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Urteil gegen Nicolas SarkozyAuch ein Ex-Präsident steht nicht über dem Gesetz

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Nicolas Sarkozy ist wegen Korruption zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Es ist ein historisches Urteil, das Frankreichs Politik und Elite erschüttert.

Begrüßung in Paris 2007: Die Beziehung zum libyschen Diktator Gadhafi bringt Sarkozy heute ins Gefängnis Foto: Francois Mori/ap

E in ehemaliger Staatspräsident der französischen Republik wird von einem Gericht wegen eines hochpolitischen Korruptionsskandals für schuldig erklärt. Der Betroffene, Nicolas Sarkozy – bereits in einem anderen Bestechungsfall verurteilt – soll für fünf Jahre ins Gefängnis!

Und das auch, wenn er Berufung einlegt. Selbst wenn Sarkozy, der sicher Berufung einlegen wird, bis vor das Kassationsgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gehen wird, dürfte das sehr ausgewogene und begründete Urteil die Diskreditierung der politischen Elite und der Parteien erheblich verschärfen.

Man stelle sich das mal vor: Wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt die französische Justiz sonst Terroristen oder Mafiabosse – in solcher ­Gesellschaft befand sich Sarkozy auf der Anklagebank.

Für Frankreichs Ansehen und insbesondere für die Politik ist dies ein schwerer Schlag. Der Korruptionsskandal um Wahlkampfgelder aus ­Libyen wird ein schwarzer Fleck in der Geschichte der Fünften Republik bleiben, die während fünf Jahren von Nicolas Sarkozy repräsentiert wurde.

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Gericht wollte wohl Zeichen setzen

Wohl deshalb wollte das Gericht ein Zeichen setzen und verurteilte Sarkozy für das Delikt der Bildung einer kriminellen Bande zur vorgesehenen Höchststrafe. Nur zwei Jahre der fünfjährigen Haftstrafe können laut Gericht allenfalls außerhalb der Haftanstalt verbüßt werden.

Zudem bleiben weitere Verdachtsmomente, die noch nicht Gegenstand von Ermittlungen oder Prozessen waren – unter anderem weil ­Sarkozy während seiner Amtszeit strafrechtliche Immunität genoss – relevant für die öffentliche Meinung. So ist dokumentiert, dass Sarkozy für seine Kampagne rund doppelt so viel ausgegeben hat, wie das Wahl­gesetz erlaubt.

Teile der sehr beträchtlichen Spenden in bar waren „anonym“. Allein dies hätte das Ver­fassungsgericht damals veranlassen müssen, seine Wahl für ungültig zu erklären.

Sehr gravierend ist der seit Jahren existierende Verdacht, dass ­Sarkozy 2011 deshalb so sehr auf den Krieg gegen das libysche Regime von Gaddafi gedrängt haben könnte, weil er hoffen durfte, dass en ­passant lästige Zeugen und belastende Dokumente verschwinden würden. Genau dies war nach dem Sturz und dem Tod von Oberst ­Gaddafi auch der Fall.

Die Justiz hat privilegierten Spitzenpolitikern, die glaubten, dass sie ungeschoren davonkommen, eine Lektion erteilt. Ein Ex-Präsident steht nicht über dem Gesetz – und geht bei erwiesener Schuld hinter Gitter.

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Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
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