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Düngemittelkonzern K+SSalzwasser soll in Süßwasser

K+S will wieder jeden Tag fast fünf Millionen Liter Haldenwasser in einen Fluss leiten. Umweltschützer und Angler warnen vor einem Artensterben.

Kalimandscharo: Leicht zu erkennen, wie die Abraumhalde von K+S im Kreis Hildesheim zu ihrem Namen Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa

Göttingen taz | Der „Kalimandscharo“ ragt weithin sichtbar aus der flachen Landschaft auf. Auf der weißen Salzhalde des stillgelegten Kali-Bergwerks Siegfried-Giesen im Kreis Hildesheim, in dem bis 1987 Salz abgebaut wurde, sammelt sich bei Regen salzhaltiges Wasser. Der Düngerhersteller und Betreiber der Grube, K+S, entsorgte es jahrzehntelang in den Fluss Innerste. Ende 2023 lief die Genehmigung aus. Seitdem wird das Salzwasser ins Bergwerk Siegmundshall bei Wunstorf gebracht, wo es zu dessen Flutung genutzt wird. Doch künftig will K+S die Lauge wieder in die Innerste leiten.

K+S hat eine neue wasserrechtliche Erlaubnis beim Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) beantragt. Dieser Antrag beinhaltet laut LBEG eine Haldenwassereinleitung von bis zu 4.800 Kubikmeter – oder 4,8 Millionen Liter – pro Tag, jedoch maximal 115.000 Kubikmeter pro Jahr. Das Haldenwasser soll über eine schon früher genutzte Einleitstelle in die Innerste fließen.

Über eine Kontrollmessstelle soll sichergestellt werden, dass Konzentrationen von 300 Milligramm pro Liter (mg/l) an Chlorid, 20 mg/l an Kalium, 35 mg/l an Magnesium und 200 mg/l an Sulfat nicht überschritten werden. Damit würden alle Grenzwerte eingehalten, argumentiert K+S.

Zudem verweist das Unternehmen darauf, dass eine deutlich geringere Menge Salz eingeleitet werden soll als bis 2023. Und bis das Haldenwasser über die Innerste die Leine und von da Aller und Weser erreiche, sei es ohnehin stark verdünnt.

Fluss bereits jetzt belastet

Die Innerste ist bereits heute mit Schwermetallen wie Blei, Zink und Cadmium aus Hinterlassenschaften des Bergbaus im Harz belastet. Zudem wird das Haldenzwasser nicht komplett aufgefangen, sondern versickert teilweise im Boden und versalzt so das Grundwasser. In der Region zwischen Giesen, Ahrbergen und Sarstedt kann es dann nicht mehr für die Bewässerung von Feldern genutzt werden.

Die Wiederaufnahme der Einleitung beeinträchtige das Leben im Wasser erheblich und gefährde das gesetzlich vorgegebene Ziel, einen guten ökologischen Zustand der Innerste zu erreichen, warnt nun der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Der Umweltverband fordert nachhaltige Maßnahmen zur Reduzierung der Salzbelastung – zum Schutz von Wasser und Grundwasser.

„Mit dem neuen Antrag von K+S besteht das ernsthafte Pro­blem der Versalzung unserer Gewässer fort“, sagt die niedersächsische BUND-Landesvorsitzende Susanne Gerstner. „Wir fordern, die massive Gewässerbelastung bereits an der Quelle zu stoppen, indem die alte Kalihalde abgedeckt oder ganz beseitigt wird.“

Mit dem neuen Antrag von K+S besteht das ernsthafte Problem der Versalzung unserer Gewässer fort

Susanne Gerstner, niedersächsische BUND-Landesvorsitzende

Zudem solle die LBEG die Grenzwerte für Salze anpassen. Gerstner zufolge sind die Überwachungswerte für den Salzgehalt der Innerste zu hoch angesetzt. Statt pauschaler Orientierungswerte, die unabhängig vom Gewässertyp – ob kleiner Bergbach oder großer Strom – gelten, könnten nach neueren Studien spezifische Grenzwerte angewendet werden. Für die Innerste würden dann niedrigere, auf die dortigen Verhältnisse abgestimmte Überwachungswerte für drei Salzarten gelten.

„Katastrophe für Kleinstlebewesen“

Von einer „Katastrophe für Kleinstlebewesen“ spricht Heinz Pyka vom Anglerverband Niedersachsen. „Wir sind froh, dass sich das Artenspektrum der Leine in den vergangenen Jahren wieder erholt hat“, sagte er der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. „Durch die Verschmutzungen aus der Zeit der Industrialisierung war es auf fünf Fischarten zurückgegangen, heute sind es wieder 40.“

Jede Verschlechterung der Gewässerqualität bedeute Eingriffe in den „hochsensiblen Lebensraum“ des Fließgewässers. Darunter litten insbesondere wirbellose Kleintiere im Wasser und den Uferzonen. Wenn sie verschwänden, dann habe das Auswirkungen auf alle anderen Arten, „von der Wasseramsel bis zum Biber“, so Pyka.

Falls der Antrag von K+S genehmigt wird, soll zumindest nicht nur die Einleitung von Chlorid überwacht, sondern auch die Konzentration von Kalium- und Magnesiumsalzen im Wasser begrenzt werden. „Das ist ein Fortschritt“, so Gernstner vom BUND. „Denn diese beiden Salze sind deutlich toxischer für das vielfältige Leben im Wasser als Chlorid.“ Eine dauerhafte Lösung für den Schutz von Innerste und Grundwasser sei das jedoch nicht – „denn die Ursache der Salzwasserbelastung, die Althalde, bleibt“.

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