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Schlechte WirtschaftslageIndustrie rügt Regierung

BDI-Chef Leibinger sieht die deutsche Industrie „im freien Fall“. Er wirft der Bundesregierung vor, darauf nicht entschlossen genug zu reagieren.

Der Metallbranche geht es wieder besser Foto: Rupert Oberhauser/imago

Der Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI), Peter Leibinger, stellt dem Standort Deutschland und der CDU-geführten Bundesregierung ein verheerendes Zeugnis aus. „Der Wirtschaftsstandort befindet sich im freien Fall, doch die Bundesregierung reagiert nicht entschlossen genug“, erklärte er am Dienstag aus Anlass der Veröffentlichung des BDI-Industrieberichts für Dezember 2025. Demnach rechnet der Verband für das Jahr 2025 für das verarbeitende Gewerbe mit einem Produktionsrückgang von 2 Prozent. Bislang war er von 0,5 Prozent ausgegangen.

Die Industrieproduktion gehe das vierte Jahr in Folge zurück, sagte Leibinger. „Der Wirtschaftsstandort befindet sich in seiner historisch tiefsten Krise seit Bestehen der Bundesrepublik.“ Die deutsche Wirtschaft stehe zum Ende des Jahres an „einem dramatischen Tiefpunkt.“ Das sei „keine konjunkturelle Delle, sondern ein struktureller Abstieg“. Deutschland brauche eine „wirtschaftspolitische Wende“. Jeder Monat ohne „Strukturreformen“ koste Arbeitsplätze und Wohlstand. „Die Bundesregierung muss Investitionen Vorrang vor konsumtiven Ausgaben einräumen“, forderte er. Bei „konsumtiven Ausgaben“ handelt es sich vor allem um Sozialausgaben. Leibinger fordert also das Zurückfahren des Sozialstaats.

Der BDI-Bericht selbst zeichnet kein ganz so negatives Bild wie Leibinger. So sei der Einkaufsmanagerindex für das verarbeitende Gewerbe im März 2025 auf ein 31-Monats-Hoch gestiegen. „Der konjunkturelle Tiefpunkt dürfte damit durchschritten sein“, heißt es in dem Bericht. Nach zwei Jahren Rückgang dürften die deutschen Warenexporte im gesamten Jahr in nominaler Rechnung – also ohne Berücksichtigung der Inflation – nicht weiter sinken.

Für die Europäische Union als Ganzes sieht der BDI eine Trendwende. Hier habe die Industrieproduktion bereits wieder Fahrt aufgenommen. Der BDI korrigiert seine ursprüngliche Prognose für den EU-Wirtschaftsraum von einem Minus von einem Prozent auf ein Wachstum von einem Prozent. Die Branchen Pharmazie, Metall, Elektro und sonstiger Fahrzeugbau „konnten die Produktion spürbar ausweiten“, heißt es in dem Bericht. Für die chemische Industrie und den Fahrzeugbau habe die Rezession noch nicht geendet.

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1 Kommentar

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  • Vielleicht möchte Herr Leibinger dringend von etwas ablenken, wenn er die Situation so dramatisiert?

    Zwei Dinge kommen in Betracht:

    Erstens muss man sich fragen, was genau die Wirtschaft von der Bundesregierung erwartet? Innovationen und Marktfähige Produkte muss man selbst entwickeln und vermarkten. Und die Konkurrenz aus China, die kann man aus Deutschland vielleicht aussperren, aber global muss man sich ihr stellen.

    Zweitens ist Herr Leibinger der Bruder von Nicola Leibinger-Kammüller, CEO von Trumpf und ganz groß im Verband der Familienunternehmer. Genau dem Verband, der sich medial gerade die Finger verbrannt hat.