piwik no script img

SPD will mit der Union sondierenEin zurückhaltendes „Ja“

Nach Wochen entscheidet die SPD, dass sie mit der Union sondieren will. Der Zeitplan dafür ist ehrgeizig, wenn nicht gar unrealistisch.

Ja! Nein! Vielleicht! Nein! Ja! Foto: ap

Berlin taz | Mit einer Überraschung hatten vorab wohl selbst die kühnsten SPD-Anhänger*innen, mit dem letzten Funken Oppositions-Hoffnung, nicht gerechnet. Als Martin Schulz am gestrigen Freitag um kurz nach halb drei aber im Willy-Brandt-Haus vor die Presse tritt, steht endgültig fest: Die SPD versucht es noch einmal, sie geht in Sondierungen mit der Union über die Neuauflage einer Großen Koalition.

Einstimmig hätten Präsidium und Vorstand seinen Vorschlag angenommen, berichtete Schulz. Bereits auf dem Parteitag vor rund einer Woche hatte der Vorsitzende darum geworben, zumindest „ergebnisoffene“ Gespräche führen zu wollen, die rund 600 Delegierten stimmten mit großer Mehrheit dafür.

Auch jetzt sei es ihm wichtig, sagte Schulz, nach wie vor zu betonen, dass man sich nicht auf eine „bestimmte Form der Regierungsbildung“ festlege, die Gespräche blieben „ergebnisoffen“. Eine „gewisse Bereitschaft“, ein „erstes Gefühl“, dass von der anderen Seite aber Kompromissbereitschaft bestehe, um „eine Reihe von Prioritäten“ durchzusetzen, habe er aber spüren können.

Dafür spricht auch der ehrgeizige, wenn nicht gar unrealistische Terminplan, den Schulz vorstellte: Am kommenden Mittwoch wollen er selbst, Andrea Nahles, Angela Merkel, Alexander Dobrindt und Horst Seehofer die genauen Termine für die Gespräche bestimmen, definitiv aber sollen sie in der ersten Januarwoche stattfinden. Am 14. Januar soll dann bereits der nächste Parteitag stattfinden, auf dem der SPD-Vorstand seinen Delegierten einen „präzisen Vorschlag“ für eine Regierung machen will.

„Keine getwitterten Zwischenstände“

Was Schulz hoffen lässt, dass die Gespräche so schnell in einen solchen Vorschlag münden, sagte er nicht. Doch stellte er klar, dass die Rahmenbedingungen andere sein werden als bei den Jamaika-Sondierungen: „Bei uns wird es keine Balkonbilder geben, kein huldvolles Winken vom Palais“, und, so hoffe er, auch keine getwitterten Zwischenstände aus den verschiedenen Arbeitsgruppen.

Das 12-köpfige Sondierungsteam der SPD besteht neben Nahles und Schulz aus dessen sechs Stellvertreter*innen, dem neuen SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, dem Landesvorsitzenden aus NRW, Michael Groschek, sowie den bereits in Verhandlungen mit der Union „Geübten“, dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Stefan Weil sowie der stellvertretenden Ministerpräsidentin des Saarlandes, Anke Rehlinger. Sigmar Gabriel – als geschäftsführender Außenminister noch Teil der GroKo – gehört dem Team indes nicht an.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • Info.-Empfehlung:

     

    Regierungsbildung

     

    Dann kann ja nichts mehr schief gehen: Die SPD wird in Sondierungsgespräche mit der CDU eintreten. Sie begibt sich damit auf Glatteis. Aber es gibt einen Rettungsanker

     

    Von Dorian Baganz / Der Freitag - Das Meinungsmedium. Vgl.: https://www.freitag.de/autoren/dorian-baganz/dann-kann-ja-nichts-mehr-schief-gehen

     

    Kommentar von User-Flegel | Community

     

    »Klaus Roth, Professor für Politik an der Freien Universität Berlin, sagt in seinen Lehrveranstaltungen gerne, die SPD stehe „ziemlich windschief in der Landschaft.“ Dieser Satz stimmt heute mehr denn je. Ihre 180° Wende in Sachen GroKo-Ende im November und ihre aktuellen Windungen haben der Partei massiven Schaden zugefügt.

     

    Der frühere SPD- und spätere Linke-Vorsitzende Oskar Lafontaine attestierte den Sozialdemokraten mit Blick auf die Bemühungen um eine Regierungsbildung Orientierungslosigkeit. "Die SPD ist ängstlich und unsicher und weiß nicht, welchen Weg sie gehen soll", sagte er der "Rheinischen Post". "Dabei ist es doch so einfach: Wenn man immer wieder Wahlen verliert, muss man die Politik ändern, die die Wähler vertreibt."

     

    Der Neoliberalismus hat uns die Möglichkeit einer Transformation des Kapitalismus in postkapitalistische Verhältnisse geraubt. Die Sozialdemokratien waren lediglich Zuschauer dieser Entwicklung.

     

    Haben Sie schon mal etwas von der AGENDA 2010 gehört? Von Prekarisierung der Bevölkerung?

     

    Die deutsche Sozialdemokratie hat das Drehbuch dazu geschrieben:

     

    Seit 1998 Jahren betreiben die Politiker des „Parteienkartells aus CDU/CSU, SPD, FDP und GRÜNE“ bekanntlich konzertiert systematischen Besitzstandsklau und Prekarisierung der Bevölkerung, während es Finanzwirtschaft und multinationalen Konzernen gleichzeitig devot die Wege für deren Beutezüge ebnet. Die Bedienungsanleitung hierfür ist die berühmte schrödersche AGENDA 2010.«

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Ich denke, da wir ja jetzt unseren kraftvollen Herrn Söder in Bayern am Ruder haben, daß er vielleicht eine Annäherung an die AfD sucht (weil er ja sonst in Bayern nicht aus eigener Kraft aus dem Sumpf kommt), und dann sieht die Lage gleich ganz anders aus. Dann wird doch in Berlin eine Koalition mit der AfD möglich und vielleicht bringt man den gebeutelten FDP-Lindner wieder aufs Gleis zurück und dann haben wir eine stabile Mehrheit in Deutschland. Die konservative Mitte.

    Macron kann sich dann frühpensionieren lassen.

  • GroKo ist Mist, besser wäre eine Minderheitsregierung oder KoKo, denn das hätte echten demokratischen Charme.

    Also geht es jetzt bei den Sondierungen nur noch darum, wer zum Schluß den schwarzen Peter bekommt.

    Ich meine, das sich die CSU den schwarzen Peter redlich verdient hat, denn sie bennent bereits Tabuthemen und Merkel kuscht sicher wieder vor dieser 6% Partei.

  • Eine Groko fürchte ich. Ich wünsche mir eine Minderheitsregierung (meinetwegen auch Koko), mit der Folge eines offenen Austauschs im Plenum. Das hätte echten demokratischen Charme.

    Stattdessen geht es jetzt nur noch darum, durch wen die Sondierungen scheitern, wer den schwarzen Peter bekommt.

    Ich hoffe, im Falle des Scheiterns, das die CSU den schwarzen Peter gewinnt, denn den hat sie sich seit Jahren verdient. Sie arbeitet bereits daran, in dem sie schon jetzt Tabuthemen benennt, dabei hat sie nur einen 6% Anteil der Wählerstimmen.

  • Ein ehrgeziger Zeitplan? Bis Mitte Januar wird sondiert, ob man überhaupt über eine Koalition verhandeln will. Dann ein Parteitag. Dann Koalitionsverhandlungen, anschließend Urabstimmung.

    Im März könnte vielleicht die neue Regierung vereidigt werden. Ungefähr 6 Monate nach der Bundestagswahl. Sehr "ehrgeizig", dieser Zeitplan.

    • @yohak yohak:

      Für Leute die so langsam sind wie M&S, ist das ehrgeizig...

  • "...sie geht ... in Sondierungsgespraeche über die Neuauflage einer Großen Koalition.." ??? Hat Martin Schulz das wirklich so gesagt, oder ist das die freie Interpretation der TAZ-Autorin? Im Herbeischreiben einer CDU/SPD Regierung unterscheidet sich die TAZ nicht von vielen anderen bürgerlichen Medien.

  • Kein Mensch braucht eine Verräterpartei und keinen Demagogen, Umfaller als Frontmann.

  • "In Zeiten wie diesen ist taz.de wichtiger, als uns lieb ist."

    "Schöne Schlagzeile".

    Nur wenn sachlich was gegen "Flüchtlinge" etwas geschrieben wird, wird nicht veröffentlicht und öffentlich der User gerügt.

    Ihr solltet auch kritische Meinungen zulassen, ansonsten macht ihr Euch

    unglaubwürdig, einseitig !

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @J.utt.a:

      Dann schreiben Sie doch einfach nichts gegen 'Flüchtlinge', dann ist das Problem nicht vorhanden.

      Die Flüchtlinge können sowieso nichts dafür, daß sie flüchten mussten, sondern wir Europäer mit unseren diversen feinen Freunden.

  • Auf, auf, Genossen, Richtung 15%.

     

    Ihr solltet nur aufpassen, dass Merkel sich nicht totlacht, weil ihr euch zum dritten Mal von ihr einwickeln lasst.

    • @Urmel:

      Das wäre doch gar keine schlechte Sache :-)

  • Parteivorstand beschließt die Aufnahme der Gespräche, dann soll etwa Mitte Januar ein Sonderparteitag die evtl. Aufnahme der Koalitionsverhandlungen absegnen, um dann anschließend 440 000 SPD-Mitglieder zu fragen, ob sie es wollen.

     

    2013 haben 75% der GroKo zugestimmt - nach 4 Jahren in der Opposition und mit einem Ergebnis, das besser war als der vorige. Jetzt wurden die Sozialdemokraten für ihre Regierungsbeteiligung (zurecht) abgestraft. Was macht die Partei, wenn die Mitglieder (wohl knapp) dagegen stimmen? Oder wird jetzt schon für die GroKo an der BAsis getrommelt?

  • ist es der taz möglich, einfach mal einen sachlich korrekten, objektiven bericht über die pressekonferenz von martin schulz zu erstellen. oder gibt es nur noch fast erpresserische meinungsartikel. es ist einfach zum kotzen, was ihr hier abliefert!!..

    • 4G
      4932 (Profil gelöscht)
      @SUDEK:

      Ich denke auch, wie WARUM_DENKT_KEINER_NACH?, daß es natürlich sakrosankte Personen hierzulande gibt, wie z.B. Merkel, Kauder, Seehofer, Lindner, wo keine Späße oder Kritik erlaubt sind, aber in diesem Artikel hat die taz sich sehr neutral verhalten, wie sie es in den Artikeln eigentlich immer versucht.

    • @SUDEK:

      Haben wir verschiedene Artikel gelesen?