Schlachthof bei Oldenburg: Ort der Qual geschlossen
Undercover-Videomaterial dokumentiert Zustände im Schlachthof Elsfleth in Niedersachsen. Tierschützer nennen das, was dort geschah, ein Massaker.
![Geschlachtete Schafe liegen auf einem Boden Geschlachtete Schafe liegen auf einem Boden](https://taz.de/picture/7324635/14/Videoprint-19--1.jpeg)
Derzeit hat Aninova den Schlachthof in Elsfleth im Visier, Landkreis Wesermarsch bei Oldenburg, Niedersachsen. Er ist auf Halal-Schlachtung spezialisiert. Was dort geschehe, sei „ein Massaker“, sagt Jan Peifer, Vorstandsvorsitzender von Aninova.
Undercover-Videomaterial, entstanden im August und September 2024, wurde Aninova zugespielt und zeigt, wie roh Schafe und Rinder hier behandelt wurden. Es zeigt Tiere, die unbetäubt getötet werden, gegen Gitter prallen, in Blutseen liegen, geschlagen werden, geworfen, gestapelt und getreten. Die Aufnahmen zeigen Schocks mit Elektrotreibern; bei einem Rind 160 Mal. Er habe „selten solch einen brutalen Umgang“ gesehen, sagt Peifer.
Ende vergangener Woche hat Aninova das zuständige Veterinäramt in Brake in Kenntnis gesetzt, hat bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg Strafanzeige erstattet, wegen des Verdachts des Verstoßes gegen § 17 2a) und b) Tierschutzgesetz. Das sieht im Maximalfall eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor, wenn einem Wirbeltier „aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden“ zugefügt werden.
„Völliges Versagen sämtlicher Überwachungsmechanismen“
In der Strafanzeige gegen die Schlachthof-Geschäftsführer Issam H. und Jochen K. sowie gegen die verantwortlich handelnden Amtsveterinäre ist davon die Rede, Tiere seien „brutal gequält“ worden. Es ist die Rede von einer „grausamen Gleichgültigkeit gegenüber den Empfindungen der Tiere“.
Ein Kurzgutachten von Claudia Preuß-Ueberschär und Jochen Weins vom Verein „Tierärzte für verantwortbare Landwirtschaft“ ist der Strafanzeige beigefügt. In diesem Gutachten attestieren sie ein „völliges Versagen sämtlicher Überwachungsmechanismen“.
„Auch in diesem Schlachthof hat wieder alles versagt, was nur versagen kann“, sagt Peifer. Immer wieder sei der amtliche Tierarzt auf den Aufnahmen zu sehen, doch bei Tierquälerei schreite er nicht ein oder er sei nicht dabei.
„Die zu sehenden Handlungen in den Aufnahmen sind nicht hinnehmbar, sie sind erschütternd und verwerflich“, schreibt Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne) der taz auf Nachfrage. „Alles deutet darauf hin, dass den Tieren erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt wurden, und somit eine oder mehrere Straftaten vorliegen.“ Das Ministerium werde selbst ebenfalls Strafanzeige stellen, so Staudte.
Schlachthof geschlossen
Das Veterinäramt Jade-Weser hat das bereits getan. Am späten Sonntagabend wurde dort das Videomaterial gesichtet. Am frühen Montagmorgen schlossen Mitarbeiter des Veterinäramtes den Schlachthof bis auf Weiteres, begleitet von der Polizei. „Die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgabe zur Überwachung der Schlachthöfe ist ein sehr wichtiger Bestandteil der behördlichen Gefahrenabwehr“, schreibt Bernd Niebuhr, der Vorsitzende der Verbandsversammlung des Veterinäramtes, in einer Stellungnahme. „Vor diesem Hintergrund nehmen wir die hier zum Ausdruck gebrachten Vorwürfe in Bezug auf den Tierschutz sehr ernst.“
Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat nun viel zu tun. Man habe aufgrund der Aninova-Anzeige „Ermittlungen gegen verantwortlich Handelnde eines Schlachthofs in Elsfleth wegen des Verdachts von Verstößen nach § 17 Tierschutzgesetz aufgenommen“, bestätigt Staatsanwalt Thorsten Stein, Sprecher der Behörde.
Niedersachsen habe sich „durch eine Bundesratsinitiative für die Etablierung einer Videoüberwachung in den Schlachthöfen stark gemacht“, schreibt Natascha Manski, Sprecherin des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums, der taz. „Dieses wichtige Anliegen des Landes wurde in diesem Jahr im Rahmen der vorgesehenen Novellierung des Tierschutzgesetzes aufgegriffen. Der betroffene Schlachthof würde unter die derzeit vorgesehene Größenordnung fallen, bei der eine Videoüberwachung künftig verpflichtend ist.“
Vorgesehen ist, dass in Schlachthöfen, in denen pro Jahr mehr als 1.000 Großvieheinheiten (GVE) geschlachtet werden, ein Videoüberwachungssystem etabliert werden muss. Eine GVE entspricht etwa 500 Kilogramm. Bei kleineren Schlachthöfen könne das künftig „schon bei Vorliegen eines Verdachts“ angeordnet werden, so Manski.
Schulungen für Tierärzte
Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium habe in den vergangenen Jahren die Fachaufsicht über die kommunalen Veterinärbehörden „zunehmend intensiviert“, so Manski. „So werden seit 2023 besonders die amtlichen Tierärzte, die die kleinen Schlachtbetriebe überwachen, zusätzlich regelmäßig über Schulungen weitergebildet.“ Zusätzlich führe das niedersächsische Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit „risikoorientierte Kontrollen“ in Schlachtbetrieben durch.
Der Schlachthof, von der taz um Kommentierung gebeten, schweigt. Auf seiner Website, mittlerweile nicht mehr aufrufbar, hatte er sich für sein „kompetentes Team“ gelobt. Auch ein streitbar schnaubendes Longhorn-Rind war hier zu sehen, als Logo. Die Opfer-Rinder im Video sehen anders aus.
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