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Schlaglochpisten in AfrikaHashtag-Aktion macht Politik

Der Starkregen in Zentralafrika ist unberechenbar geworden und legt den Alltag lahm. Doch in Uganda nehmen das einige mit Humor.

In Ugandas Hauptstadt Kampala muss man teilweise die Straße zwischen den Schlaglöchern suchen Foto: Imago

W enn es derzeit in den frühen Morgenstunden im Herzen Afrikas zu regnen beginnt, ziehen sich die Leute die Bettdecke über den Kopf und schlafen weiter. Schule? Arbeit? Termine? Das alles muss warten, bis der Regenschauer vorüber ist.

Der Grund: Die Tropenstürme wüten so heftig, dass quasi nichts mehr funktioniert: Supermärkte, Banken und Behörden bleiben geschlossen, Lehrer kommen nicht zum Unterricht, die Feuerwehr rückt auch nicht mehr aus, Richter verlesen ihre Urteile via Online-Zoom-Schalte vom Wohnzimmer aus direkt ins Gefängnis.

Die Leute der Region der Großen Seen schließen sich in ihren Häusern ein, laden ihre Handys auf, bevor der Strom ausfällt und hoffen, dass ihre Hütte nicht absäuft. Bis zu 600 Menschenleben haben die heftigen Tropenstürme und dadurch ausgelöste Erdrutsche und Überschwemmungen in Uganda, Ruanda und der Demokratischen Republik Kongo in den vergangenen zwei Wochen gefordert. Und es werden täglich mehr.

Wer sich dennoch auf die Straße wagt – besser mit einem Schlauchboot. In Ugandas Hauptstadt, wo es nur marginal öffentliche Müllentsorgung gibt, sind die Abwasserkanäle ohnehin so sehr vom Unrat verstopft, dass dort nichts mehr abfließt. Die Folge: Das Regenwasser schießt auf dem Asphalt in Sturzbächen die Hänge hinunter und spült den Müll mit hinab.

Eine Chance für die korrupte Polizei

Da die Wohngebiete auf den zahlreichen Hügeln rund um die Altstadt liegen, verwandeln sich die abschüssigen Straßen in Wasserrutschen, Autos schlittern unter Aquaplaning den Hang hinab.

In Kampalas Industrieviertel hingegen, wo sich zwischen den Hügeln im Tal das Wasser sammelt und sich selbst in Trockenzeiten schwere Lastwagen Stoßstange an Stoßstange stauen, sind so tiefe Schlaglöcher entstanden, dass ganze Fahrzeuge darin absaufen. „Wir leben wahrlich in der Region der Großen Seen“, flucht ein Fahrer halb lachend, halb entsetzt. Obwohl er einen Geländewagen fährt, steht das schlammige Dreckswasser bis über den Kühler. Der Motor springt nicht mehr an, er ist abgesoffen, wie so viele andere Fahrzeuge.

Ein klatschnasser Polizist kommt sofort angehetzt und zückt das kleine elektrische Gerät für die Ausstellung von Strafzetteln, das er in eine Plastiktüte eingewickelt hat. Ugandas korrupte Polizei erhofft sich von den verzweifelten Fahrern derzeit noch mehr Bakschisch als sonst. „Sie behindern den Verkehr“, wirft der Uniformierte dem Fahrer vor, der gerade seine Gummistiefel aus dem Kofferraum herauskramt.

Immerhin, die Ugander nehmen das mal wieder mit Humor. Ugandas berühmtester Comiczeichner, Jim Spire Ssentongo, führte Ende April auf der Nachrichtenplattform Twitter den Hashtag #KampalaPotholeExhibition ein und forderte seine Follower auf, Fotos von Schlaglöchern online zu stellen.

Blamage für ein Land, das von Tourismus lebt

Was da in wenigen Tagen an Bildern zusammenkam, ist eine Blamage für das ostafrikanische Land, dessen Haupteinnahmequelle der Tourismus ist. Während in den vergangenen Jahren die Überlandstraßen in berühmten Nationalparks für westliche Besucher astrein asphaltiert wurden, gehen die Hauptstädter in den Schlaglöchern buchstäblich baden. „Fischen entlang der 6. Straße“ lautet der Titel eines Bildes auf Twitter – mit einem Mann in Badeshorts und Sonnenhut, der im rotbraunen Wasser eines Schlaglochs im Industrieviertel angelt.

Die Hashtag-Aktion verbreitete sich rasant. Selbst die Politik musste reagieren. Der Stadtrat, der sich vor allem aus Oppositionellen zusammensetzt, warf der Regierung vor, nicht genügend Geld für Straßenbauarbeiten bereitzustellen.

Letztlich debattierte das Parlament das Problem. Die ganze Sache kochte so hoch, dass Ugandas Präsident Yoweri Museveni ein Machtwort sprechen musste. Er ordnete sofort Geld für Straßenbau und verlangte einen monatlichen Lagebericht über den Zustand der Straßen. Museveni selbst benutzt Ugandas Schlaglochpisten schon lange nicht mehr – er fliegt lieber mit dem Hubschrauber, um dem Verkehrschaos auszuweichen.

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Simone Schlindwein
Simone Schlindwein, Jahrgang 1980, lebt seit 2008 in Uganda und ist taz-Korrespondentin für die Region der Großen Seen: DR Kongo, Ruanda, Burundi, Uganda, Zentralafrikanische Republik, Südsudan. Von 2006 bis 2008 war sie u.a. Moskau-Korrespondentin des Spiegel. Für ihre Arbeit wurde sie u.a. mit dem Journalistenpreis »Der lange Atem« sowie dem Otto-Brenner-Preis ausgezeichnet. Zuletzt veröffentlichte sie die Bücher »Diktatoren als Türsteher Europas« (mit Christian Jakob) und »Tatort Kongo« (mit Dominic Johnson und Bianca Schmolze).
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