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Schlichtung im "Stuttgart 21"-StreitAktivisten akzeptieren Friedenspflicht

Entgegenkommen im "Stuttgart 21"-Streit: Die Gegner des Projekts sind ohne generellen Baustopp zu Gesprächen bereit. Auf die Vergabe neuer Bauaufträge müsse aber verzichtet werden.

Im Namen des Mappus: Schlossgarten in Stuttgart. Bild: dpa

STUTTGART afp/dapd | Die Gegner des Bahnprojekts "Stuttgart 21" sind zu ergebnisoffenen Gesprächen mit dem als Vermittler eingeschalteten früheren CDU-Generalsekretär Heiner Geißler bereit. "Man kann mit uns auch über eine Friedenspflicht reden, wenn Herr Geißler seinen Auftrag ernst nimmt", sagte Gangolf Stocker, einer der Sprecher der Projekt-Gegner. Geißler hatte die Konfliktparteien zuvor in der "Süddeutschen Zeitung" aufgefordert, während der Schlichtungsgespräche eine "Friedenspflicht" einzuhalten und auf "Kampfmaßnahmen" zu verzichten".

Stocker sagte, das Aktionsbündnis gehe nun "Geißler ein Stück weit entgegen" und verzichte auf die Forderung nach einem Baustopp während der Gespräche. Die Projektbetreiber sollten laut Stocker allerdings zusagen, während der Gespräche auf den Abriss des verbleibenden Bahnhofsflügels, Baumfällarbeiten und die Vergabe weiterer Bauaufträge verzichten. Die beiden ersten Punkte hatte Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) in seiner Regierungserklärung am Mittwoch bereits zugesagt.

"Wir akzeptieren Geißlers Schlichterspruch, wenn er ernsthaft und unabhängig vermittelt", hob Stocker hervor. Er sei sich jedoch sicher, dass die Verhandlungen "in Austiegsgesprächen landen" werden. "Wir haben die besseren Argumente, da gehen wir selbstbewusst rein", sagte Stocker.

Geißler hatte von den Konfliktparteien während der anstehenden Schlichtungsgespräche Zurückhaltung gefordert. "Bei jeder Schlichtung gibt es eine Frist, innerhalb der die Verhandlungen abgeschlossen werden müssen. Solange geredet wird, gibt es eine Friedenspflicht", sagte Geißler der "Süddeutschen Zeitung". Wie auch im Arbeitsrecht müsse jede Seite auf "Kampfmaßnahmen" verzichten. Er werde sofort sein Mandat niederlegen, sollte klar werden, dass man ihn "nur pro forma" eingesetzt habe, sagte der 80-jährige CDU-Politiker.

Eine Schlichtung im erbitterten Streit wird nach Auffassung des FDP-Verkehrsexperten der Bundestagsfraktion, Oliver Luksic, äußerst schwer zu erreichen sein. Es werde schwierig, die Positionen zusammenzuführen, da es zwei Extreme gebe, sagte Luksic am Donnerstag im Deutschlandfunk. "Herr Geißler hat eine sehr schwierige Aufgabe, weil die Unterschiede doch sehr groß sind", fügte er hinzu.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag von Baden-Württemberg, Claus Schmiedel, befürwortet das Projekt und kann sich eine Lösung in dem Konflikt nicht vorstellen. "Ich hoffe natürlich, dass die Gegner irgendwann sagen: Wir sehen es ein. Aber für mich ist das überhaupt nicht absehbar", sagte Schmiedel im Deutschlandfunk. Man könne den Bahnhof nicht nur "ein bisschen" unter die Erde bringen, sondern entweder ganz oder gar nicht.

Die SPD hält Schmiedel zufolge weiterhin an der Idee einer Volksabstimmung fest, um bei dem Streit Klarheit zu schaffen. "Wir schlagen vor, die Entscheidung in die Hand des Volkes zu übergeben", sagte er. Die Argumente für "Stuttgart 21" seien so überwältigend, dass er "überhaupt keinen Zweifel habe", dass die Mehrheit der Bürger in Baden-Württemberg für das Projekt stimmen würde.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) hatte im Streit um das Bahnprojekt "Stuttgart 21" am Mittwoch Geißler als Vermittler vorgeschlagen.

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6 Kommentare

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  • J
    Judith

    Aus der Pressemitteilung des Aktionsbündnisses:

     

    "Das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 begrüßt, dass Heiner Geißler als Vermittler in der Auseinandersetzung um das Projekt Stuttgart 21 alle Informationen, alle Argumente, alle Fakten, alle Zahlen und alle Einschätzungen ernsthaft auf den Tisch legen will.

     

    Damit könnte endlich die mit Fakten und fachlichen Informationen untermauerte sachliche Auseinandersetzung um das Projekt Stuttgart 21 stattfinden, die wir schon lange für notwendig erachten.

     

    Wir begrüßen auch, dass Heiner Geißler ergebnisoffene Verhandlungen will ohne die Bedingungen, die Ministerpräsident Mappus gestern diktieren wollte. Ohne Vorbedingungen heißt, es geht nicht um Kosmetik, sondern es geht darum, ob der Tiefbahnhof gebaut wird oder nicht.

     

    Solange geredet wird, müsse es Friedenspflicht geben - mit dieser Auffassung hat Herr Geißler recht. Das bedeutet, dass in dieser Zeit Bau- und Vergabestopp herrschen muss und von der Schaffung irreversibler Tatsachen abgesehen wird. Beim geforderten Verzicht auf Kampfmaßnahmen sehen wir die Befürworter des Projekts angesprochen. Eine Demonstration ist keine Kampfmaßnahme, sondern demokratisches Grundrecht."

  • GS
    Gerd Schenk

    Die SPD kann man vergessen; billig auf den Volksentscheid schielen, dann u.U. sagen, wir fügen uns dem Entscheid und dann gut dastehen wollen, vorher aber nicht klar Stellung zu beziehen....

    Für mich als bisheriger CDU Anhänger ist diese SPD keine Alternative; wobei ich aus persönlichem Erleben weiss, dass im Kreisverband Böblngen der Standpunkt der SPD Spitze eben nicht geteilt wird, manche SPD-Ortsverbände sagen, unter diesen Umständen für die SPD keinen Wahlkampf mehr machen zu wollen....

  • MD
    Martin D.

    Friedenspflicht heißt:

     

    Baustopp und Vergabestopp und andererseits weiterhin friedliche Demos wie bisher auch schon. Auf der Gegnerseite von S21 muß sich also nichts ändern. Wenn einzelne Spinner Pfefferspray gegen die Polizisten sprühen, dann sollen diese ihren Job machen, nämlich denjenigen festnehmen, aber nicht kollektiv Gewalt gegen die restlichen 99,99% friedlichen anwenden.

  • A
    Amos

    Ohne generellen Baustopp Gespräche zu führen ist widersinnig. Das lässt zu tief durchblicken. Man setzt voraus das weiter gebaut wird. Soweit, dass man keinen

    Rückzieher mehr rechtfertigen kann, ohne zuzugeben, dass man eine "Kathedrale in die Wüste gesetzt hat".

    Fazit: "Wie haben jetzt soundsoviel Geld vom "braven Steuerzahler" investiert, dass wir jetzt nicht mehr zurück können. Heiner Geißler dient nur dazu das Volk zu beruhigen, damit man ohne Proteste weiter bauen kann. Es ist schon traurig, für wie dämlich man das Volk hält. Auch eine repräsentative Demokratie muss sich an demokratische Werte halten. Merkel sollte in ihren Kreisen eine neue Partei gründen und sich nicht Kanzlerin aller Deutschen nennen.

  • KD
    Karl der Juchtenkäfer

    Es wäre schön, wenn Herr Mappus, Herr Schmiedel , Frau Gönner , Frau Merkel wieder zu einer sachlichen Argumentation zurückfinden.

     

    Indes, daran fehlt mir der Glaube.

     

    Was die sich so alles erlaubt/ herausgenehmen., dagegen ist STefan Kunz ( was erlauben Strunz) ein schüchterner "Waisenjunge".

     

    Die behaarliche Weigerung.. den Naturschutz, die immer höheren Kosten ( s. auch Bundesrechnungshof) diverse Gutachten über Risiken, den Denkmalschutz,.. das historische Stadtbild, Urheberrechte, das Demonstrationsrechte, Das REcht auf körperliche Unversehrtheit.., Das Grundgesetz, ..das Prinzip der Bürgerbeteiligung,.. anzuerkennen..ist nicht entschuldbar.

     

    Da können nur noch ordentliche Gerichte helfen oder eben..ein Volk, oder eben die Abwahl der sog. "Verantwortlichen".

     

    Oder aber: Wir rufen eine "WildWestRepublik" aus , in der wirklich jeder machen kann, was er will.

  • NT
    Norbert Trageser

    Die ganzen Demonstrationen um den Bahnhofsbau ist überwiegend ein Stellvertreterstreit. Tatsächlich geht es um die abgehobene, arrogante Parallelgesellschaft, die sich schwarz-gelbe Koalition nennt.

    Würde Frau Merkel morgen - warum auch immer - Neuwahlen ausrufen, könnte man in Stuttgart einen Flugplatz mitten in die Stadt bauen. Das würde niemanden kratzen.

    Wenn es wirklich um Bäume, Denkmalschutz und verbuddelte Milliarden ginge, hätte man sich seit 15 Hagren aufgeregt.