Teller. In Verbindung mit der Roten Grütze und der Schlagsahne schmeckt das nicht schlecht, die frische Minze hinterlässt einen angenehmen Nachgeschmack.
Nur Minuten später liegt die „Bombe“ – wie der Koch selbst das Gericht im Vorbeigehen nennt – schwer im Magen. Was bei knapp 1.000 Kalorien pro Portion auch kein Wunder ist. Mehr als einmal muss man sich das nicht antun.
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