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Schockbilder auf ZigarettenschachtelnRauchen wird unästhetischer

Das Kabinett setzt eine EU-Richtlinie um und beschließt diverse Maßnahmen, um die Zahl der Raucher zu senken – darunter ein Verbot von Mentholzigaretten.

So könnte das dann aussehen: Diese Zigarettenschachteln wurden 2012 auf der Branchenmesse intertabac ausgestellt. Foto: dpa

Berlin dpa | Raucher müssen sich vom kommenden Frühjahr an auf Schockfotos und größere Warnhinweise auf Zigarettenschachteln einstellen. Von Mai 2016 an sollen zwei Drittel der Vorder- und Rückseite von Zigaretten- und Drehtabak-Verpackungen für kombinierte Warnbilder und aufklärende Texte reserviert sein – weit mehr als bisher schon. Einen entsprechenden Gesetzentwurf (PDF) von Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) hat das Bundeskabinett an diesem Mittwoch in Berlin beschlossen.

Minister Schmidt sprach anschließend im Bundestag von einem „ausgewogenen Regelungswerk“. Im Zentrum stehe ein besserer gesundheitlicher Verbraucherschutz. Zigaretten seien aber weiter ein legales Produkt – deshalb werde es kein Produktionsverbot geben.

Eine großer Teil der in Europa hergestellten Zigaretten kommt aus deutschen Werken. Eine Ausweitung des schon bestehenden Werbeverbots wird in einem separaten Gesetz geregelt. Deutschland und Bulgarien sind die einzigen EU-Länder, in denen es noch kein umfassendes Tabakwerbeverbot gibt. Schmidt erklärte die Verzögerung mit der Notwendigkeit einer sehr intensiven Abstimmung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen derartige Verbote.

Der Deutsche Zigarettenverband kritisierte die Gesetzespläne: „Das von der Bundesregierung verfolgte Ziel einer Senkung der Raucherquote von Jugendlichen wird bereits mit der bestehenden Regulierung ohne Schockbilder und Totalwerbeverbote erreicht.“ Deren gesundheitspolitische Wirksamkeit sei ohnehin nicht nachgewiesen.

Krebsbefallene Lungen und faulende Raucherbeine

Die 2014 ausgehandelte EU-Richtlinie für Tabakprodukte (PDF) muss bis 20. Mai 2016 in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Vorgaben: Ob krebsbefallene Lungen, faulende Raucherbeine oder geschwärzte Zahnstümpfe – Gruselbilder und abschreckende Warnungen auf einem Großteil der Packungen sollen die Lust an der Zigarette dämpfen. Erzeugnisse, die nach den alten Regelungen bis Mai 2016 hergestellt wurden, können ein Jahr lang weiter abverkauft werden.

Aromen, die den Tabakgeschmack überdecken, müssen vom Markt verschwinden. Für Mentholzigaretten gilt eine Übergangsfrist. Kleine Verpackungsgrößen sind für bestimmte Tabakwaren verboten, auch „irreführende Elemente auf Verpackungen“. Um Fälschungen vorzubeugen, müssen Verpackungen zudem künftig ein individuelles Erkennungs- und ein fälschungssicheres Sicherheitsmerkmal tragen. Für neue Tabakerzeugnisse wird ein Zulassungsverfahren eingeführt.

Neu sind auch Regelungen für „E-Zigaretten“, bei denen eine Flüssigkeit verdampft und inhaliert wird. Für diese elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehälter soll es auch Werbeverbote geben.

Rund 110.000 Todesfälle pro Jahr

Ziel ist es, die Raucherquote von Jugendlichen zu senken. Auch sollen „Fälle der vorzeitigen Sterblichkeit“ verringert werden. Etwa 110.000 Todesfälle pro Jahr seien in Deutschland unmittelbar auf das Rauchen zurückzuführen, heißt es in einer Kabinettvorlage. Die direkten und indirekten Kosten des Rauchens würden auf 79,09 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt.

Die Zigarettenindustrie pocht auf eine längere Frist zur Umstellung ihrer Produktion von Verpackungen mit kombinierten Warnhinweisen und -bildern. Sie argumentiert, dies sei wegen Verzögerungen auch in Brüssel bis Mai nicht mehr zu schaffen. Schmidt verwies in diesem Zusammenhang auf die nun anstehenden Parlamentsberatungen. Er habe den Gesetzentwurf aber entsprechend der EU-Vorgaben vorgelegt.

Die Grünen warfen der Regierung vor, keine Gesamtstrategie zur Reduzierung des Tabakkonsums zu verfolgen. Der Sprecher für Drogen- und Suchtpolitik der Grünen-Fraktion, Harald Terpe, sagte: „Werbebeschränkungen für Tabakprodukte sind längst überfällig.

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21 Kommentare

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  • Ich fand diese Bilder ja so lange eine gute Idee bis ich mal in einem Land war, wo das schon Gesetz ist. Der Weg zur Kasse ist gesäumt mit Bildern, die Filme direkt auf den Index wandern lassen würden. Und diese Bilder kriegen natürlich alle zu sehen. In Zukunft werde ich also nicht nur passiv rauchen sondern auch noch passiv mit würgereizerregenden Scheißbildern zugeschmissen. Ganz große Klasse.

  • Ich finde das mit den Bildern okay. Wer keine Vorstellung von der Realität hat, sollte das Rauchen ebenso unterlassen wie ein Medizinstudium oder andere belastende Dinge.

     

    Mich würde aber interessieren, wie sich Parteien, die ansonsten für eine liberalere Drogenpolitik eintreten dem Verbot von Mentholzigaretten sich gegenüber verhalten. Die Linke im EU-Parlament hat diesen Unsinn mitgetragen, weshalb ich sie dort nicht mehr wähle. Es entlarvt nämlich ihre Forderung nach Hanf-Freigabe als Lüge.

  • Dann mal auch auf Zeitungen den Aufdruck : " Vorsichtig , zuviel lesen schädigt ihre Augen: Ab drei Zeitungen am Tag und dann nach fünf Jahren, brauchen sie eine Brille!"

    Hans-Ulrich Grefe

  • Es gibt bekanntermaßen Überzieher für Zigarettenschachteln, ferner auch vornehme Zigarettenetuis. Mal sehen, wann die Leberzirrhosefotos auf den Schnapsflaschen kommen.

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Kann mir nicht vorstellen, dass ein Päckchen Zigaretten die Lunge mehr schädigt als eine Episode Star Wars das Gehirn. Trotzdem müssen sich Kinobesucher keinen Wookie-Pimmel oder Han-Solo-Zungenbelag angucken.

  • RaucherInnen sind Helden. Sie verschenken im Durchschnitt 10 Jahre ihres Lebens und zahlen dafür sogar viel Geld.

     

    Danke!

     

    Ohne Euch müssten die Jüngeren unter uns noch länger arbeiten, also bitte nicht nachlassen und tief inhalieren.

     

    Wer Sarkasmus entdeckt kann ihn behalten.

    • @Gesunder Menschenverstand:

      Das sehe ich genauso.

      Man stelle sich vor, es gäbe Sozialversicherungskassen von Rauchern und Nichtrauchern. Die Raucher würden zwar viel mehr rankenversicherung bezahlen (Ungefähr das, was sie heute an Tabaksteuern bezahlen.), aber sie könnten mit 50 in Rente gehen und die Rente würde für mehr als nur HartzIV reichen.

       

      Rotgrün hat mit den Hartzgesetzen alles dafür getan, dass sich gesund leben und alt werden nicht mehr lohnt. Rauchen rettet vor Verelendung.

    • @Gesunder Menschenverstand:

      Also, wenn´s Bein schon mal runter ist, sollte der elektr. Rollstuhl als kleine Danksagung doch deshalb schon mal drin sein.

      Leider kommt der daraus resultierende Opferismus Süchtigen durchaus entgegen.

  • Dieses Plakatieren macht gerade noch Sinn, wenn man konsequenter Weise alle erheblichen Gesundheitsgefahren kennzeichnet. In D sterben jedes Jahr so 1 Mio Menschen. 1/10 derer stirbt nach Angaben des Artikel an den Folgen des Rauchens. Der "Rest" stirbt höchstwahrscheinlich nicht gesund. Da wären noch Alkohol, Stress, sich im öffentlichen Verkehr bewegen, wenig bewegen,gefährliche Sportarten, Medikamente, allgemein die Einsamkeit und falsche Ernährung.

    Ich stelle mir mal eine Verpackung für Schweinekotlett vor, auf der die Folgen von Diabetis M. bildlich aufgedruckt sind, wie Erblindung, Fußamputation, Nierenversagen, Zuckerschock etc.

    Wenn der Staat daran interessiert ist, dass seine Bürger sich eines langen Lebens erfreuen können, müsste er konsequent auf alle Risiken hinweisen. Das Rauchen ist nur eine Facette davon. So bleibt es eine Pseudobekümmertheit, da der Staat offensichtlich verbergen will, dass er nicht imstande ist, die Rahmenbedingungen für ein selbstbestimmtes, eigenverantwortliches Leben seiner Bürger zu setzen. Es bleibt reine Symbolpolitik und by the way: Gegen die langlebige Räucher-Vita eines H. Schmidt kommt die Kampagne sowieso nicht an.

    • @lions:

      Das Argument "gegen X vorzugehen ist unsinnig, wenn man nicht auch gegen Y und Z unternimmt" ist einfach keines, wenn die in keinem direkten Zusammenhang stehen. Denn damit ließe sich letztlich gegen alles argumentieren (etwa: gegen Ackergifte muss man nichts machen, solange man Abgaswerte fuer Autos nicht senkt).

       

      Zu Verweisen auf Einzelfälle bei Argumenten über allgemeine Gesundrisiken muss man hoffentlich nichts weiter sagen, außer dass sie in diesem Zusammenhang komplett belanglos sind.

       

      Da der Vergleich mit Alkohol häufiger angebracht wird: Im Gegensatz zum Nikotin macht Alkohol nicht nach kurzer Zeit stark abhängig. Dem gelegentlichen (gar täglichem) Glas Rotwein werden netto gar positive gesundliche Effekte zugesprochen. Gelegenraucher hingegen, die dies auch schaffen zu bleiben, muss man mit der Lupe suchen.

      • @Trollator:

        Da steht nichts davon, dass der Staat oder wer auch immer nichts dagegen unternehmen soll. Lesen Sie nochmal !

        Ich rede lediglich von Inkonsequenz, auch in Bezug auf verbreiteten Alkoholismus.

         

        "Da der Vergleich mit Alkohol häufiger angebracht wird: Im Gegensatz zum Nikotin macht Alkohol nicht nach kurzer Zeit stark abhängig.! "

         

        Da mag für Sie zutreffen, doch Verallgemeinerungen sind nicht angebracht. Ein psychisch labiler Mensch, gerade Jugendliche fahren sehr schnell drauf ab und die Eskalation der Sucht in Bezug auf das Leben übertrifft alles, was das Rauchen zu bieten hat.

        Und noch was: Ein Alkoholiker bleibt trocken meist lebenslang in hoher Suchtgefahr. Ausstieg aus der Nikotinsucht scheint erfolgversprechender.

        Ich finde Ihre Quasi- Relativierung von sehr verbreiteter Alkoholsucht, total besch....en.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Rauchen ist sicher nicht ungefährlich, aber es grenzt schon an Volksverdummung, wenn eine Regierung gegen den Tabakkonsum mit erschröcklichen Bildern vorgeht, aber nicht willens ist, eine Ampel für Lebensmittel einzuführen. Das Rauchen dient schlicht als Sündenbock für all die anderen schädlichen Substanzen, die wir mit den sogenannten Lebensmitteln zu uns nehmen (müssen).

  • Solange Tabakprodukte in Deutschland immer noch in Supermärkten und an jeder Straßenecke an Automaten erhältlich sind, ist das alles nur ein Witz, ganz abgesehen von der immer noch allgegenwertigen Werbung.

    • @EDL:

      Richtig ! Und die endlosen Spirituosenregale und Fleischtheken nicht vergessen.

      • @lions:

        Ja schlimm diese Fleischdrogen und was man noch alles so rauchen kann. Selbst die dpa denkt das geht nur mit Tabak, kruzifix aber auch.

  • Bitte nicht schon wieder das Märchen von den Kosten, die Raucher angeblich verursachen. Raucher zahlen Tabaksteuer und Mehrwertsteuer,. Auch die Mitarbeiter in der Tabakindustrie und im Vertrieb von Zigaretten zahlen Steuern, ebenso wie die entsprechenden Firmen.. Vor allem aber verursachen Raucher erheblich weniger Kosten für die Rentenversicherung. Und die Kosten für die Krankenversicherung werden dadurch aufgewogen, dass Nichtraucher länger leben, und diese Nichtraucher gerade auch in diesen zusätzlichen letzten Lebensjahren viele Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung verursachen.Beispielsweise steigt die Wahrscheinlichkeit einer kostspieligen Altersdemenz mit zunehmendem Lebensalter.

    • @vulkansturm:

      Sehr richtig, denn Raucher erfreuen sich auch bis zu ihrem plötzlichen früheren Rauchertod bester Gesundheit ... und was ist das doch für ein wichtiger und richtig toller Wirtschaftszweig, an dem jedes Jahr zigtausende zu Grunde gehen.

       

      Oh Mann ... was wäre die Welt ohne Selbstbetrug ... vermutlich auch eine gesündere.

      • @EDL:

        Jedem Raucher ist mittlerweile klar, welche gesundheitlichen Risiken mit dem Rauchen verbunden sind. Wo ist da also ein Selbstbetrug? Wie wäre es mal damit, etwa den Autofahrern die Risiken des Straßenverkehrs bewusst zu machen, in dem man die Autoindustrie verpflichtet, großflächig Bilder von Verkehrsopfern auf den Autos anzubringen?

        • @vulkansturm:

          endlich mal eine vernünftige idee...

        • @vulkansturm:

          Inwieweit Rauchern mit den Aenderungen zu helfen ist, ist natuerlich fraglich. Schliesslich kaempft man gegen eine stark suechtig machende Droge an.

           

          Aber wie auch im Artikel beschrieben, ist das Ziel, insbesondere die (noch) nicht abhaengigen Jugendlichen zu erreichen.

        • @vulkansturm:

          Oder die Kennzeichnung der aktuell erhöhten Emissionen von deutschen Autos. Auch eine Inhalationsvariante zur Aufnahme von Schadstoffen.