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■ SchnittplatzMehr „Ekel-TV“!

Unter Anständigen ist man schnell einig, daß es allerhand unschöne Dinge gibt. Da ist einmal die Welt. Da gibt es Menschen, die sehr viel Alkohol trinken, Menschen, die sehr viel sehr laute Musik hören und auch Jugendliche, die Gefallen daran finden, sich ihre Pimmel zu zeigen. Damit findet man sich ab. Nun kommen wir zum Fernsehen. Da gibt es besoffene halbnackte Schauspielerinterviews, Tittenfilme, wir ersparen uns hier die weitere Aufzählung. Doch mit dem Fernsehen ist es so eine Sache. Es soll doch mindestens immer ein bißchen wertvoller sein als die Welt, ein wenig ewiger als der ganze banale Kram.

Nun gibt es da in Berlin den Offenen Kanal. Weil er sich als Bürgerfernsehen versteht, ist er manchmal der Welt in ihrer Banalität ganz schön nah. Nachdem dort am Wochenende ein abgefilmter Saufabend einiger Prenzlberger Punks zu sehen war, war der Teufel los. Obwohl der Film so langweilig war wie das Leben: Dicke, tätowierte Menschen tranken sehr viel Kümmerling, hörten sehr viel sehr laute Musik, kotzten ein wenig und zeigten sich ihre Pimmel. Auch einige Nazi-Sprüche waren wohl zu hören, aber das war eine „zynische Parodie“, wie ein Mann bei der Medienanstalt wußte. Dennoch: Bürger Gerhard S. beschäftigt nun das Landeskriminalamt mit der Sache. Und die BZ, eine Zeitung, in der auch nicht nur schöne Dinge stehen, schrieb: „Ekel-TV: Sie trieben es mit sich selbst.“ Die CDU will den Laden zumachen.

Immer, wenn irgendwo im Offenen Kanal Neonazis, Punks oder andere Exhibitionisten zu sehen oder hören sind, geht das Geschrei los. Sogar Grüne lassen sich dann gern zitieren, man müsse den emanzipatorischen Versuch abblasen, wenn ihn nicht nur freundliche Bürgerinitiativen nutzen. Egal, wie absurd oder banal es ist, egal, wie viele Sender es mittlerweile gibt – was im Fernsehen kommt, hat noch immer institutionellen Charakter. Mit der allenthalben behaupteten Entautorisierung des Mediums kann es noch nicht so weit sein. Und das Unbehagen am Fernsehen sucht sich immer die schwächste Stelle – den Offenen Kanal. Etwas gegen die Ekligkeit von Sat.1 zu sagen, ist ja auch nicht mehr richtig originell.lm

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