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Reaktion auf Kurswechsel des BundesSchleswig-Holstein will die Energiewende retten

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche will Gaskraftwerke ausbauen und die Strommenge aus Wind und Sonne reduzieren. Kiel kündigt Widerstand an.

Sollen nicht von der Bundeswirtschaftsministerin ausgebremst werden: Windräder wie hier bei Leck in Schleswig-Holstein Foto: dpa | Frank Molter

Rendsburg taz | Schleswig-Holstein setzt weiter auf Strom aus Wind und Sonne. Damit stellt sich die schwarz-grüne Landesregierung gegen den Zehn-Punkte-Plan von Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). In einer Aktuellen Stunde wird das Parlament am Donnerstag in Kiel über den Umgang mit der Energiewende-Wende reden.

„Marktorientiert“, „kosteneffizienter“ und „technologie­offen“ sind Begriffe aus dem Zehn-Punkte-Plan, den Reiche Mitte September vorstellte. Unter anderem will die Bundeswirtschaftsministerin, die vor ihrer Berufung ins Kabinett von Kanzler Friedrich Merz (CDU) als Managerin der Eon-Tochter Westenergie tätig war, wieder Gaskraftwerke ausbauen. Sie beruft sich dabei auf einen Monitoring-Bericht, den die Merz-Regierung in Auftrag gegeben hatte.

Doch aus diesem Bericht ließen sich Reiches Vorschläge gar nicht ableiten, sagt Lasse Petersdotter, Fraktionschef der Grünen im Kieler Landtag. Auf rund 250 Seiten nennen die Fachleute zwar Probleme – grundsätzlich aber stellen sie die Energiewende nicht infrage. Reiche aber möchte die Gesamt-Strommenge, die im Jahr 2030 durch Wind oder Sonne erzeugt werden soll, verringern.

„Damit kalkuliert die Wirtschaftsministerin offenbar ein, dass die Wirtschaft kein bisschen wächst“, sagt Petersdotter. Als Arbeitszeugnis wäre das „herausragend unambitioniert“. Petersdotter kündigt Widerstand an: „Schleswig-Holstein wird die Aufgabe haben, im Bundesrat den Rückbau der erneuerbaren Energien zu verhindern.“

Meine Erwartungshaltung ist, dass der erfolgreiche Weg der Energiewende fortgesetzt wird

Daniel Günther, CDU-Ministerpräsident Schleswig-Holstein

Das Land zwischen den Meeren hat früh auf Wind und Sonne gesetzt. Heute hängen rund 20.000 Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein direkt von erneuerbaren Energien ab, heißt es vom Landesverband Erneuerbare Energien (LEE). Auch der wirtschaftliche Beitrag der Branche ist groß: Im Jahr 2022 beliefen sich die Gewerbesteuerzahlungen auf rund 140 Millionen Euro, 2023 auf etwa 95 Millionen Euro. Petersdotter nennt angesichts dieser Zahlen die Pläne der Bundesministerin „ein Standortrisiko für Schleswig-Holstein“. Von der Koalitionspartnerin CDU erwarte er, „dass sie sich auf die Seite des Landes und damit der erneuerbaren Energie stellt“.

Bei der Branchenmesse „Husum Wind“ meldete sich bereits Ministerpräsident und CDU-Landeschef Daniel Günther zu Wort: „Meine Erwartungshaltung ist, dass der erfolgreiche Weg der Energiewende fortgesetzt wird“, sagte er bei der Eröffnung der Fachmesse.

Der CDU-Fraktionschef Tobias Koch sagte vor der anstehenden Landtagssitzung am Donnerstag: „Wir haben die klare Position, dass wir den Ausbau fortsetzen wollen.“ Die Landesregierung will auch an dem Ziel festhalten, bis 2040 klimaneutral zu werden – fünf Jahre früher als der Bund. „Gleichzeitig erkennen wir an, dass man sich auf Bundesebene Gedanken darum macht, wie Energie für alle Menschen bezahlbar bleibt“, so Koch weiter. Schleswig-Holstein gehöre zu den Profiteuren der Energiewende, doch es sei „verständlich, dass man auf Bundesebene mehr austarieren will. Für unser eigenes Tun ändert das nichts.“

Dass der Landtag über Reiches Zehn-Punkte-Plan debattiert, geht auf einen Antrag der SPD zurück, die in Berlin mitregiert, in Kiel aber die Opposition führt. „Das Einhalten der Klimaziele hat oberste Priorität“, sagt die SPD-Fraktionsvorsitzende Serpil Midyatli. Auch die Wirtschaft des Landes könne erneut leiden: „Die Industrie für Photovoltaik war groß, heute müssen wir Anlagen aus China kaufen. Auch zahlreiche Arbeitsplätze in den Windbranchen sind flöten gegangen.“ Jeder Kurswechsel in Berlin habe negative Folgen für Schleswig-Holstein.

Einen „klaren politischen Kurs“ wünscht sich auch Marcus Hrach vom Landesverband Erneuerbare Energien. „Schleswig-Holstein bietet als Modellregion die Chance, innovative, marktorientierte Lösungen für die Energiewende zu etablieren.“ Hrach wünscht sich, dass die Landesregierung ihr Bekenntnis zu Wind- und Sonnenstrom „nach Berlin trägt“.

Widerspruch kündigt einzig der FDP-Fraktionsvorsitzende Christopher Vogt an, „auch wenn es für mich eine fatale Lage ist, die CDU-Bundesministerin verteidigen zu müssen“.

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