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SWR-Dokumentation über Prostitution„Ficken ohne“ für 20 Euro

Rachentripper und geplatzte Kondome: „Versklavte Frauen“ im SWR zeigt das Leben von Prostituierten – und einen Beruf mit Risiko.

Eine Prostituierte wartet in Berlin an einer Straße auf Kundschaft. Bild: dpa

Wir folgen Alina aus Bulgarien, die ihre drei Kinder mit der Prostitution ernährt. Melissa, die sagt, die Prostitution habe sie „kaputt im Kopf“ gemacht. Stehen am Grab von Christina aus Moldawien, die das Heroin umbrachte, das sie nahm, um die Arbeit zu ertragen. Und sprechen mit Sahra, der Sex Spaß macht und die sich in deutschen Puffs ihr Studium zusammenspart.

Die Doku „Verkaufte Frauen. Das boomende Geschäft mit der Prostitution“ von Sabine Harder und Edgar Verheyen vom SWR bleibt bei ihren ProtagonistInnen. Sie werden am Straßenrand aus dem Auto heraus angesprochen, ihre Männer, die wohl auch ihre Zuhälter sind, stehen in Cafes herum und sagen grinsend, sie machten „Urlaub“ in Stuttgart.

Was hat die Legalisierung der Prostitution in Deutschland bewirkt?, fragen die JournalistInnen. Zum Glück beschränkt das Autorenteam dramatischer Musik und betroffene Kommentare auf ein Minimum.

Versklavte Frauen oder selbstbestimmte Huren? In dieser Doku gibt es einfach beides, nebeneinander: Die Prostitution als Beruf. Als Beruf mit Risiko. Rachentripper und geplatzte Kondome. Als zusammenbrechenden Arbeitsmarkt, dessen Preise wegen des Überangebots an Prostituierten aus Osteuropa verfallen und der deshalb großes Elend produziert.

Ölflecken auf dem Laken

Die Freier können alles verlangen, „Blasen ohne Kondom“ ist sogar in Vorzeigebordellen wie dem „Paradise“ in Stuttgart normal. Dessen Pressesprecher hat eher damit ein Problem, dass man die Ölflecken des Gleitgels nicht mehr aus den Laken bekommt. Auf der Straße geht es um „Ficken ohne“ für nur noch 20 Euro. „Jeden Abend weinen“, sagt eine.

Und der Film zeigt die Prostitution als Job, den viele nur mit Drogen aushalten, wodurch sie in einen Teufelskreis aus Anschaffen und Drogenkonsum geraten, während Glücklichere sich ihr Studium der Finanzwissenschaft damit verdienen.

Die Dokumentation

„Verkaufte Frauen. Das boomende Geschäft mit der Prostitution“ am Mittwoch, den 14. Mai 2014 um 20.15 Uhr im SWR

Freiwillig kommen die meisten schon, erfahren die AutorInnen, ein gesetzliches Verbot würde sie kaum abhalten, „die sozialen Unterschiede zwischen den Ländern sind zu groß“. Und der Staat? Verdient kräftig, 25 Euro Steuern pro Tag zahlt eine Prostituierte im „Paradise“. PolitikerInnen sprechen vom Zaubermittel „Ausstiegshilfen“ - und bleiben sie schuldig. Sehenswert!

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9 Kommentare

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  • Das Thema ist so ausgelutscht, dass es schon beim Lesen Rachentripper hervorruft. Sex macht doch immer nur krank, oder schwanger, was dann so ziemlich dasselbe ist. Oder es macht psychisch, physisch und finanziell abhängig. Und Vorsicht in Zukunft beim Händedruck! Böse Falle! (Stichwort: Schmierinfektion).

    Dem Tripper ist es übrigens völlig egal, ob er von einem Fremden, oder von einem Nahestehenden übertragen wird. Am Ende ist man krank und hat noch nicht mal was dafür getan.

  • Sorry Frau Östreich, aber ich habe die "Doku" gestern abend gesehen. Man hätte vielleicht auch dazu sagen können, dass es sich um die Sendereihe "betrifft" handelt, die generell den Ruf hat, etwas hetzerisch zu agieren. So auch gestern abend mal wieder. Peinliche Versuche der Journalisten, den Prostituierten Wörter in den Mund zu legen, waren da noch das Harmloseste.

    Reporter: "Finden Sie es nicht eklig, mit fremden Männern Sex zu haben"

    Prostituierte: "Nein, es ist ein Job wie andere auch."

    Reporter: "Aber es muss doch eklig sein, mit fremden Männern Sex zu haben"

    Prostituierte: "Nein, das macht mir nichts aus"

    Tenor aus dem Off: "Den Frauen ist ein gewisser Ekel anzusehen."

    Der Wahnsinn, was man heute so Reportage nennen darf. Die Interviews mit den Freiern waren genauso unterschwellig. Aber was soll man schon von einer Doku halten, die von freiwilliger Prostitution anfängt und dann "die verkaufte Frau" tituliert, suggerierend, dass Prostitution immer von dunklen Männern im Hintergrund initiiert wird und Frauen nur verkauft werden.

    Der nervtötende Disclaimer zum Schluss: Ich möchte nicht die Probleme mit Menschenhandel und Zwangsprostitution schön- oder kleinreden, aber ganz ehrlich, das ist Schwarzer-Menthalität was hier an den Tag gelegt wird.

  • "während Glücklichere sich ihr Studium der Finanzwissenschaft damit verdienen."

     

    Ist das jetzt ein Praktikum, also quasi berufvorbereitende Tätigkeit, oder die Vorbereitung auf die Alternative?

     

    Etwas ratlos

    PeterWolf

    Ingenieur

    • @Peter Wolf:

      Tja, wer begnadet genug für ein Stipendium ist, reiche Eltern hat oder einen guten Nebenjob ergattert kennt diese Probleme natürlich nicht.

       

      Weite Teile der Bevölkerung leiden unter einem Phänomen das man "Lebenshaltungskosten" nennt. 300 Euro Semesterbeitrag, Versicherung ect tun ihr übriges.

  • Mir wird das Problem mit der Prostitution irgendwie zu isoliert betrachtet. Ausbeutung, schlechte Bezahlung und andere miserable Arbeitsbedingungen gibt es in vielen Branchen. Ich will das damit nicht runterspielen, im Gegenteil. Ich will aufzeigen, dass das ein grundsätzliches Problem ist, was sich durch die gesamte Gesellschaft zieht.

    • @vøid:

      Absolut richtig.

      Und anstatt sich diesem Umstand zu witmen pickt man sich die Prostituirten raus und basht dabei gleichzeitig die Männer.

       

      Das lenkt wunderbar davon ab, dass Millionen von Menschen von ihrer Arbeit nicht leben können und bis aufs Blut ausgebeutet werden.

  • Es ist halt im Kleinen so wie im Großen. Die Masse der Arbeitnehmer in Deutschland wird mit möglichst wenig abgespeist, während die Reichen noch reicher werden. Und die Masse der schwachen Arbeitnehmer gibt dieses Prinzip an die noch schwächer Gestellten weiter. Eine sehr perverse Art des Trickle-Down-Effekts. Der Fisch stinkt, wie so oft, vom Kopfe her.

  • Für alle die auch mal die Seite der Frauen sehen wollen empfiehlt sich diese Seite: http://www.donacarmen.de/

     

    Auch, oder vielmehr besonders, den Journalisten ist diese Seite zu empfehlen.

  • Die meisten Frauen sind einfach nur arm und durch die Liberalisierung der Gesellschaft, das Internet und offenere Einstellungen zur Sexualität sinken die Preise, bleiben die Freier aus. Schon in den 70ern mussten Freier bei eine Edelhure wie Domenica ein Kondom benutzen, waren extreme Sex-Praktiken kein Thema, die gab's nicht, auch nicht gegen Aufpreis. Heute macht der Markt die Freier stark und damit wird es für die Frauen noch schlimmer. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass es überhaupt Politiker gibt, die darauf a) eine Antwort haben und b) die auch umsetzen wollen. Letztlich ist die EU-Ost-Erweiterung ja erwünscht und da gibt's ein paar Nebenwirkungen.