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Schalker ThemenfriedhofHier ist der Himmel immer blau-weiß

Auf dem „Schalker Fan-Feld“ im Gelsenkirchener Stadtteil Beckhausen-Sutum ist Platz für 1.904 tote Knappen. 300 feste Reservierungen gibt es schon.

„Schalke ein Leben lang“: Und nun auch darüber hinaus. Bild: dpa

GELSENKIRCHEN taz | Olly Olschewski lebt nicht mehr. „Catweazle“, wie alle Schalker den berühmten Fan wegen seiner Ähnlichkeit mit einem populären englischen TV-Serienhelden aus den Siebzigerjahren nannten, verstarb nach schwerer Krankheit Mitte Januar im Alter von 69 Jahren. Der Mann mit der Trommel prägte über Jahrzehnte das Bild des Parkstadions, in dem bis zum Jahr 2001 der Fußballklub FC Schalke 04 seine Heimspiele austrug.

Beigesetzt wird die Urne am 9. März im Gelsenkirchener Stadtteil Beckhausen-Sutum – auf dem Friedhof für 04-Fans, der offiziell „Schalker Fan-Feld“ heißt. Die Stelle, an der Olschweskis Überreste versenkt werden, steht zwar noch nicht fest, „aber es wird eine Grabnummer sein, die mit 04 endet“, da ist sich Ender Ulupinar sicher.

Dafür wird der Manager der königsblauen Grabanlage höchstpersönlich sorgen. Denn schließlich habe „Catweazle“, im TV-Original ein schrulliger Zauberer, auf Schalke in den letzten Jahrzehnten so ziemlich alles mitgemacht, was man mitmachen konnte, betont Ulupinar.

Und das ist selbst für einen hartgesottenen Schalke-Fan wie Olschewski eine ganze Menge: dramatische Spiele in der einstigen Spielstätte Glückauf-Kampfbahn, der Bundesliga-Skandal um verschobene Partien 1971, der ungeliebte Umzug in das Parkstadion 1973, Auf- und Abstiege, „Meister der Herzen“ in der Saison 2000/2001. „Nun findet der Olly seine wohlverdiente, letzte Ruhestätte“, erklärt Ulupinar nicht ohne Stolz.

Besuch aus der Nordkurve

Eine gut 1.000 Personen starke blau-weiße Trauergemeinde dürfte der Beisetzung Olschewskis auf dem Schalke-Friedhof unweit der Schalke-Arena beiwohnen. Der Besuch aus der Nordkurve dürfte die Hauptperson freuen, wenn auch leider nur posthum. Bezahlt wird die Beerdigung von der karitativen Stiftung „Schalke hilft“, denn Olschewski starb verarmt in der Nachbarstadt Duisburg.

Ulupinar ist Geschäftsführer der Schalke Fan Feld GmbH und die treibende Kraft hinter dem Projekt Schalke-04-Friedhof. Die Beisetzung Olschewskis ist eine Art Höhepunkt in der noch jungen Geschichte der Ruhestätte – wenn man das überhaupt so sagen darf.

Fünf Jahre lang hat Ulupinar bei der Stadt Gelsenkirchen und immer wieder bei dem Verein für das „Fan-Feld“ gekämpft. Anfänglich habe man ihn nur milde belächelt und für verrückt gehalten, „wie die Schalker halt mal so sind“, erzählt Ulupinar. Der mit einer Friedhofsgärtnerin verheiratete Ex-Torhüter der Schalker Amateurmannschaft der Jahre 1992/1993 musste viel Überzeugungsarbeit leisten.

Er nahm eine offizielle Hürde nach der anderen, präsentierte Geschäfts- und Baupläne sowie immer wieder Zahlen für den Bau des sogenannten Themenfriedhofs. Es war ein langer Kampf um die letzte Ruhestätte der Schalke-Fans – mit einem guten Ende. „Es hat sich gelohnt“, erinnert sich Ulupinar. Am 27. Juli 2012 erfolgte schließlich der erste Spatenstich. Anfang Dezember 2012 fand die erste Beisetzung statt.

Überführung aus Dortmund

Es war die Urne eines Schalke-Fans, die morgens um 10 Uhr bei heftigem Schneetreiben im engsten Familienkreis auf den Friedhof umgebettet wurde. Dass die Urne ausgerechnet aus der bei den Schalke-Fans nicht sonderlich beliebten Reviernachbarstadt Dortmund überführt wurde, darüber spricht heute – zwei Monate später – niemand mehr.

Der Schalke-Friedhof ist einem kleinen Stadion nachempfunden und in den Vereinsfarben Blau und Weiß gehalten. Dafür sorgen 80.000 Hortensien. Es gibt an jeder Ecke einen Flutlichtmast, Vereinsfahnen wehen an Stangen im Wind. Zwei Tore sind auf der strafraumgroßen unteren Ebene eingesetzt, die einem Rasenspielfeld nachempfunden ist.

3.000 Erika, mit Lebensmittelfarbe auf Blau-Weiß getrimmt, sind im Mittelkreis angepflanzt worden und ergeben das Schalker Vereinswappen, wenn es die Jahreszeit zulässt. Über dieser exklusiven Ebene gibt es noch zwei Ränge. „Fast so wie im Stadion“, erläutert Ulupinar die bisher weltweit einzigartige Schalker Friedhofsarchitektur.

Wer sich auf der Westseite dieser Ränge begraben lässt, dem ist sogar ein Blick auf das aktuell Allerheiligste der königsblauen Fans vergönnt: die Arena. Sie liegt in unmittelbarer Nähe des Themenfriedhofs. Lage ist alles. Das gilt auch für diese letzte Ruhestätte in der sonst vom Immobilienmarkt nicht gerade verwöhnten Ruhrgebietsstadt Gelsenkirchen.

3.600 Quadratmeter

„Wenn die Menschen am Samstag ins Stadion gehen, können sie vorher noch am Grab ihrer Angehörigen vorbeigehen und es pflegen“, umschreibt der 39-jährige Ulupinar den günstigen Standort der insgesamt 3.600 Quadratmeter großen Ruhestätte. 1.904 Schalke-Fans werden hier einmal ihre finale Ruhe finden. Die Anzahl der Liegeplätze verweist auf das Gründungsjahr des Gelsenkirchener Traditionsklubs.

Der Treueschwur der Schalker Fans, „Ein Leben lang“, lässt sich dank der neuen Schalker Begräbniskultur damit noch erweitern: „Bis über den Tod hinaus“. Für die meisten Anhänger ist der Klub ohnehin mehr eine Religion als eine Weltanschauung. Selbst der 2005 verstorbene Papst Johannes Paul II. wurde Vereins- und Ehrenmitglied, nachdem er 1987 im Parkstadion eine Messe gelesen hatte. „Es spricht alles dafür, dass der Friedhof gut angenommen wird“, gibt sich Ulupinar ganz unternehmerisch. Knapp 300 feste Grabreservierungen sind bereits bei dem Gelsenkirchener eingegangen.

Die blau-weiße Grabstätte wird mittlerweile selbst zu einer Attraktion. Am vergangenen Samstag, vor dem Heimspiel der Schalker gegen die Spvgg. Greuther Fürth, ließ sich ein Schalke-Fanklub aus Frankfurt den neuen Friedhof zeigen. Mittlerweile kommt vor jedem Schalker Heimspiel eine andere blau-weiße Fanvereinigung vorbei.

Bei bundesweit knapp 100.000 in den Schalker Fanklubs organisierten Fußballanhängern dürfte der Besucherstrom so schnell nicht abreißen. Im Rahmen eines „Bestatter-Events“, kurz vor Weihnachten, konnte Ulupinar kürzlich über 140 Bestatter aus ganz Nordrhein-Westfalen begrüßen. „Wir arbeiten mit allen zusammen“, erklärt Ulupinar zum Abschluss. Selbst mit Dortmundern, wird er sich im Stillen denken. Doch aus der Nachbarstadt, erzählt er, sei kein einziger Bestatter angereist.

Die Kosten für eine Grabstelle auf dem Fan-Feld beginnen bei 5.406 Euro. Der Verein FC Schalke 04 streicht davon keinen einzigen Cent ein. „Mit dem Tod wollen wir kein Geld verdienen“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer Moritz Beckers-Schwarz.

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1 Kommentar

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  • JD
    John Doe

    "dank der neuen Schalker Begräbniskultur"

     

    Na, da werden sich die Archäologen der Zukunft aber wundern.