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Schäfchen trocken, Wind kalt

Büdelsdorfer Mobilfunker MobilCom entlässt mindestens 1850 MitarbeiterInnen. Mehrere Standorte werden geschlossen. Kritik an Firmengründer Gerhard Schmid

Den MobilCom-Mitarbeitern blies gestern kalter Wind ins Gesicht. Für mindestens 1850 Vollzeitarbeitsplätze kam das Aus, davon 1000 im Unternehmensbereich UMTS und 850 im Kerngeschäft Mobilfunk. Nach Berechnungen der IG Metall entspricht der angekündigte Stellenabbau sogar dem Wegfall von 2100 Arbeitsplätzen.

Worüber schon seit Wochen spekuliert worden war (taz berichtete mehrfach), wurde gestern in der Konzernzentrale im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf bei Rendsburg zur bitteren Gewissheit. Drei Standorte in ganz Deutschland sollen geschlossen werden, darunter das Call Center in Kiel, verkündete Vorstandschef Thorsten Grenz. „Mit einer bereinigten Bilanzstruktur und einem neuen Partner wollen wir im nächsten Jahr weitermachen“, kündigte er an. Bis dahin müsse das Restrukturierungskonzept selbst finanziert werden. Natürlich sieht er dafür aber „gute Chancen“.

Viele Mitarbeiter, die am frühen Nachmittag zur Betriebsversammlung strömten, gaben sich zugeknöpft, andere versuchten ihre Gemütslage auf den Punkt zu bringen: „Ich bin froh, dass nach vier Monaten endlich Klarheit herrscht“, meinte ein Mitarbeiter der UMTS-Sparte. Nun könne man sich privat auf die Lage einstellen. Viele haben sich in Büdelsdorf ein Häuschen gebaut, Kredite müssen abbezahlt werden.

Auch seine Kollegen machen sich keine Illusionen mehr: „Hier bleiben 50, die die UMTS-Lizenz halten werden.“ Auf Gerhard Schmid, den Firmengründer, setzt niemand mehr: „Der muss wohl selber erst einmal sehen, dass er seine Schäfchen ins Trockene bringt.“

Übel aufgestoßen ist der charismatische Ex-Chef der Gewerkschaft IG Metall, die ihn in erster Linie für die desolate Lage des Unternehmens verantwortlich macht: „Schmid ist ein Betriebsrisiko der besonderen Art“, sagt Kai Petersen von der IG Metall in Rendsburg. „Durch sein persönliches Verhalten hat er maßgeblich zur Krise des Unternehmens beigetragen.“ Gemeinsam mit den Betriebsräten und Belegschaften aller Standorte will die Gewerkschaft in den nächsten Tagen prüfen, ob nicht ein wesentlich größerer Teil der Arbeitsplätze gerettet werden kann. Solche Worte waren gestern in Büdelsdorf nur ein schwacher Trost. almut kipp

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