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Schiedskommission gibt Antrag stattSPD darf Sarrazin ausschließen

Die Entscheidung des Schiedsgerichts bringt die SPD-Spitze ihrem Ziel näher, den umstrittenen Autor aus der Partei auszuschließen. Sarrazin will Berufung einlegen.

„Wenn man recht hat, kann man immer auch ein gutes Gefühl haben“, sagte Sarrazin vor der Verhandlung Foto: Stefan Boness/IPON

Berlin dpa | Der wegen seiner islamkritischen Thesen umstrittene frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin darf aus der SPD ausgeschlossen werden. Das entschied das Parteigericht des SPD-Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf, in dem der 74-Jährige Mitglied ist. Die dortige Schiedskommission habe der Partei mitgeteilt, dass dem Antrag stattgegeben werde, erklärte Generalsekretär Lars Klingbeil am Donnerstag. Zuvor hatten Bild und Focus berichtet.

Es war bereits der dritte Anlauf des SPD-Vorstands, ihn aus der Partei zu werfen. Im ersten Fall blieb das Vorhaben erfolglos, im zweiten Fall endete das Verfahren im Frühjahr 2011 mit einer Art Vergleich: Sarrazin versicherte, sich künftig an die Grundsätze der SPD zu halten, die Anträge auf Parteiausschluss wurden zurückgenommen. Im Sommer 2018 entflammte der Konflikt erneut, als Sarrazin sein neues Buch „Feindliche Übernahme: Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“ präsentierte.

„Ich begrüße diese Entscheidung ausdrücklich“, sagte Klingbeil. „Wir sehen uns in unserer klaren Haltung bestätigt: Sarrazin hat mit seinen Äußerungen gegen die Grundsätze der Partei verstoßen und ihr Schaden zugefügt. Rassistische Gedanken haben in der SPD keinen Platz.“

Sarrazin will das Urteil eines Parteigerichts zu seinem Ausschluss aus der SPD nicht akzeptieren. Sein Anwalt kündigte am Donnerstag an, Sarrazin werde Berufung dagegen einlegen und notfalls durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof und zum Bundesverfassungsgericht gehen.

AfD lädt Sarrazin ein, in die Partei einzutreten

Thilo Sarrazin ist wegen migrationskritischer Äußerungen in seinen Büchern umstritten. Der 74-Jährige selbst weist den Vorwurf des Rassismus zurück: Mit seinen Thesen einer schleichenden Spaltung der Gesellschaft durch die starke Zunahme von Einwanderern muslimischen Glaubens beschreibe er lediglich Zustände.

„Die SPD hat heute eine falsche Entscheidung in erster Instanz getroffen“, sagte er am Donnerstag der Bild-Zeitung. „Es ist schade, dass sie nicht die Kraft fand, eine andere Entscheidung im Interesse der Meinungsfreiheit und der innerparteilichen Demokratie zu treffen. Die heutige Entscheidung wird den Niedergang der SPD nicht aufhalten.“ Er habe nie für möglich gehalten, „dass man wegen seiner Meinung verfolgt und ausgeschlossen wird“, so Sarrazin.

Die AfD hat Thilo Sarrazin gleich nach dem Urteil zum Eintritt in ihre Partei eingeladen. Wenn die SPD ihn wegen seiner migrationskritischen Thesen ausschließe, verstoße sie gegen Regeln innerparteilicher Demokratie, erklärte der Berliner AfD-Landesverband am Donnerstag. Sarrazin solle gerichtlich dagegen vorgehen. „Alternativ laden wir ihn ein, bei uns mitzuarbeiten.“ Es sei zu erwarten, dass Sarrazin „mit seinen mutigen Thesen“ in anderen Parteien kein Gehör finde.

Das Parteigericht in Berlin hatte vor rund zwei Wochen über den Antrag der Parteispitze verhandelt, aber zunächst noch keine Entscheidung gefällt. Diese liegt nun vor und wurde den Beteiligten schriftlich zugestellt.

Sarrazin war von 2002 bis 2009 Finanzsenator in der Hauptstadt. Von Frühjahr 2009 bis Herbst 2010 war er Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank. Der 74-Jährige hatte vor der Verhandlung über seinen Rausschmiss aus der SPD betont, dass er ein „sehr gutes Gefühl“ habe. „Wenn man recht hat, kann man immer auch ein gutes Gefühl haben.“

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22 Kommentare

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  • In der CSU/CDU wäre er schon lange rausgeflogen!



    Ich bin mir sicher, angenommen Thilo Sarrazin würde einen Parteiaufnahmeantrag bei der csu oder CDU stellen, dieser Antrag hätte keine Chance, Thilo Sarrazin könnte nicht Parteimitglied bei den Konservativen werden. Deswegen ist es eine Schande für die SPD, dass einer wie Sarrazin, mit seinen menschenverachtenden Rassenthesen, in der SPD eine Karriere hoch bis zum hochbezahltem Bundesbankvorstand machen konnte.

    In diesem Fall, kann man nicht mehr sagen

    „Ende gut alles gut“

    der Schaden den Sarrazin der SPD zugefügt hat, insbesondere bei zugewanderten Bundesbürgern, die wegen Sarrazin sich unheilbar von der SPD abgewendet haben, sitzt tief und wird noch lange bis zur Heilung dauern.

  • Wenn die SPD sich mal ebenso aufwendig um ihre Wähler bemühen würde, wie sie stark ist, eines ihrer Mitglieder loszuwerden, wäre der Laden viel attraktiver.

    • @Thomas Schöffel:

      Da hätten Sie ja auch gleich schreiben können, Thilo Sarrazin macht alles richtig, nur die SPD macht einen Fehler. Finden Sie den Fehler!

      • @Rainer B.:

        Wie kommen Sie denn darauf ?

        • @Thomas Schöffel:

          Ganz einfach. Sie üben hier Kritik an dem Parteiausschlussverfahren der SPD, aber kein Spur von Kritik an Sarrazin.

          • @Rainer B.:

            Bin ich verpflichtet, meine Kritik gleichmäßig zu verteilen, oder was ?

            • @Thomas Schöffel:

              Nein, dazu sind Sie nicht verpflichtet. Wenn Sie der Auffassung sind, dass Thilo Sarrazin alles richtig und die SPD mit dem Parteiausschluss einen Fehler macht, dann ist das auch genau so rüber gekommen (s.o). Ansonsten wäre da allerdings noch Erklärungsbedarf.

              • @Rainer B.:

                Ich sagte an keiner Stelle, daß Sarrazin aller richtig macht. Unterstellen Sie mir doch nichts.

                • @Thomas Schöffel:

                  Ich fasse das nur mal zusammen:



                  Sie sagen nicht, die SPD hätte keine Gründe dafür, Sarrazin loszuwerden, kritisieren aber die SPD dafür, dass sie Sarrazin loswerden will.

                  • @Rainer B.:

                    Auch das ist wieder nicht richtig. Ob die SPD Gründe dafür hat, den Mann loszuwerden oder nicht, ist mir egal. Vermutlich wird sie schon Gründe dafür haben. Was mir nur auffällt, ist, daß die SPD sehr viel Mühe und Arbeit in das Abschieben von Sarrazin steckt. Ich kann aber kaum etwas darüber lesen, daß die SPD genausoviel Mühe und Arbeit da reinsteckt, z. Bsp. ihre Wähler zu befragen, was sie denn als wichtig erachten, was getan werden müßte.

                    Kommentar gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich.

                    Die Moderation

                    • @Thomas Schöffel:

                      1.) Sarrazin soll nicht „abgeschoben“ werden. Er soll einfach nur sein SPD Parteibuch abgeben.



                      2.) Ein Parteiausschluss ist immer ein kompliziertes Verfahren. Zwischen einem Ausschlussantrag, der i.d.R. zunächst von Mitgliedern über die Parteigremien gestellt und dann vom Vorstand abgesegnet wird, oder auch nicht, führt der Weg immer auch über eine Parteischiedskommission.



                      3.) Basierend auf dem Bericht einer Untersuchungskommission zu Sarrazins zuvor getätigten Äußerungen und Veröffentlichungen ist man zu dem Schluss gekommen, „dass Sarrazin Thesen propagiert, die mit den Grundsätzen der SPD unvereinbar sind, und der Partei schweren Schaden zufügt“.



                      4.) Die Mitglieder und Wähler haben in der jüngsten Vergangenheit bereits durch zahlreiche Parteiaustritte und/oder Stimmverweigerungen deutlich gemacht, was sie von einer SPD halten, in der u.a. ein Thilo Sarrazin immer noch ungeniert sein tumbes rassistisches Thesensüppchen gewürzt mit politischer Eugenik, Biologistismus und Rassehygienik aus dem letzten Jahrhundert, aufkochen darf. Das ist ganz sicher nichts, wofür Sozialdemokraten jemals stehen könnten und wollten.

                      • @Rainer B.:

                        Merken Sie was ? Sie reden von Parteigremien, vom Vorstand, der absegnen muß, von Kommissionen und komlizierten Verfahren. All das, um einen rauszuhauen, sorry, ihn dazu zu bewegen, sein Parteibuch abzugeben. Was für ein Aufwand. Mir wäre nicht bekannt, daß die SPD bei Erkundung des Wählerwillens einen ähnlichen Aufwand treibt.

                        • @Thomas Schöffel:

                          Nun - der Wähler wählt eine Partei. Die Grundsätze dieser Partei werden aber nicht vom Wähler festgelegt, es sei denn, der Wähler ist Parteimitglied und in den entsprechenden Parteigremien aktiv.



                          Der Aufwand könnte hier durchaus deutlich geringer sein, wenn Herr Sarrazin endlich mal realisieren würde, dass er in der SPD falsch ist. Stattdessen bemüht er Gerichte, ihm einen Platz in einer Partei zu sichern, die ihn doch erkennbar gar nicht bei sich haben will.

                          • @Rainer B.:

                            Ich glaube, ich habe Ihnen zumindest deutlichmachen können, wo die SPD großen Eifer zu zeigen scheint und wo nicht.

                            • @Thomas Schöffel:

                              Wie auch immer man sich eine Wählerbefragung zum Parteiausschluss vorstellen mag, es ändert doch an dem Ausschluss-Verfahren nichts. So what?

                              • @Rainer B.:

                                Sie haben es immer noch nicht verstanden, glaube ich. Ich gebe auf.

                                • @Thomas Schöffel:

                                  Ach wissen Sie - wer unterstellt, ich wäre verpflichtet, für alles und jeden Verständnis aufzubringen, der geht einfach von Anfang an von falschen Voraussetzungen aus.

  • In manchen Parteien fühlen sich halt immer nur die falschen Leute wohl. Die SPD ist heute so eine Partei. Die AfD auch.



    „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß.“



    (Zitat: Andreas Brehme, ehem. Nationalspieler. „Seine besondere Stärke war seine Beidfüßigkeit“.)

  • In Zeiten, in denen sich die Mitgliederzahl der SPD im stetigen Abwärtstrend befindet, will Sarazzin juristisch für seine Mitgliedschaft kämpfen und dafür notfalls "durch alle Instanzen bis zum Bundesgerichtshof und zum Bundesverfassungsgericht" gehen.

    Kann man sich noch mehr blamieren?

    • @Grandiot:

      Es gab eine Vor-Schröder-SPD und es existiert eine Nach-Schröder-SPD: Zu welcher lässt sich Herr Sarrazin wohl zurechnen...

  • Sarrazin ist etwas aus der Zeit gefallen. Er gehört zu den Zurückgebliebenen aus der Zeit als die SPD noch erfolgreich war.

    • @Werner S:

      Im Gegenteil, er gehört zu denen die vorandenken, siehe Dänemark. Klingbeil, Stegner und die anderen sind von vorgestern und wollen das noch nicht mal wahrhaben. Und, am Ende entscheiden die Wählerin und der Wähler. Mal sehen, wer recht behält.