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Sachbuchautor über Frauenfußball„England ist schon weiter“

Frauenfußball hat enorm an Bedeutung gewonnen. Nun geht es darum, nicht die Fehler der Männer zu wiederholen. Justin Kraft über Chancen und Sorgen.

Die Zukunft des (Frauen-)Fußballs: Meisterfeier der Damen und Herren von Bayern München im Mai 2023 Foto: dpa | Karl-Josef Hildenbrand
Interview von Emily Kietsch

taz: Herr Kraft, der Buchtitel „Fußball der Zukunft – Wie Frauen den Sport revolutionieren“ klingt so, als würden Frauen den Sport Fußball an sich verändern. Tun sie das?

Justin Kraft: Ich glaube, das gilt es, zu hinterfragen. Mit unserem Buch gehen wir darauf ein, dass im Frauenfußball strukturell viel aufgebaut wird. Viele Spielerinnen revolutionieren den Sport ein Stück weit – als starke Persönlichkeiten, die klar ihre Meinung äußern. Gesellschaftlich ist die Bedeutung des Frauenfußballs riesig. Und dennoch: Oft gleicht vieles dem, was beim Männerfußball passiert. Die Verbände machen – beispielsweise bei der Kommerzialisierung – viele Dinge ähnlich. Auch die Rücksichtslosigkeit bei der Belastung der Spielerinnen ist etwas, das Sorgen bereitet.

Wie abhängig ist der Frauen- vom Männerfußball?

Meist sind die Verbände, die bei Männern stark sind, auch bei Frauen stark. Das hat viel mit finanzieller und struktureller Abhängigkeit zu tun. Clubs, in denen die Männer in der Ersten oder Zweiten Bundesliga erfolgreich sind, entscheiden sich zudem häufiger dazu, die Frauenabteilung zu unterstützen. Da können Clubs ohne erfolgreiche Männerteams aber nicht mithalten. Die Abhängigkeit an sich muss man aber auch aus einem historischen Kontext betrachten, da Verbände, wie der DFB, den Frauenfußball jahrelang unterdrückt haben.

Spüren Sie da aktuell einen Wandel?

Bild: Justin Kraft
Im Interview: Justin Kraft

30, ist freier Journalist und einer der Au­to­r*in­nen des Buches.

Ob sich diese Strukturen in den nächsten Jahren ändern, wage ich mal zu bezweifeln. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass der Frauenfußball in Zukunft Gewinne erwirtschaften wird. In England haben wir mit dem FC Arsenal ein gutes Beispiel dafür: Der Verein konnte vor der Pandemie zwar noch keine großen Gewinne erwirtschaften, aber grüne Zahlen ­schreiben.

Also läuft es in anderen Ländern besser.

Der englische Verband hat früher angefangen, Frauenfußball zu unterstützen. Auch da läuft nicht alles perfekt, aber ich glaube, dass England in den letzten Jahren eine Vorreiterrolle eingenommen hat.

Woher kommt der Hype um Frauenfußball?

Da gibt es viele Gründe. Viele haben das Gefühl, dass der Spitzenfußball der Männer sich immer mehr von der Basis distanziert. Im Frauenfußball finden unter anderem die Enttäuschten Zuflucht. Und die Leistung zählt: Wir haben gesehen, dass die Spie­le­rin­nen immer besser geworden sind, dass sie zu begeistern wissen und nahbar sind. Außerdem spielt die Inklusivität eine Rolle: Bei den Frauen fühlen sich viele nicht-männliche Fans wohler als bei den Männern.

Jetzt kommt die WM. Welche Erwartungen haben die Spielerinnen und Funktionär*innen?

Lesung und Gespräch

„Fußball der Zukunft – Wie Frauen den Sport revolutionieren“ mit den Au­to­r*in­nen Alina Ruprecht und Justin Kraft und der Fußballerin Pauline Bremer, 12. 6., 20 Uhr, Literaturhaus Göttingen

Sportlich gesehen geht es für Deutschland darum, den Erfolg der EM zu bestätigen und aufzuzeigen, dass man konkurrenzfähig ist. Ansonsten geht es darum, Aufmerksamkeit zu schaffen: Es gab in den letzten Wochen immer wieder die Diskussion darum, wer die Spiele überträgt. Das würde es im Männerfußball nie geben und zeigt, dass man nicht so weit ist, wie man es sich nach der EM gewünscht hatte.

Wie würden Sie die Berichterstattung über Frauenfußball bewerten?

Klar, es gibt viele Journalist*innen, die sehr detailreich darüber berichten, aber insgesamt habe ich das Gefühl, dass oft nicht in die Tiefe gegangen wird. Das finde ich schade, weil die Spie­le­rin­nen meist bereit sind, ihre Geschichten zu erzählen: Ich finde die Offenheit der Spie­le­rin­nen beeindruckend. Wenn ich Interviews mit Profis bei den Männern führe, sind viele Aussagen schon ziemlich vorgefertigt.

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