piwik no script img

Saudischer Kronprinz in der TürkeiVom Paria zum politischen Makler

Der saudische Kronprinz Bin Salman besucht die Türkei. Seine Strategie: Loyalität kaufen, Iran isolieren und den Kashoggi-Mord hinter sich lassen.

Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (l.) und der türkische Präsident Erdogan in Ankara Foto: Murat Cetinmuhurdar/PPO/reuters

Kairotaz | Eines der Fotos des offiziellen Handshakes zwischen dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dem saudischen Kronprinzen Mohammad bin Salman (MBS), sagt mehr aus als tausend Worte. MBS grinst breit und zufrieden in die Kamera und Erdogan sieht aus, als habe er eine Kröte verschluckt.

Es war der erste Besuch des saudischen Kronprinzen in der Türkei, seit der saudische Dissident Jamal Khashoggi 2018 im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet wurde.

Eine von der UNO geleitete Untersuchung schlussfolgerte später, dass Saudi-Arabien ein 15-köpfiges Killerteam geschickt hatte. Grundlage dieses Fazits waren Tonaufnahme des türkischen Geheimdienstes von Gesprächen im Konsulat. Erdoğan selbst sprach davon, dass der Auftrag von „höchster saudischer Stelle“ gekommen sei. Auch der US-Geheimdienst machte den Kronprinzen als Auftraggeber verantwortlich.

Dass Erdoğan und MBS sich zu Beginn des Treffens herzlich umarmten, zeugt davon, dass beide Seiten das Khashoggi-Kapitel hinter sich bringen wollen. Der eine möchte seine interna­tionale Isolation beenden, der andere braucht nach dem Verfall der Türkischen Lira dringend Geld. Mit einer Reise Erdoğans nach Saudi-Arabien letzten April hatte diese pragmatische Annäherung bereits begonnen.

Kritik setzt MBS den Ölreichtum entgegen

Auf dem Programm standen nun bessere Handelsbeziehungen und mehr Kooperation bei Verteidigung, Energie und Tourismus. Erdoğan lud die Saudis ein, in türkische Start-ups zu investieren.

Mit einer Inflation von teilweise über 70 Prozent hat das Land eine saudische Finanzspritze bitter nötig.

Die Methode des saudischen Kronprinzen, seiner internationalen Isolation zu entkommen, ist so einfach wie bestechend: Kritik setzt er den Ölreichtum seines Landes entgegen.

Das hat selbst mit US-Präsident Joe Biden funktioniert, der bald nach Saudi-Arabien reisen wird. Der Westen braucht Ersatz für die Ausfälle russischen Öls, Saudi-Arabien bietet sich an.

MBS investiert auch in Ägypten

Doch MBS will höher hinaus: Er möchte sich als Architekt einer neuen Sicherheitsordnung im Nahen Osten inszenieren. Dafür dienten vor allem seine beiden Reisestationen vor der Türkei-Visite – Ägypten und Jordanien. Die funktionieren nach dem gleichen Prinzip: MBS verteilt saudische Investitionen und versucht sich damit zum wichtigsten politischen Makler der Region zu machen.

Bei seinem Besuch in Kairo zu Beginn der Woche unterzeichneten MBS und der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi 14 Investitionsabkommen im Wert von 7,7 Milliarden Dollar in den Bereichen Fast Food, Windenergie und Luxus-Immobilien.

Die Regionalmächte Türkei und Ägypten wollen ihre jüngst turbulenten Beziehungen hinter sich lassen, MBS weiß das zu nutzen. Da sind etwa die angeschlagenen Beziehungen zwischen Ägypten und der Türkei. Erdoğan hat 2013 die Machtübernahme des ehemaligen ägyptischen Militärchefs und heutigen Präsidenten al-Sisi heftig kritisiert. Der von diesem politisch verfolgten ägyptischen Muslimbruderschaft gewährte Erdğgan in der Türkei Exil. In Libyen unterstützte al-Sisi General Haftar im Osten, die Türkei wiederum die Regierung in Tripolis im Westen.

Mit der Reise von MBS nach Ägypten und in die Türkei wurden einige Zäune geflickt: Erdoğan hat die Aktivität der ägyptischen Muslimbruderschaft in der Türkei eingeschränkt. Das Al-Sisi-Regime scheint hinter den Kulissen über die Möglichkeit der Freilassung einiger Muslimbrüder aus ägyptischen Gefängnissen zu verhandeln.

MBS' Trumpfkarte

Die neue Rolle von MBS als Regional-Architekt dient gleich mehreren seiner Zielen: Er isoliert damit seinen größten Rivalen Iran, außerdem macht er sich so auch im Westen wieder zu einem wichtigen Partner.

Seine größte Trumpfkarte, die Normalisierung der Beziehungen mit Israel, hat er damit noch nicht ausgespielt. Spätestens dann würde MBS vom westlichen Paria zum Darling. Und dann hieße es auf dem internationalen diplomatischen Parkett endgültig: Jamal Khashoggi, wer war das gleich noch mal?

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 6G
    655170 (Profil gelöscht)

    Da treffen sich zwei Brüder im Ungeiste.



    Beide beherrschen ihr Land diktatorisch und tyrannisieren die Bevölkerung nach Belieben.



    Und außerdem haben sie isch ihr eingenes Recht geschaffen, was die körperliche Unversehrheit ihrer Gegner angeht.



    Dieses Recht dürfen sie auch weitgehend unbehelligt von der Weltöffentlichkeit nach Belieben ausüben.



    Beide sind als Staatsführer (der eine tatsächlicher, der andere faktischer) nicht gerade die leuchtendsten Kerzen auf dem Weltenkrank



    Es gibt nur einen Unterschied: Erdogan hat eine vormals prosperierendes Land wirtschaftlich so ruinös geführt, dass es inzwischen Richtung Drittwelt-Niveau unterwegs ist.



    MBS hat politisch und wirtschaftlich nichts vorzuweisen - er lebt praktisch im Dusel täglicher Top-Lotteriegewinne.



    Zwei abstoßende Zeitgenossen, die dennoch von anderen Staatenführer auf ebenso abstoßende Weise hofiert werden.



    Motto: Politica non olet.