piwik no script img

Sahra Wagenknecht in TalkshowsPalavern im Dauerabo

Jürn Kruse
Kommentar von Jürn Kruse

Mit elf Auftritten im Jahr 2017 saß keine andere Politikerin so oft in einer der großen Talkshows wie sie. Herzlichen Glückwunsch!

Beschwingt zum nächsten Termin: Ob es eine Talkshow ist? Foto: dpa

K ennen Sie das? Sie sitzen vorm Fernseher, Kinder endlich im Bett, zwei Knoppers und ne Cola vor sich auf dem Couchtisch, schalten mal durch das Fernsehprogramm und bleiben bei „Maischberger“ hängen? Oder bei „hart aber fair“?

Sahra Wagenknecht sitzt da und Thomas Oppermann auch, dazu Cem Özdemir und Peter Altmaier. Nur ne Wiederholung, sendet Ihnen Ihr Hirn. Die Nasen haben wir doch schon letzte Woche gesehen! Schnell wegschalten!

Ein nachvollziehbarer Instinkt, ist Ihr Hirn doch um diese Zeit im Fernseh-Selbstverteidigungsmodus. Hätte Ihr Zeigefinger nicht noch kurz gezögert, Sie hätten nie erfahren, dass es diesmal eben nicht, wie letzte Woche, um „Altersarmut – kann uns nur noch der Bitcoin retten?“, sondern um „Migration: gut oder schlecht? Was hätte Jesus gesagt?“ geht.

Dieser Ist-das-nicht-eine-Wiederholung-Gedanke ist das so genannte Talkshow-Déjà-vu. Und glauben Sie mir, Sie sind nicht allein. Es gibt Gründe dafür. Der gewichtigste: die immer gleichen Gäste. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) und der Branchendienst Meedia haben gerade nochmal nachgezählt: 2017 saß Sahra Wagenknecht zehn Mal bei „Anne Will“, „Hart aber fair“, „Maischberger“ oder „Maybrit Illner“. Laut RND sogar elf Mal, weil die KollegInnen auch „Illner intensiv“ mitzählten. Das war noch ein Mal respektive zwei Mal mehr als 2016, wo Wagenknecht auch schon Erste im Ranking war. Sie ist die Talkshow-Königin. Herzlichen Glückwunsch!

Und darin erschöpft es sich ja nicht: Hinzu kommen ja noch all die Auftritte in Wie-fühlen-wir-uns-denn-heute-Talkshows wie „Markus Lanz“ oder in den vielen Vorwahlsendungen.

Warum, warum, wer?

Nun stellen sich drei Fragen: Zunächst, warum eigentlich immer wieder Sahra Wagenknecht? Tja, sie erfüllt aus Sicht der Redaktionen schlicht mehrere Wünsche auf einmal: Sie ist meinungsstark, sie ist eloquent, sie ist eine Frau, sie ist irgendwie links und trotzdem kann man mit ihr AfD-Positionen in die Sendung holen – ohne die AfD einladen zu müssen. Sie deckt ein so breites Spektrum ab und ist gleichzeitig nicht beliebig, sondern kantig. Sie ist der Joker im Talkshow-Kartenspiel (und hat diese von Rolle Wolfgang „Das muss ich nicht mitmachen“ Bosbach übernommen).

Zweite Frage: Wenn Sahra Wagenknecht alle vier Wochen in einer von Millionen geschauten Talkshow sitzt, warum wird ihr Vorname dann immer noch ständig falsch geschrieben? Naja, ist halt blöd, einen Rechtschreibfehler im Vornamen zu haben. Ich kenn das. Schauen Sie sich mal meinen an.

Dritte Frage: Wer folgt hinter Wagenknecht? Ursula von der Leyen (zehn Auftritte), Christian Lindner, Markus Söder, Cem Özdemir, Thomas Oppermann, Wolfgang Kubicki, Peter Altmaier (je neun), Alexander Graf Lambsdorff (acht), Katrin Göring-Eckardt und Norbert Röttgen (je sieben).

Für die Besiegten heißt es nun: Ein Weiter-so kann und darf es nicht geben. Sie alle müssen sich kritisch hinterfragen und bei den Talkshow-Redaktionen verlorenes Vertrauen zurückgewinnen. Was macht die Wagenknecht anders? Was macht sie besser? Gut, dass jetzt die besinnliche Zeit ansteht, da kann ein Jede und ein Jeder mal in sich gehen. Das Ziel ist klar: Zwölf Auftritte in 2018!

Ich drücke die Daumen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • Sahra redet über schwerste Politikerkost so, das es jeder versteht. Klar und deutlich und mit einfachen worten, deswegen ist sie so beliebt, aber nicht bei Konzernmedien und neoliberalen, deswegen versucht man sie zu diskreditieren, wo es nur geht.

    Jetzt muss es die linke nur noch fertig bringen, ihre Beliebtheit in Wählerstimmen für die Linken umzuwandeln.

  • Ich muss auch immer erst noch mal nachschauen, weil ich nicht sicher bin wie ihr Vornamen geschrieben wird. Aber Afd Positionen habe ich von Sahra Wagenknecht noch nicht gehört. Aber vielleicht kennt der Autor die Afd Positionen besser.

     

    Wobei

     

    Gegen BW Einsatz in Mali https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung?id=492

     

    Gegen die Diätenerhöhung https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung?id=495

     

    Das ist natürlich verwerflich

    • @Struppi:

      Wie sagte mal ein Talkmaster, es gibt Politiker die werden eingeladen, weil sie Einschaltquote bringen und es gibt Politiker die laden sich selbst ein.

      Da ich davon ausgehe, das sich Politiker der Linkspartei nicht selbst einladen können, wird es wohl an der Quote liegen, das sie immer wieder eingeladen wird.

  • Sahra Wagenknecht kann Ihre Argumente absolut fundiert und sachlich präsentieren. Man hört ihr einfach gerne zu, selbst wenn man mal anderer Ansicht sein sollte.

    Von mir aus kann sie im nächsten Jahr 22 Auftritte haben. Das wäre ein Grund, die besagten Talkshows öfter zu gucken, wo ansonsten viel heiße Luft produziert wird nach dem Motto "Wer lauter blökt und häufiger unterbricht, hat automatisch recht".

  • Na ja, bei Sahra Wagenknecht ist man nicht gelangweilt, wenn sie was sagt. Vielen anderen Politiker*Innen are so plain boring as Frauentausch, Teenie-Mütter - Wenn Kinder Kinder Kriegen oder Adam sicht Eva auf RTL.

  • Ich hätte Sahra Wagenknecht gerne noch öfter im TV gesehen.

    • @Nikolai Nikitin:

      Klingt wie ein Nachruf.

      • @Rainer B.:

        Ja, auf das vergangene Jahr, nicht aber auf die liebe Sahra !

  • Lieber Björn Kruse!

    Die Leute hinter der Kamera sind immer schöner als die Leute vor der Kamera. Just get it!

  • Was will mir der Autor damit sagen? Eben diese Frage stellt sich bei Sahra selten.

    • @Gregor Tobias:

      Der Auto hat sich wohl gedacht, dass es mal wieder Zeit ist hier in der taz, S.W. zu bashen.