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Saisonauftakt am Staatstheater OldenburgUpdate wird ausgeführt

Das Staatstheater im niedersächsischen Oldenburg kann auf ein treues Publikum bauen. Es trägt auch Experimente mit.

Prima designt: Neustart am Oldenburger Staatstheater Foto: Stephan Walzl

Oldenburg taz | Für Theatermacher ist Oldenburg ein Geschenk. Die Kulturaffinen in der Region lieben ihr Staatstheater, da kann kommen, wer will, und machen, was er will – das Publikum ist treu. Die Leute lassen sich auch mitnehmen zu künstlerischen Aufbrüchen. Wie es dem Generalintendanten Markus Müller 2006 bis 2014 gelungen ist. Nachfolger Christian Firmbach wirbelte danach neokonservativ einiges durcheinander. Und nun räumt Georg Heckel wieder auf.

Schon der Tisch mit den Werbematerialien im Theaterfoyer ist so ordentlich bestückt wie nie zuvor. Einst wild holzgemaserte Türen sind gepflegt weiß lackiert, bei den ersten Premieren beeindruckt zudem das neue Lichtdesign. Nach der in schniekem Schwarz-Weiß hergerichteten „Freischütz“-Oper sowie einer antikisierenden „Antigone“ wird auch Neues gewagt: mit zwei Uraufführungen, in denen Vertreter der Menschheit keine Handlungsträger mehr sind.

Ins Jahr „2048“ blickt im gleichnamigen Stück der Schweizer Autor Lorenz Langenegger: „Als Siri für die Präsidentschaftswahlen 2036 Alexa als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft gewann“, heißt es da, übernahmen KIs alle Verantwortung, die Weltbevölkerung vor sich selbst zu schützen. „Nach 24 Sekunden hatten die KIs alle Probleme gelöst.“

So kann der Mensch fortan im Konsummodus dahindämmern und sich fremdbestimmt überlegen fühlen. Auf der Bühne aber bollern Techno-Beats, die von drei KI-gesteuerten Robotern (Julia Friede, Klaas Schramm, Tamara Theisen) partymenschlich in Tanz übersetzt werden. Dazu flirren dystopische Megalopolis-Bilder.

Das Wort ward „Enter“

In zumeist nüchternen Kürzestsätzen dialogisiert das Trio über seinen Auftrag: Als Festkomitee soll es eine Feier organisieren zu 300.000 Jahren Homo sapiens sowie 100 Jahren Erklärung der Menschenrechte.

Währenddessen erzählen sie vom Niedergang der so beschränkt denkenden und handelnden Menschen: Denen reichen doch als Event ein bisschen Feuerwerk und ein paar hemdkragensteife Reden, oder? Die hat der Autor bei Chat GPT in Auftrag gegeben – die unverständlichen Ergebnisse werden nun vorgetragen.

Natürlich werden die klassischen Fragen gestellt: Haben KIs Bewusstsein, Vernunft, Moral, Gefühle oder eine Seele und können sie sich von ihren Schöpfern/Programmierern befreien? Als sie Angst spüren, abgeschaltet zu werden, erwacht die Idee, ob dies nicht der vor dem Tode gleicht. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war Enter“, lautet der Schlusssatz.

Er irritiert aber nicht, denn Regisseur Niklas Ritter hat die flotte These vom Leben als Simulationsszenario nicht dramatisch stringent genug entwickelt. Sein einem szenisch assoziativ durchs Sujet schwankender Diskurs rückt es hübsch weg in einen Science-Fiction-Kontext, wo sich die Auseinandersetzung mit der realen digitalen Transformation nur andeutet.

Rücksichtsloser Vollpfosten der Evolution

Ebenfalls optisch attraktiver und moralisch ohne Impetus tippt Miriam Leschs „Wald“ globale Entwicklungen an: Da der Mensch als rücksichtslose Vollpfeife der Evolution die Erde zerstört, soll ein Korrekturprogramm gestartet werden. Erst mal aber erklingt noch mal sein Lebensraum: Großstadtlärm schwallt ins Publikum, Nebelwolken wallen über Miniaturhäuser. Von andauernder Hitze geht die Rede, Stichwort Klimawandel.

In fantastischen Kostümen treten Bäume und Pilze auf, miteinander tanzende Symbionten, und verbalisieren, wer gerade an ihnen herumkrabbelt und was sie sonst so treiben. „Glucose aufnehmen, aufsaugen, einlagern“, so der Butterpilz. Und die Fichte: „Phosphor aufnehmen. Wasser aufnehmen. Spaltöffnungsbewegung. Wasser abgeben.“

Ein Käfer flattert, Bambi schlendert durchs Szenario, Cäsar und Plinius suchen ihre einst für die Ewigkeit angelegten Straßen und finden nur Relikte. Denn wie einst Friedensreich Hundertwasser träumt die Autorin von einer „Verwaldung der Stadt“. Die beginnt mit einer Buche (Franziska Werner): Sprießend auf einem Balkon, betrachtet sie neugierig ihr Bio- als Soziotop, liebäugelt mit dem Balkonbesitzer.

Aber zu spät: Nach all dem Zupflastern, Bebauen und agrarwirtschaftlichen Ausbeuten holen sich Flora und Fauna zurück, was der Mensch genommen hat. Tiere toben, Pflanzen keimen grenzenlos, überwuchern Gärten, Häuser, Städte, ganz Europa. Was Regisseurin Milena Paulovics nicht beklemmend als Apokalypse erzählt, sondern entspannend wie eine Erlösung.

Das Ensemble widmet sich liebevoll seinen Rollen, jede Szene ist zauberhaft bebildert, aber die performativen Möglichkeiten der Vorlage werden weitgehend ignoriert. Der prima designte Oldenburger Neustart lässt inhaltlich noch viel Luft nach oben.

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