Saisonbilanz von Hertha BSC: Stark begonnen, stark nachgelassen
Die Blau-Weißen haben ihre Chance auf die Champions League verspielt. Am letzten Spieltag geht es am Samstag gegen Mainz 05. Eine Bilanz zum Saisonabschluss.
Man kann es nicht anders sagen: Die Rückrunde der Bundesliga-Saison 2015/16 lief für Hertha BSC richtig mies. Die vergangenen vier Spiele haben die Berliner allesamt verloren, seit sechs Partien warten sie auf einen Sieg. Mitte März standen die Blau-Weißen hinter den beiden Topteams aus München und Dortmund noch auf Platz drei – die finanz- und prestigeträchtige Champions League winkte. Doch dann kam die „Angst vor dem Erfolg“, wie Hertha-Coach Pal Dardai es beschrieb. Die Stimmung bei den Fans wurde schlechter, das Selbstvertrauen der Manschaft sank rapide.
Stark begonnen
Nun könnte Hertha am Samstag, wenn es am letzten Spieltag dieser Saison zum 1. FSV Mainz 05 geht, sogar noch auf einen direkten Abstiegsplatz abrutschen – allerdings nur in der Rückrundentabelle, die lediglich über die das Abschneiden in der zweiten Saisonhälfte Auskunft gibt. Das säge dann unschön aus, hätte aber keine weitere Relevanz. Dennoch, es ist frappierend, wie sehr es nach der Winterpause mit der Alten Dame abwärtsging. War man nach der Hinrunde noch Dritter, so gab es in der Rückrunde nur drei Teams, die weniger Punkte holten als die Charlottenburger.
Dabei hatte die Spielzeit überraschend gut begonnen. War Hertha von vielen Experten eine Saison im Abstiegskampf prophezeit worden, schlug sich der letztjährige Beinahe-Absteiger überraschend gut. Pal Dardai war es gelungen, seinem Team eine extrem stabile Defensivordnung zu vermitteln. Im Laufe der Saison wurde dann auch das Spiel mit Ball immer gefälliger. Dazu beigetragen hatten auch die von Sportdirektor Michael Preetz geholten Neuzugänge Vladimir Darida, Niklas Stark, Mitchell Weiser und Vedad Ibisevic, die allesamt zu Leistungsträgern wurden.
Der Knackpunkt war wohl Mitte März, als Hertha auswärts beim direkten Konkurrenten Borussia Mönchengladbach mit 0:5 unterging. Zuvor hatte man gerade vier von fünf Spielen gewonnen, der Vorsprung auf Rang vier betrug vier Punkte. Die Chancen auf einen Champions-League-Platz waren nicht mehr wegzudiskutieren. Es folgten nicht nur die Klatsche am Niederrhein, sondern sechs Spiele, in denen nur ein mickriger Zähler auf das Punktekonto der Hertha wanderte.
Angesichts dieser Saison-Dramaturgie verwundert es kaum, dass bei vielen Anhängern vor der Sommerpause nun die Ernüchterung überwiegt. Vor dem ersten Spieltag hätte wohl jeder mit blau-weißen Fanschal mit Kusshand einen Platz im Mittelfeld genommen. Nun wäre ein siebter Platz als Endergebnis eine Enttäuschung. Schon im Heimspiel nach dem Mönchengladbach-Desaster gab es erste Unmutsäußerungen. Als es gegen den Tabellenletzten Hannover 96 nur zu einem Unentschieden reichte, gellte ein lautes Pfeifkonzert durchs Olympiastadion.
Vergangenen Samstag zum letzten Heimspiel der Saison berappelten sich dann nochmal alle. Trainer, Spieler, Fans – vor einer beeindruckenden Kulisse von über 60.000 gut gelaunten ZuschauerInnen ging es gegen Aufsteiger Darmstadt 98 perfekt los. Nach einer Viertelstunde führte Hertha mit 1:0 und es sah so aus, also könne man die Chance auf Platz vier bis zum letzten Spieltag wahren.
Doch dann sah Dardai „eine unfassbare Vorstellung“ seiner Mannschaft – unfassbar schlecht. Ausgerechnet Sandro Wagner, der vor der Saison als Bankdrücker die Hauptstadt verlassen hatte, schoss Darmstadt mit seinem 14. Saisontor zum Sieg und demütigte mit seinem provokanten Torjubel auch noch die Fans in der Ostkurve.
Auf der Gegenseite kassierte dagegen Herthas Angreifer Vedad Ibisevic seine fünfte Gelbe Karte und wird seiner Mannschaft nun am letzten Spieltag fehlen. Coach Dardai wird wohl Salomon Kalou ins Sturmzentrum beordern, obwohl der Ivorer in dieser Spielzeit gezeigt hat, dass er etwas zurückgezogen als Spieler wesentlich wertvoller ist.
Immerhin: Rein rechnerisch kann Hertha sogar noch Vierter werden und damit die Qualifikation für die Champions League erreichen. Doch angesichts der um 15 Treffer schlechteren Tordifferenz gegenüber dem aktuellen Vierten Borussia Mönchengladbach ist diese Möglichkeit nur noch theoretischer Natur. Einen Europa-League-Platz hat Hertha dagegen schon sicher. Punktgleich mit dem Samstagsgegner FSV Mainz auf Rang fünf und den siebtplatzierten Schalkern. Von denen trennt die Herthaner nur die um einen Treffer bessere Tordifferenz. Zur Erinnerung: Vergangene Saison war es allein die bessere Tordifferenz, die Hertha den direkten Klassenerhalt sicherte.
Rasanter Verfall
Allerdings ist auch der Unterschied zwischen Platz fünf und sechs einerseits und Rang sieben andererseits noch erheblich: Rutscht Hertha mit der letzten Partie erstmals seit dem fünften Spieltag wieder aus dem ersten Tabellendrittel, müsste das Team von Pal Dardai in die Qualifikationsrunde, die bereits im Juli beginnt. Eine geregelte Sommervorbereitung wäre dann kaum möglich, durch die Europameisterschaft fällt die Pause ohnehin kurz aus. Es ist kein Automatismus, weiß Michael Preetz, „dass du so eine Qualifikation überstehst“.
Man weiß also nicht so richtig, was von einem siebten Platz zu halten ist. Damit wäre es wiederum das perfekte Symbol für die gesamte Saison der Hertha.
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