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Schach-Weltcup in IndienRaketenhafter Aufstieg des Vincent Keymer

Der deutsche Schach-Großmeister Keymer gilt beim Weltcup in Goa als Favorit. Und will es noch zum Kandidatenturnier 2026 schaffen.

Rasanter Aufstieg: der deutsche Großmeister Vincent Keymer Foto: Hartmut Metz

Schach-Großmeister Vincent Keymer hat sich in Indien gehörigen Respekt verschafft. Erst besiegte Keymer beim Chennai Grand Masters souverän die Elite und holte den Titel. Er deklassierte in neun Runden mit sieben Zählern neben dem zweitplatzierten Niederländer Giri auch den indischen Weltranglistenvierten Arjun Erigaisi um volle zwei Punkte. Das sind Welten im Schach. Damit schoss Keymer erstmals in die Top Ten der Weltrangliste. Seine exzellenten Ergebnisse bei den nächsten Einsätzen ließen die deutsche Nummer eins weiter klettern, bis auf Platz vier.

Nun geht es beim Weltcup in Goa ähnlich gut los. Den belarussischen Großmeister Wladislaw Kowalew überspielte Keymer gleich zweimal. Vor ihm liegen in der Weltrangliste nur noch der dauerführende Carlsen (2.840 Elo/Stand 4. November) und die beiden US-Amerikaner Hikaru Nakamura (2.813) und Fabiano Caruana (2.795). Trumpft der Rheinland-Pfälzer beim Weltcup weiter so auf wie zuletzt, könnte er sogar die aktuell 17 Elo Rückstand auf Caruana egalisieren.

Obwohl Indien in dem auf dem Subkontinent populären Denksport mit Gukesh Dommaraju den aktuellen Weltmeister stellt und außerdem zwei weitere Top-Ten-Spieler hat, hat nun ausgerechnet der Begründer des indischen Schach-Booms Keymer zum Topfavoriten beim Weltcup in Goa gekürt: Ex-Weltmeister Viswanathan Anand adelte den 20-Jährigen aus Gau-Algesheim und traut dem deutschen Großmeister auch die Qualifikation für das 2026 folgende Kandidatenturnier zu. Bei diesem soll der nächste WM-Herausforderer von Gukesh ermittelt werden. „Offensichtlich schießt Vincent Keymer wie eine Rakete durch die Decke“, preist Anand seinen Mannschaftskameraden beim deutschen Bundesliga-Rekordmeister OSG Baden-Baden.

Der 55-jährige „Tiger von Madras“ verzichtet auf einen eigenen Start, hat er doch nicht mehr die großen Ambitionen. 2013 hatte Anand den WM-Thron nach sechs Jahren an Magnus Carlsen verloren. Der Norweger, der zehn Jahre später freiwillig den Titel abgab, tritt trotz der zwei Millionen Dollar Preisgeld für die 156 Teilnehmer ebenfalls nicht beim Weltcup an. Dort qualifizieren sich in einem Turnier nach K.-o.-System die Finalisten und der Drittplatzierte für das Kandidatenturnier und die Chance, als Sieger Weltmeister Gukesh herauszufordern.

Ein Deutscher sicher dabei

Sensationell dabei ist mit Matthias Blübaum schon jetzt sicher ein Deutscher. Der Weltranglisten 41. aus Lemgo trumpfte beim Grand-Swiss-Turnier in Samarkand im September groß auf und sicherte sich mit Platz zwei hinter dem Niederländer Anish Giri den zweiten Startplatz für das Kandidatenturnier.

Der 28-jährige Mathematiker rechnet sich beim Weltcup allerdings nichts aus. „Bisher bin ich immer in der dritten Runde rausgeflogen.“ Der zweifache Einzel-Europameister hat keine guten Erinnerungen an seine bisher drei Weltcup-Teilnahmen und betont: „In einem K.-o.-Match über zwei Partien kann schnell etwas schiefgehen.“

Nebenbei drückt Blübaum Keymer die Daumen, schnappte er doch dem in Samarkand punktgleichen Rivalen hauchdünn den Platz im Kandidatenturnier weg. Der Deizisauer Bundesligaspieler fände es „großartig fürs Schach, wenn gleich zwei Deutsche dort dabei wären.“

Unterstützung für Keymer

Blübaum traut seinem Nationalmannschaftskameraden „definitiv zu, es noch zum Kandidatenturnier zu schaffen. Ich denke, es gibt keinen, der zwingend eine größere Chance als er hat. Es wird nicht leicht, aber er war zuletzt in Topform. Wenn Vincent das beibehält, kann er es nach ganz vorne schaffen“, befindet Blübaum. Was ihn wie Anand so sicher macht, ist der jüngste Lauf des 20-Jährigen.

Auch Blübaum zog mit einem 1,5.0,5-Sieg über den Ägypter Ahmed Adly in die Runde der letzten 64 ein. Alexander Donchenko und Frederik Svane sind ebenso weiterhin dabei. Dmitrij Kollars und Rasmus Svane mussten in den Schnellschach-Tiebreak am Donnerstag. Als einziger deutscher Großmeister schied bisher Niclas Huschenbeth aus. Das gleiche Schicksal ereilte überraschend den zweifachen Vizeweltmeister Ian Nepomniachtchi. Der Russe unterlag dem Inder Diptayan Ghosh mit Weiß

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